Krafttraining, Ernährung und kognitives Training mindern bei Senioren Chromosomenschäden. Das Mikrokernauftreten stagniert und kann sogar gesenkt werden. Auch reduzieren sich DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüche und die oxidative Abwehr ist signifikant erhöht.
„Wir wollen Altersprozesse besser verstehen und untersuchen deshalb die Effizienz von Lebensstilaktivitäten für das gesundheitliche Wohl von PensionistInnen“, erklärt Karl-Heinz Wagner, Leiter der Forschungsplattform „Active Ageing“ an der Universität Wien. Das interdisziplinäre Team aus den Bereichen Ernährungswissenschaften, Sportwissenschaft und Pharmakognosie rekrutierte gemeinsam mit Mitarbeitern des Kuratoriums Wiener Pensionistenwohnhäuser knapp 120 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 84 Jahren.
Die Studienteilnehmer wurden per Zufall in drei Interventionsgruppen eingeteilt, die – unterteilt in Krafttraining, Krafttraining und Nahrungsergänzung, Gedächtnistraining – einer 18-monatigen Intervention unterzogen wurden. „Alle sechs Monate wurden nicht nur Standarduntersuchungen wie Körperzusammensetzung, Blutparameter oder Muskelfunktionstests durchgeführt, sondern auch Muskelbiopsien genommen“, so Barbara Wessner, Molekularbiologin am Institut für Sportwissenschaft der Universität Wien, zur Vorgangsweise für die Studie. Erste Ergebnisse auf molekularer Ebene zeigten, dass die Probanden geringere als für das hohe Alter zu erwartende Chromosomenschäden aufwiesen. Jene Fehler bei der Zellteilung von Lymphozyten – sogenannte Mikrokerne –, die durch altersbedingte Chromosomenschädigung auftraten, unterschieden sich nicht von jüngeren Senioren. „Damit konnten wir erstmals zeigen, dass das Mikrokernauftreten bei Personen an oder über der Lebenserwartung einen Plateaueffekt, also eine Stagnation aufweist“, so Wagner.
Durch die ersten sechs Monate Aktivität konnte die Häufigkeit von Mikrokernen um 15 bis 20 Prozent reduziert werden. Das ist höchst gesundheitsrelevant, da Mikrokerne mit dem Aufkommen verschiedener Krankheiten, wie etwa Krebs und Diabetes, verbunden sind. Zudem waren DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüche stark reduziert und die Aktivität von Enzymen der oxidativen Abwehr signifikant erhöht. „Wie in der Literatur bekannt, steht eine optimale Versorgung der Vitamine B12 und Folsäure in einem direkten Zusammenhang mit einer reduzierten Mikrokernhäufigkeit“, so Wagner. Bereits nach sechs Monaten Krafttraining in Verbindung mit Nahrungsergänzung waren sowohl ein Anstieg des Vitamin B12-Plasmaspiegels als auch eine reduzierte Mikrokernfrequenz erkennbar. Ein weiterer Schwerpunkt der ersten Auswertungen lag im Bereich der altersassoziierten Veränderungen im Immunsystem. Im Besonderen wurde hier der Zusammenhang von Alter, körperlicher Fitness, und verschiedenen Signalwegen in Immunzellen untersucht, wobei der Körperfettgehalt der Studienteilnehmer zu Beginn der Studie eine größere Rolle zu spielen scheint als die körperliche Fitness selbst. „Wir sind schon gespannt auf die Ergebnisse der laufenden Analysen, die zeigen werden, ob das Krafttraining oder die Nahrungsergänzung, die neben einem hohen Eiweißgehalt auch die Vitamine D, B2 und B12 enthielt, einen positiven Einfluss auf das Immunsystem hatte“, so Wessner.
Klinisch relevant ist wohl auch die jüngste Publikation, die sich dem Thema der muskelassoziierten Biomarker im Blut widmete. Aus einem Set an vielversprechenden Markern waren es vor allem die Proteine GDF-15 und IGF-1, die einen Zusammenhang mit dem Alter und der Muskelmasse aufwiesen. Diese Kandidaten bilden die Grundlage für Folgestudien, die sich mit der Diagnostik der Sarkopenie im klinischen Kontext auseinandersetzen werden. Originalpublikationen: The impact of six months strength training, nutritional supplementation or cognitive training on DNA damage in institutionalised elderly Bernhard Franzke et al.; Mutagenesis, doi: 10.1093/mutage/geu074; 2015 The influence of age and aerobic fitness on chromosomal damage in Austrian institutionalised elderly Bernhard Franzke et al.; Mutagenesis, doi:10.1093/mutage/geu042; 2014 Influence of age and physical fitness on miRNA-21, TGF-β and its receptors in leukocytes of healthy women Barbara Halper et al.; Exercise Immunology Reviews; 2015 Serum concentrations of insulin-like growth factor-1, members of the TGF-beta superfamily and follistatin do not reflect different stages of dynapenia and sarcopenia in elderly women Marlene Hofmann et al.; Experimental Gerontology, doi: 10.1016/j.exger.2015.02.008; 2015