Bei der neuromuskulären Erkrankung Myasthenia gravis spielen unter anderem recycelte Autoantikörper gegen Acetylcholinrezeptoren eine Rolle. Mit dem Medikament Efgartigimod gibt es jetzt einen neuen Therapie-Ansatz.
Ein Artikel von Patrick HeinzAssistenzarzt in der Neurologie
Myasthenia gravis ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung mit einer weltweiten Inzidenz von 8–10/1.000.000 Personen, die Prävalenz beträgt etwa 150–200/1.000.000 Personen.
Die klinischen Symptome sind variabel, typisch ist eine belastungsabhängige Muskelschwäche. Diese kann sich durch Doppelbilder, hängende Augenlider, Sprech-/Schluckbeschwerden, aber auch eine Schwäche der Extremitätenmuskulatur zeigen. Gefürchtet sind schwere Verläufe bis hin zu gefährlichen Atembeschwerden. Krankheitsauslösend sind häufig Autoantikörper gegen den Acetylcholinrezeptor an der Postsynapse, den Muskelzellen.
Die bisherige medikamentöse Therapie dieser neuromuskulären Signalübertragungsstörung an der motorischen Endplatte erfolgt symptomatisch durch Acetylcholinesterasehemmer oder eine immunsuppressive Therapie. Die Thymektomie als operative Therapie kann ebenfalls die Antikörperproduktion stoppen.
Mit einem neuen Wirkmechanismus greift Efgartigimod in die Pathophysiologie der Myasthenia gravis ein. Als humanes IgG1-Antikörperfragment blockiert es den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) an Endothelzellen der Gefäße. Da der FcRn eine wichtige Rolle in der Wiederaufnahme – dem Recycling von Antikörpern – spielt, wird über diesen Mechanismus auch die Halbwertszeit der Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor verringert.
Eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie wurde an verschiedenen neuromuskulären Zentren (Nordamerika, Europa, Japan) durchgeführt. Erwachsene Patienten, mit bestätigter generalisierter Myasthenia gravis, wurden unabhängig von ihrem Antikörperstatus bei einem Myasthenia Gravis Activities of Daily Living (MG-ADL) Score von mindestens 5 (maximal 24 möglich, wobei höhere Werte einen schlechtere Lebensqualität bedeuten) in die Studie eingeschlossen.
Das Studienkollektiv, welches bisher eine Standardtherapie ihrer Myasthenia gravis erhalten hatte, wurde zufällig der Placebogruppe oder der Interventionsgruppe zugeteilt. Der Behandlungszyklus mit Efgartigimod erfolgte als Infusion i. v. 1 x pro Woche über 4 Wochen, bei fehlender Besserung nach 8 Wochen konnte dieser nach 26 Wochen wiederholt werden.
Zwischen September 2018 und November 2019 wurden 167 Patienten rekrutiert (84 erhielten Efgartigimod, 83 erhielten Placebo), hiervon wiesen 129 (77 %) einen Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor auf. Bereits im ersten Behandlungszyklus zeigten 44 von 65 (68 %) der antikörperpositiven Patienten in der Efgartigimod-Behandlungsgruppe eine Verbesserung im MG-ADL-Score um mindestens 2 Punkte. Dieser primäre Endpunkt wurde nur von 30 % in der Placebo-Behandlungsgruppe erreicht. Ein signifikanter Wirksamkeitsnachweis für Efgartigimod bei generalisierter Myasthenia gravis war damit erbracht.
Wie steht's mit unerwünschten Effekten? Da durch Efgartigimod prinzipiell auch das Recycling anderer Antikörper und damit die Immunabwehr vermindert wird, bestanden die häufigsten Nebenwirkungen der Therapie in respiratorischen Infekten und Harnwegsinfekten, ebenfalls traten Kopfschmerzen auf.
Während die US-Arzneimittelagentur FDA Efgartigimod bereits eine Zulassung erteilte, ist eine Entscheidung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA noch ausstehend. Derzeit läuft eine Anschlussstudie – ADAPT-plus – zur Beurteilung der langfristigen Therapiesicherheit.
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