Krebs hat viele Ursachen – ein deutsches Forscherteam hat Gene untersucht, die bei Lymphdrüsenkrebs verändert sind. Sie identifizieren einen Schlüsselprozess bei der Krebsentstehung und schlüsseln einen Signalweg detailliert auf.
Bei Krebserkrankungen sind verschiedene Signalwege der Zelle gestört. Dazu zählt auch die sogenannte Sumoylierung, eine gezielte Modifikation von Proteinen, die deren Eigenschaften verändert und so etwa über ihre Lebensdauer oder Lokalisation in der Zelle entscheidet. „Wir konnten in unserer Studie ein bisher unbekanntes Krebsgen identifizieren, das diesen zentralen Signalweg in Tumorerkrankungen reguliert und somit einen Angriffspunkt für neue Therapien darstellen könnte“, sagt Prof. Ulrich Keller, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie an der Charité.
Um solche zentralen Schaltstellen zu identifizieren und zu charakterisieren, hat ein Team von Wissenschaftlern der Charité und der Goethe-Universität systematisch nach Genen gesucht, die bei Lymphomen – also Lymphdrüsentumoren – verändert sind. Dafür haben sie ein Transposon-System genutzt. Mit diesem lassen sich Gene im Mausmodell durch bestimmte Erbgutabschnitte zufällig an- und ausschalten. So kann ihr Effekt auf die Tumorentstehung untersucht werden.
„In den letzten Jahren haben zahlreiche große Sequenzierungsstudien das Genom von Tumorerkrankungen präzise charakterisiert und die Komplexität und Heterogenität der zugrundeliegenden Veränderungen anhand ‚molekularer Landkarten‘ veranschaulicht. Dass solche Abweichungen häufig nur in kleinen Patientengruppen auftreten, erschwert eine Interpretation ihrer Bedeutung“, erklärt Dr. Markus Schick, Erstautor der Studie und Teamleiter. „Durch unseren Ansatz konnten wir nun zahlreiche bisher unbekannte Krebsgene aufdecken – unter anderem das Gen SENP6, das bei etwa einem Drittel aller Patientinnen und Patienten mit Lymphomen verloren gegangen ist. Ausgehend davon haben wir dessen Funktionsmechanismus aufgeklärt und eine Therapiestrategie entwickelt.“
Welche Rolle das Gen bei Krebserkrankungen spielt, war bisher nicht bekannt. Das dadurch kodierte Protein SENP6 entfernt die SUMO-Modifikationen von anderen Proteinen der Zelle und steuert somit auch deren Wechselwirkungen untereinander. Das Forschungsteam konnte nun belegen, dass das gezielte Ausschalten von SENP6 zur Krebsentstehung führt, es sich also um ein Tumorsuppressorgen handelt. In gesunden Zellen hat SENP6 eine zentrale Rolle bei der Reparatur von DNA-Schäden. Nach Verlust des Gens wird diese Funktion beeinträchtigt und somit häufen sich im Erbgut Schäden an, die letztlich zur Entstehung von Krebs beitragen. Die Tumorbildung nach Verlust von SENP6 ließ sich allerdings effektiv unterdrücken durch Hemmung des DNA-Reparaturenzyms PARP mithilfe von Medikamenten, die bereits für die Brustkrebstherapie zugelassen sind.
„Mit unseren Erkenntnissen konnten wir also SENP6 als Biomarker für den Behandlungserfolg mit solchen PARP-Hemmstoffen etablieren. Derzeit untersuchen wir, in welchen anderen Tumorerkrankungen – neben Lymphomen – der neu beschriebene Mechanismus zur Krebsentstehung beiträgt“, resümiert Keller. „Das Ziel einer personalisierten Medizin sind präzise auf einzelne Patientinnen und Patienten abgestimmte Behandlungen. Der nächste Schritt sind daher klinische Studien, um diese Hemmstoffe als neue spezifische Behandlungsoption für Krebserkrankungen, die durch den Verlust von SENP6 gekennzeichnet sind, zu testen. Darüber hinaus bieten sich hierbei Kombinationstherapien an, die noch selten eingesetzt werden, aber enormes Potenzial bergen – insbesondere, wenn sie basierend auf der patienteneigenen Tumorbiologie eingesetzt werden.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Charité. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Devon MacKay, Unsplash