In heiklen Situationen fühlen sich Menschen sicherer, wenn sie in Begleitung sind. Doch muss diese Person zwangsläufig real sein? Forscher haben erstmalig den Einfluss eines virtuellen Agenten auf die Angst untersucht.
In einer furchteinflößenden Situation empfinden viele Menschen weniger Angst, wenn sie die Situation nicht alleine durchstehen müssen. Experimente zeigen, dass die Anwesenheit Dritter physiologische Angstreaktionen abschwächen kann: „Soziale Unterstützung wirkt in solchen Fällen also wie ein Stresspuffer“, erklärt Neurowissenschaftlerin Prof. Grit Hein. Allerdings sind nicht alle Menschen gleichermaßen gesellig. Bei manchen löst gerade die Anwesenheit einer anderen Person Besorgnis aus. Sie befürchten, dass ihre Begleitung Angstreaktionen wie Zittern, Erröten oder Schwitzen an ihnen wahrnehmen könnten, und geraten deshalb erst recht in Stress.
Prof. Hein und ihr Team wollten daher wissen, ob die Anwesenheit Dritter auch bei Menschen, die unter einer ausgeprägten sozialen Angst leiden – also Furcht davor haben, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren – beruhigend wirkt. Weiterhin gingen sie erstmalig der Frage nach, ob der Begleiter menschlich sein muss oder ob auch virtuelle Agenten, sogenannte Avatare, Angst mildern können.
In einer Studie spielten die Wissenschaftler daher Probanden angstauslösende Geräusche im Wechsel mit neutralen vor – mal in Begleitung einer Person, mal ohne. Dabei galt: Frauen bekamen Begleiterinnen zur Seite gestellt, Männer Begleiter. Den Grad der Angstreaktion der Teilnehmer bestimmte das Forschungsteam zum einen über die Veränderung der Hautleitfähigkeit. Zum anderen mussten die Versuchspersonen die Geräusche auf einer vorgegebenen Skala bewerten. Dabei unterschieden sich die Versuchsreihen in einem wesentlichen Kriterium: Während bei der einen Gruppe während des Experiments eine reale Person mit vor Ort war, erledigte die zweite Gruppe die Aufgabe in einer virtuellen Realität – mit einem Avatar an der Seite, der dem realen Begleiter lebensecht nachgebildet war.
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten zum einen, dass Frauen deutlich stärker auf Angst auslösende Geräusche als Männer reagieren. Die Anwesenheit Dritter mindert daher besonders bei weiblichen Personen die Angstreaktionen – dies gilt vor allem für solche, die keine ausgeprägten sozialen Ängste haben. Bei Männern hingegen wirken sich dieser Aspekt nicht in vergleichbarer Weise aus. Doch auf ein Ergbenis sind Prof. Hein und ihr Team besonders stolz: Erstmals konnte belegt werden, dass die Anwesenheit einer virtuellen Person bei Frauen die Angstreaktion reduziert – und zwar unabhängig davon, wie stark sie von sozialen Ängsten betroffen sind. Ein virtueller Agent kann also bei Frauen mit ausgeprägten sozialen Ängsten das Sicherheitsgefühl verstärken.
„Unsere Ergebnisse liefern neue Einblicke in die individuellen Unterschiede, die die soziale Modulation der autonomen menschlichen Angstreaktionen beeinflussen“, schreiben die Studienautoren. Für die Behandlung von Angststörungen könne diese Erkenntnis von praktischer Bedeutung sein. In Zukunft möchten die Wissenschaftler systematisch den Effekt des Geschlechts des „unbeteiligten Dritten“ erforschen sowie diese Effekte bei der Verarbeitung positiver Reize untersuchen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Die Originalpublikation haben wir euch im Text und hier verlinkt.
Bildquelle: Aarón Blanco Tejedor, unsplash.