Seit einer Woche wird nun schon in deutschen Apotheken gegen Corona geimpft – Zeit für ein erstes Fazit! Eva Bahn spricht mit drei Apothekern darüber, ob die vorangegangenen Bedenken vieler Ärzte berechtigt waren.
In einigen Apotheken finden seit dem 8. Februar 2022 nun endlich die ersten Impfungen gegen Corona statt. Grundlage für die Erlaubnis zum Impfen ist der § 20b Infektionsschutzgesetz (IfSG), der ermöglicht hat, dass Apotheker Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 bei Personen, die das 12. Lebensjahr vollendet haben, durchführen dürfen. Nun können wir ein erstes Fazit ziehen: Wo und in wie vielen Apotheken wurde geimpft, welche Gründe sprechen für und gegen das Impfen in den Apotheken und wie gefiel den impfenden Apothekern ihr erster Einsatz? Ich sprach dazu mit Silke Hans, selbständige Apothekerin aus Kleve und Inhaberin der dortigen Markt-Apotheke, Björn Schittenhelm, dem Inhaber der Alamannen-Apotheke in Holzgerlingen, der deutschlandweit aufgrund seines hohen Engagements in Impf- und Testzentren bekannt wurde (ich schrieb hier darüber) und mit Thomas Luft, Inhaber der Post Apotheke in Edingen- Neckarhausen.
Mich hat vor allem interessiert, wie groß die Bereitschaft innerhalb der Bevölkerung war, sich in den Apotheken impfen zu lassen. Daher wollte ich wissen, ob es viele Voranmeldungen gab und welche Gründe die Menschen dafür angegeben haben, dass sie lieber in die Apotheke als zum Arzt kommen. War es in den Apotheken möglich, sich spontan impfen zu lassen, oder mussten alle Patienten vorher einen Termin machen – und sind sie zudem dann auch wirklich erschienen? Spannend ist nach wie vor, ob es irgendwelche Schwierigkeiten oder Komplikationen beim Impfvorgang selbst oder in der 15-minütigen Nachbeobachtungszeit gibt, wie so mancher Arzt es prophezeite. Kurzum: Ist bereits absehbar, ob es eine gute Idee war, die Impfungen in die Apotheken zu holen?
Frau Hans erzählte mir, dass sie vor Impfstart über 14 Tage lang Voranmeldungen über ein Online-Tool gesammelt hat. Auch in der Apotheke selbst wurde mit Plakaten für die Impfung geworben. Die Impfwilligen erschienen vor allem, weil der Termin schneller als in der Arztpraxis möglich war und sie nicht so lange warten wollten. Die Apothekerin hatte sich im Vorfeld auch drei Patienten als Backup herausgesucht, die für Personen spontan einspringen wollten, falls sie ihren Termin kurzfristig doch noch absagen müssen. Während der Impfung und der Nachbeobachtungszeit zeigten sich keinerlei Probleme bei den Patienten und alles lief reibungslos ab.
Silke Hans betrachtet das Impfangebot vor allem als gute Werbung für die Apotheke vor Ort, denn lokal kann man so einiges auch kurzfristig stemmen – das dürfte den Politikern inzwischen nach zwei Pandemiejahren auch bewusst geworden sein. In ihren Augen funktionieren die Corona-Impfungen in den Apotheken aber nur mit Terminvergabe, weil das deutlich mehr Verbindlichkeit schafft. Sie musste in dieser Woche feststellen, dass Leute, die morgens noch unbedingt geimpft werden wollen, schon am Nachmittag plötzlich keine Lust mehr haben, das Haus nochmal zu verlassen. Den Grund sieht sie darin, dass es zurzeit ständig und überall Impfmöglichkeiten gibt und es den Menschen nicht bewusst ist, dass die Apotheken wegen der Kühlung und der Anzahl der Impfdosen hier sehr genau planen müssen.
Dr. Björn Schittenhelm war auch beim Impfen gegen Corona ganz vorne mit dabei. Da er ein bereits bestehendes Test- und Impfzentrum leitet, in dem bisher Ärzte geimpft haben, gab es bei ihm zum Impfstart vergleichsweise viele Anmeldungen. In der ersten Woche wurden über 100 Patienten geimpft, davon 45 von Schittenhelm selbst. Auch Spontanimpfungen können problemlos bei ihm gebucht und durchgeführt werden. Auch er hatte bisher keinerlei Probleme bei Durchführung und Nachbeobachtung der Impfung. Das hätte ihn auch überrascht, denn bei den vorausgegangenen 100.000 Impfungen, die er in den vergangenen Pandemiemonaten mitorgansiert hatte, gab es ebenfalls keinerlei Beschwerden. Dass in den Apotheken vor Ort geimpft wird, hält er für eine längst überfällige Idee. Nur so sei es möglich, irgendwann die großen Impftempel abzulösen und Impfungen zu dezentralisieren. Das mache die Zugänglichkeit auch für weniger mobile Menschen auf Dauer besser.
Apotheker Thomas Luft hält grundsätzlich ebenfalls viel von der Idee, das Impfgeschehen auch in die Apotheken zu holen. Im Rahmen des Grippeschutz-Modellprojektes der AOK hat er selbst schon das ein oder andere Mal die Nadel angesetzt. Trotzdem konnte man sich in seiner Apotheke bislang noch nicht gegen Corona impfen lassen. Waum? Luft beklagt die lange Vorlaufzeit bei der Bestellung der Impfstoffe, die einen erhöhten Planungsaufwand bedeuten. Die kurze Haltbarkeit des aufgetauten Impfstoffes von 30 Tagen macht das nicht einfacher. Dazu kommt, dass sich genügend Menschen anmelden müssen, damit man ein Vial auch wirklich komplett aufbrauchen kann, da der Impfstoff nicht einzeln verpackt ist. An dieser Nachfrage haperte es zunächst – im Laufe der vergangenen Woche hatten sich gerade einmal drei Ehepaare nach einer Boosterimpfung in der Apotheke erkundigt.
Luft merke auch bei den Arztpraxen, dass momentan nur noch wenig Impfstoff bestellt werde. Er hat von Kollegen gehört, dass sich zwar Menschen für die Impfung anmelden, dann aber nicht zum Termin erscheinen. In manchen Innenstadtlagen seien Apothekenmitarbeiter bereits dazu übergegangen, Leute auf der Straße anzusprechen, ob sie nicht geimpft werden möchten. Luft kam zum Schluss, dass er erst dann regelmäßig an Mittwoch- oder Samstagnachmittagen einsteigen wolle, wenn die Nachfrage sich deutlich erhöhe. Das erwartet er dann, wenn der auf Omikron angepasste Impfstoff auf dem Markt ist. Zu diesem Zeitpunkt sieht er sich wohl gerüstet, den Menschen im Einzugsgebiet seiner Apotheke ein Angebot machen zu können. Bis dahin werden nur vereinzelt Termine vergeben, sobald sich genügend Patienten zusammenfinden, damit er ein Vial komplett aufbrauchen kann. Das wird Ende dieser Woche zum ersten Mal der Fall sein.
Wie Luft sehen das wohl die meisten Apothekeninhaber. Zum Start der Impfungen waren es gerade einmal 526 Apotheken, die sich deutschlandweit am Impfgeschehen beteiligten. Das dürften die vielen Ärzte, die sich im Vorfeld strikt dagegen ausgesprochen hatten, nicht einmal bemerkt haben.
Bildquelle: Diana Polekhina, unsplash