Ein Mann stellt sich mit Bauchschmerzen im rechten oberen Quadranten in der Notaufnahme vor, die sich schon bald wieder bessern. Lange können die Ärzte keine Ursache dafür finden - bis sich sein Zustand plötzlich verschlechtert.
Ein 54-jähriger Mann mit bekannter alkoholbedingter Leberzirrhose stellt sich mit Bauchschmerzen im rechten oberen Quadranten in der Notaufnahme vor. Hämatemesis, Hämatochezie oder Meläna verneint er. Die Zirrhose ist bereits seit einem Jahr bekannt zusammen mit Ösophagusvarizen Grad 1 und leichtem Aszites. Zudem leidet der Mann an einer KHK, weshalb bereits vor 6 Jahren ein Stent eingesetzt worden war und arterieller Hypertonie.
Bei der Erstuntersuchung im Krankenhaus beträgt der Blutdruck 160/88 mmHg, die Herzfrequenz liegt bei 96 Schlägen/Minute und die Atemfrequenz bei 24 Atemzügen/Minute. Fieber hat er nicht. Die Untersuchung des Abdomens ist unauffällig und merkwürdigerweise lassen sich die Schmerzen bei Palpation nicht reproduzieren. Die Blutuntersuchungen zeigen ein erhöhtes Laktat von 2,7 mmol/L (0,7-2,0) und einen Hämoglobinwert von 14,5 g/dL. Die übrigen Laborwerte sind bis auf eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase unauffällig. Um die Beschwerden des Mannes weiter abzuklären, lassen die Ärzte eine CT-Untersuchung des Abdomens ohne Kontrastmittel durchführen. Diese ist jedoch ebenfalls unauffällig. Da die Schmerzen inzwischen auch abgeklungen sind, entlassen sie den Patienten wieder nach Hause.
Doch nur eine Woche später, steht er mit ähnlichen Bauchschmerzen erneut in der Notaufnahme. Sein Blutdruck liegt bei 125/70 mmHg, die Herzfrequenz bei 89 Schlägen/Minute, die Atemfrequenz bei 18 Atemzügen/Minute. Diesmal scheint sein Abdomen leicht distanziert, wenn auch weiterhin bei der Palpation nicht schmerzhaft. Sein Hb-Wert beträgt diesmal 13,3 g/dL und zusätzlich können die Ärzte diesmal eine direkte Hyperbilirubinämie mit einem Gesamtbilirubin von 12,1 mg/dL feststellen. Könnte dies ein erster Hinweis auf die Ursache der wiederkehrenden Bauchschmerzen sein? Die Ärzte ordnen eine MRCP an. Doch diese zeigt einen normalen Gallengang ohne Anzeichen einer Striktur. Erneut klingen die Schmerzen spontan ab, sodass der 54-Jährige mit der Diagnose einer akuten dekompensierten Zirrhose unklarer Ätiologie wieder entlassen wird.
Es dauert nicht lange bis er wieder im Krankenhaus landet. Doch diesmal ist eine neue Dimension erreicht. Er hat plötzlich heftige Bauchschmerzen bekommen, ist hypotensiv mit einem Blutdruck von 87/60 mmHg und tachykard mit einer Herzfrequenz von 118 Schlägen/Minute. Er reagiert auf Ansprache, ist jedoch blass und hat einen deutlichen Ikterus. Das Labor zeigt nun eine Leukozytose sowie erhöhte Laktat-, Kreatinin-, AST und Gesamtbilirubinwerte. Sein Hb-Wert ist inzwischen auf 10,8 g/dL gefallen. Nach Volumengabe wird der 54-Jährige allmählich hämodynamisch stabil. Doch nur 12 Stunden später rauscht sein Hb-Wert erneut in den Keller: Bei 7,0 g/dL erhält er zwei Erythrozytenkonzentrate. Ein Notfall-CT zeigt ein Hämoperitoneum und eine anschließende CTA zeigt eine mögliche Blutungsquelle an einer portosystemischen Kollaterale im Bereich des Omentum majus und der Dünndarmwand.
An diesem Punkt ziehen die behandelnden Ärzte die interventionelle Radiologie hinzu. Dort kann in einem Pfortader-Venogramm gezeigt werden, dass die obere Mesenterialvene Kollateralgefäße in der periumbilikalen Region speist, die wahrscheinlich den Ort der jüngsten Blutung darstellen.
Aufgrund dieser Befunde wird umgehend eine Klebeembolisation der mesenterialen, omentalen und periumbilikalen Varizen mit einem ultraschallgesteuerten, transplenischen Zugang durchgeführt.
Danach klingen die Bauchschmerzen des Patienten schon bald ab, sodass er am vierten Tag nach dem Eingriff entlassen werden kann.
Einen Monat später werden mittels Gummibandligatur noch auffällige Ösophagusvarizen behandelt. Doch dann ist es auch zweieinhalb Jahre später zu keinem weiteren Blutungsereignis gekommen.
Text- und Bildquelle: Wongjarupong et al. / Cureus
Bildquelle: Alexander Wende / Unsplash