Die Atemwege verzweigen sich ab der Luftröhre fortlaufend. Mit jeder Verzweigung wird ihre Anzahl größer und ihr Durchmesser kleiner. Als kleine Atemwege werden knorpellose Bronchien ab der 9. Teilungsgeneration bzw. einem Lumendurchmesser < 2 mm bezeichnet. Insgesamt machen die kleinen Atemwege den größten Teil der Atemwegsoberfläche aus.1
Sowohl bei Asthma als auch bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) kann es zu entzündlichen Prozessen in den peripheren Atemwegen kommen.2 Während sich bei der COPD vornehmlich die Anzahl der kleinen Atemwege mit dem Fortschreiten der Erkrankung reduziert3, stehen bei Asthma-Patient*innen Entzündungen und Umbauprozesse in der Lungenperiphere im Vordergrund4. Über 90 % der Asthma- und stark symptomatischen COPD-Patient*innen* zeigen Hinweise auf eine sogenannte Small Airways Disease (SAD).4,5 SAD ist mit einer unzureichenden Krankheitskontrolle assoziiert – zum Beispiel mit Exazerbationen.4,6
Die Pathogenese der SAD bei Asthma besteht aus einem komplexen Wechselspiel zwischen verschiedenen Faktoren.7 Unter anderem fördern hohes Alter, Übergewicht und Rauchen die Ausprägung. Ungenügende Asthmakontrolle und Bewegung zeigen eine bidirektionale Korrelation zur SAD.
Bei der COPD ist die SAD durch den Umbau der Atemwege, vermehrte Schleimbildung (Mucus Plugging) und die Infiltration von Immunzellen gekennzeichnet. Faktoren wie Zigarettenrauch oder Infektionen verursachen Schädigungen und führen zu einer Verdickung der Atemwegswände und einer Verringerung des Atemwegsvolumens. Zigarettenrauch begünstigt zudem die Schleimüberproduktion und damit eine Verengung der Atemwege.8 Es wurde gezeigt, dass sich diese Obstruktion negativ auf die Gesamtmortalität von COPD-Patient*innen auswirkt.9 Auch eine Verbindung zwischen einer PRISm (Preserved ratio impaired spirometry†) und einer Dysfunktion der kleinen Atemwege konnte nachgewiesen werden.10 Generell gilt bei COPD eine Entzündung der kleinen Atemwege als Ausgangspunkt für die Progression der Erkrankung und als Merkmal für Exazerbationen.11
Die Erkrankung der kleinen Atemwege geht mit schlechten Spirometrieergebnissen, erhöhter Überblähung der Lunge und schlechtem Gesundheitszustand einher. Eine genaue Untersuchung der kleinen Atemwege stellt sich bis heute jedoch schwierig dar. Mittels Computertomographie lassen sich die kleinen Strukturen nicht sichtbar machen. Viele Methoden sind komplex oder invasiv und insgesamt gibt es bisher keinen Goldstandard.12
Einblicke darüber, wie eine Erkrankung der kleinen Atemwege zur klinischen Manifestation des Asthmas beiträgt, gibt die prospektive Beobachtungsstudie ATLANTIS.4 Ein weiteres Ziel der Studie war es herauszufinden, mit welchen Messmethoden Schlussfolgerungen zum Zustand der kleinen Atemwege gezogen werden können.
Eine zentrale Erkenntnis aus der Studie ist, dass die Diagnosestellung einer SAD abhängig von der Messmethode ist.4 Dabei korrelierten die Messwerte aus der Spirometrie und der Impulsoszillometrie am stärksten mit dem Krankheitsgeschehen in den kleinen Atemwegen. Die Kombination dieser Messmethoden kann ihren Zustand demnach derzeit am besten wiedergeben.
Die Daten zeigen weiter, dass SAD mit einer unzureichenden Asthmakontrolle assoziiert ist und eine Verschlechterung signifikant mit der Exazerbationsrate und damit dem Krankheitsverlauf zusammenhängt.13 Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse der ATLANTIS-Studie für die Relevanz der kleinen Atemwege in der Asthma-Therapie.
Die SAD ist bei Asthma und COPD mit einer unzureichenden Krankheitskontrolle assoziiert. Eine gezielte und möglichst frühzeitige Diagnostik und Therapie der SAD könnte dazu beitragen, Symptome zu verringern und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.12,13 Die in diesem Artikel aufgeführten Verfahren zur Diagnostik einer SAD sind bisher nicht in der Routine-Diagnostik angekommen und werden aktuell nur in spezialisierten Zentren durchgeführt. Auch gibt es bisher nicht die „eine“ Methode, d.h. keinen Goldstandard.12 Für eine adäquate Therapie der SAD ist es entscheidend, dass Wirkstoffe nicht nur die großen Atemwege erreichen, sondern auch in die peripheren Bereiche der Lunge gelangen. So konnte beispielsweise für Inhalativa mit extrafeiner Partikelgröße (MMAD‡ < 2 μm) eine erhöhte Deposition der Wirkstoffe in den kleinen Atemwegen gezeigt werden.14 Nicht zu vergessen sind zudem patientenspezifische Faktoren wie die richtige Inhalationstechnik.12
Fußnoten:
* Die Beeinträchtigung der peripheren Atemwege wurde in allen Stadien der COPD nachgewiesen.3
† PRISm (preserved ratio but impaired spirometry) ist eine mögliche Vorstufe der COPD. PRISm beschreibt Menschen mit einem Tiffenau-Index (FEV1/FVC nach Bronchodilatation) von 0,7, die aber in der Spirometrie eine Atemwegsobstruktion zeigen (FEV1 und/oder FVC < 80 % des erwarteten Wertes nach Bronchodilatation).
‡ MMAD: Mass Median Aerodynamic Diameter
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