Einige Mikroorganismen können Krebs auslösen, andere hingegen schützen vor Tumoren. Ein Review zeigt das therapeutische Potenzial von Modulationen des menschlichen Mikrobioms.
Pilze, Bakterien und Viren begleiten uns in allerlei Lebenssituationen – auch bei Krebserkrankungen. Aus historischer Sicht ist eine Verbindung zwischen Mikroorganismen und Krebs schon länger bekannt. Klinische Studien zum Einfluss auf Krebs begannen schon im Jahr 1868, als William Busch über spontane Tumor-Regression in Patienten mit Streptococcus pyogenes Infektionen berichtete. Gleichzeitig wurde auch die virale Krebstheorie durch die Entdeckung des Rous-Sarkom-Virus 1911 angespornt, welches in Hühnern gutartige Gewebe zu bösartigen Tumoren transformierte.
Ein Review, das in der renommierten Fachzeitschrift Science erschien, nahm sich genau dieser Thematik an: Es zeigt, wie allgegenwärtig Pilze, Bakterien und Viren des Mikrobioms bei menschlichen Krebsarten sind. Dabei fungieren sie sogar als wichtige Akteure in der Immuntherapie und bieten Behandlungsansätze gegen Metastasen.
Nur wenige Mikroorganismen verursachen direkt Krebs, aber viele scheinen am Wachstum des Tumors beteiligt zu sein; sie wirken häufig über das Immunsystem des Wirts. Auf der anderen Seite haben einige Mikroorganismen immunstimmulierende Eigenschaften. Analysen der Wechselwirkung zwischen Darm und Mikrobiom weisen starke Auswirkungen auf die Antitumor-Immunität durch Modulation primärer und sekundärer lymphatischer Gewebeaktivitäten auf. Viele dieser Wege aktivieren Toll-like-Rezeptor-initiierte Zytokin-Singnalgebung; aber auch mikrobielle metabolische Effekte, sowie molekulare Mimikry mit Krebszellen spielen eine wichtige Rolle. Viele vorklinische Studien zeigen: Mikrobielle Metaboliten regulieren auch Phänotypen von Tumor-somatischen Mutationen und modulieren die Wirksamkeit der Immunsystem-Checkpoint-Inhibition. Weitere deuten darauf hin, dass Pilze und Bakteriophagen zu Magen-Darm-Krebs beitragen könnten. Doch trotz all dieser präklinischen Daten hat sich noch keine erfolgreiche klinische Therapie etabliert.
Ein interessanter Therapieansatz ist die Mikrobiom-Modulation als wirksame Immuntherapie: Die Assoziation zwischen bestimmten gastrointestinalen Mikroorganismen und der Aktivität des systemischen lymphatischen Gewebes sind dabei von besonders großem Interesse. Häufig erscheinen diese Beziehungen verwandt – so beeinflusst die Modulation des Darmmikrobioms die Zusammensetzung des intratumoralen Mikrobioms bei Bauchspeicheldrüsenkrebs; möglicherweise durch die Kommunikation über den Pankreasgang. In anderen Fällen ist eine solche Modulation nicht in der Art konsistent: Der Einsatz von Antibiotika scheint die Reaktion auf die Immuntherapie häufig aufzuheben, indem das Darmmikrobiom gehemmt wird. Paradoxerweise verbessern Antibiotika auch die Wirksamkeit der Immuntherapie, indem sie die Expression von PD-1 hochregulieren, wenn sie das intratumorale Mikrobiom der Bauchspeicheldrüse hemmen.
Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms hat auch einen Einfluss auf die Wirkung von Anti-Krebsmitteln: Beispielsweise wurde bei Prostatakrebs Abirateronacetat (AA) von Akkermansia muciniphila (A. muciniphila) – ein Muzin-abbauendes Bakterium, das im menschlichen Darm zu finden ist –als Energiequelle genutzt. So hemmten sie das Wachstum von Corynebakterien-Arten, die AA-inhibierte Androgene nutzten. A. muciniphila ist anti-inflammatorisch, hingegen Corynebakterien meist proinflammatorisch; der Wandel der relativen Abundanz erhöhte die Wirksamkeit der AA-Therapie. Aufgrund der immunmodulatorischen Wirkung von A. muciniphila spekulieren Forscher, dass eine Erhöhung der Abundanz von A. muciniphila die Wirksamkeit von AA bei Androgen-unabhängigem Prostatakarzinom erklären könnte. Auch hier – es handelt sich lediglich um eine Hypothese, die nur durch Studien mit großen Patientenkohorten bestärkt werden können.
„Diese Komplexität erfordert eingehendere mechanistische Studien zu Modulationsansätzen und ein besseres klinisches Verständnis, bevor Präbiotika, Probiotika, Postbiotika und Antibiotika im Rahmen von Krebs eingesetzt werden“, schreiben die Autoren über die Diskrepanz in Ansätzen der Immuntherapie bei Krebs.
Von geschätzten ~1012 verschiedenen mikrobiellen Arten auf der Erde, werden nur 11 von der Association for Cancer Registries (IACR) als menschlich karzinogene oder „Onkomikroben“ bezeichnet. Doch in den letzten 15 Jahren haben Forscher einige Daten – manche kontrovers diskutiert – zur Verbindung zwischen Mikrobiom und Krebs bereitgestellt. Zwar verursachen nur wenige Mikroben direkt Krebs, aber viele mehr scheinen eine Mitschuld zu tragen. Einige andere wiederum fördern die Anti-Tumor Immunität des Wirts. „Diese Komplexität könnte eine gemeinsame evolutionäre Dynamik zwischen dem Immunsystem des Wirts, seinen kommensalen Mikrobiota und tumorerzeugenden Prozesse wiederspiegeln, die wir gerade erst anfangen aufzudecken“, schreiben die Autoren. „Obwohl noch viele Herausforderungen bestehen bleiben, könnte der Aufbau eines besseren Verständnisses der Rolle von Mikroben bei Krebs ein leistungsstarkes neues Toolkit zur Verbesserung der Patientenversorgung ermöglichen.“
Allerdings bleibt weiterhin die Lücke zwischen klinischen Beobachtungen und klinischen Eingriffen als ein schwieriger Punkt bei der Aufklärung zur Rolle des Mirkobioms bei Krebs. Viele der Studien zu klinischen Therapieansätzen der Mikrobiom-Modulation stellen verschiedene taxonomische Unterschiede dar. Diese Diversität bleibt auch in bioinformatischen Analysen bestehen, trotz der funktionalen Übereinstimmungen, erklären die Autoren. Das erschwert wiederum einen einheitlichen Therapieansatz, der klinisch angewandt werden könnte. „Viele dieser Herausforderungen würden durch eine multizentrische, longitudinale, konzertierte Anstrengung Mikrobiota bei Krebs zu untersuchen, unterstützt werden“, heißt es. Anders gesagt: Viele Fragen bleiben offen und weitere großangelegte Studien sind notwendig, um die Assoziation zwischen Mikrobiom und Tumoren so zu verstehen, sodass klinische Erfolge erzielt werden können.
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