Eine Schwangerschaft kann sich mildernd auf die Symptome einer MS-Erkrankung auswirken. Doch sollten werdende Mütter das Risiko eingehen und ihre Medikation absetzen? Ein Forschungsteam untersuchte nun Risiken und Nutzen.
Bei schubförmiger Multipler Sklerose (MS) ist der Wirkstoff Natalizumab wirksam und gut verträglich. Erkrankte Frauen, die versuchen schwanger zu werden, setzen das Medikament jedoch häufig vor oder spätestens bei Eintritt einer Schwangerschaft ab. Es ist bekannt, dass nach dem Absetzen von Natalizumab bei bis zu 80 % der MS-Erkrankten binnen vier bis sieben Monaten klinisch relevante Schübe auftreten. Ebenso weiß man, dass Schwangerschaften eine mildernde Wirkung auf die Krankheit haben. Welche Risiken jedoch genau für werdende Mütter, die das Medikament absetzen, bestehen, war bisher ungeklärt.
Ein Forschungsteam um die Neurologin Prof. Kerstin Hellwig analysierte daher Daten von 274 MS-Patientinnen, bei denen Natalizumab entweder vor der Schwangerschaft oder während des ersten Trimesters abgesetzt wurde. Strukturierte Telefoninterviews mit den Müttern wurden dabei ebenso einbezogen wie Berichte ihrer behandelnden Neurologen. Es zeigte sich, dass in 183 Fällen MS-Schübe während der Schwangerschaft oder des ersten Jahrs danach auftraten. 44 Mal wurde von schweren Schüben, in drei Fällen von lebensbedrohlichen Schüben berichtet. In 10 % der Fälle war ein Jahr nach der Geburt eine funktionell relevante Behinderung durch die Krankheit feststellbar. Das Team zog daher die Bilanz, dass eine Schwangerschaft als solche, das Risiko eines MS-Schubes also nicht reduziere.
Auch ausschließliches Stillen des Kindes hatte keine schützende Wirkung. Frauen, die innerhalb der ersten vier Wochen nach der Geburt wieder Natalizumab einnahmen, waren nicht besser vor MS-Schüben in den ersten sechs Monaten nach der Geburt geschützt als andere. Allerdings konnte die frühe Einnahme des Medikaments nach der Geburt das Risiko von Schüben in den folgenden zwölf Monaten senken.
„Diese Ergebnisse sind bedeutend für die Abwägung, Natalizumab vor oder während einer Schwangerschaft abzusetzen“, so Prof. Hellwig. Das hohe Risiko einer bleibenden Behinderung durch das Absetzen des Medikaments steht den teils unklaren Risiken für die Schwangerschaft durch die dauernde Einnahme oder den Wechsel zu einer anderen Therapie gegenüber. „Diese Informationen müssen wir mit den Patientinnen teilen, um gemeinsam zu einer fundierten Entscheidung zu kommen.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Volodymyr Hryshchenko, unsplash.