Das Gift des Knollenblätterpilzes kann in Zellen eindringen und deren Tod herbeiführen. Forscher haben nun eine Methode entwickelt, das Toxin synthetisch herzustellen. Damit könnte es in Zukunft zur Tumorbekämpfung eingesetzt werden.
Der Knollenblätterpilz gilt als einer der giftigsten Pilze weltweit. Das darin enthaltene alpha-Amanitin kann Organversagen auslösen und tödlich wirken. Seit mehr als zehn Jahren wird versucht, Amanitin zur Bekämpfung von Tumoren einzusetzen. Durch die sogenannte ATAC-Technologie ist es möglich, das Gift an Antikörper zu koppeln, die spezifisch an Krebszellen andocken und in diese eindringen. In der Zelle wird das Toxin dann freigesetzt und führt zum Zelltod.
Die ATACs zeigten in früheren Untersuchungen eine hohe Wirksamkeit, überwanden häufige Resistenzmechanismen und konnten auch ruhende Tumorzellen bekämpfen. Dennoch besteht auch ein großes Risiko bei dieser Methode. „Die Antikörper dürfen ihre Fracht beim Weg durch den Körper nicht verlieren, sonst würde das Gift zu schweren Nebenwirkungen führen. Andererseits muss sich das Amanitin in den Tumorzellen vom Antikörper lösen, sonst kann es nicht wirken“, erklärt Prof. Roderich Süssmuth, von der TU Berlin.
Bisher war es jedoch nicht möglich, die für eine klinische Nutzung erforderlichen Mengen von Amanitin herzustellen. Da sich Amanitin nur in Hut und Stil des Knollenblätterpilzes bildet, war auch eine Produktion über Zellkulturen nicht möglich. Einem Forschungsteam der TU Berlin ist es nun gelungen, das Amanitin durch eine klassische chemische Synthese herzustellen, die einem indutriellen Maßstab gerecht wird.
Die Herausforderung bei der Synthese lag darin, ausgehend von acht Aminosäuren das alpha-Amanitin-Molekül aufzubauen, das aus zwei Molekül-Ringen besteht. „Es ist ein bisschen wie Schachspielen, kombiniert mit der Knotentheorie“, kommentiert Süssmuth seine Forschung. Wie im Schach komme es bei Synthesewegen auf die Eröffnung an, d. h. wie zunächst die komplexen Aminosäuren synthetisiert werden können und an welchem der beiden Molekül-Ringe dann mit dem Aufbau des Amanitins begonnen wird.
Die dazu notwendigen Reaktionsschritte haben die Forscher dabei ganz klassisch im Chemielabor ausprobiert. „Dabei sollte die Synthese in möglichst wenigen Reaktionsschritten zum Ziel führen. Und die verwendeten Chemikalien müssen möglichst effizient eingesetzt werden, um eine hohe Ausbeute an Amanitin zu gewährleisten“, sagt Süssmuth. Dies sei zum Einen wichtig, um nachher in der industriellen Produktion überhaupt wirtschaftlich arbeiten zu können. Zum Anderen ist das Ziel, tatsächlich den schnellsten und effizientesten Weg zu beschreiten, auch patentrechtlich wichtig.
Der Einsatz von Amanitin gegen das Multiple Myelom steht kurz vor der klinischen Phase, der gegen das Non-Hodgkin-Lymphom und gegen eine spezielle Form von Prostatakrebs befinden sich in der präklinischen Prüfung.
„Mit der chemischen Synthese haben wir nicht nur einen einfachen Zugang zu alpha-Amanitin geschaffen“, sagt Süssmuth. Durch gezielte Modifikationen in der Synthese ließe sich nun auch eine Vielzahl von neuen Varianten in der Molekülstruktur von Amanitin erzeugen. „Dadurch kann die ATAC-Plattform noch deutlich erweitert werden, was neue Eigenschaften in der Therapie möglich machen könnte.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität Berlin. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Kalineri, unsplash.