Hirnvenenthrombosen sind selten, können aber schwer verlaufen. Forschern gelang es nun, die molekulare Ursachen zu entschlüsseln. Die Blockade eines Rezeptors scheint zudem der Erkrankung vorzubeugen zu können.
Hirnvenenthrombosen sind seltene Hirndurchblutungsstörungen, die, im Gegensatz zum Schlaganfall, auch jüngere Menschen betreffen. Aus weitgehend ungeklärter Ursache entstehen Blutgerinnsel in Hirnvenen, die den Blutabfluss behindern und so das Hirngewebe schädigen. Ein Blutgerinnsel entsteht durch das Zusammenspiel zweier Prozesse: der plasmatischen Gerinnung und der Thrombozytenaktivierung. Bislang waren die molekularen Prozesse dessen jedoch unverstanden.
Wissenschaftler der Uni Würzburg stießen nun bei ihrer Forschung zur Entstehung der Thromben unverhofft auf einen wichtigen Hinweis. „Eigentlich wollten wir untersuchen, ob ein Antikörper gegen den Rezeptor CLEC-2 auf Thrombozyten bei Verabreichung in die Blutbahn die Blutungsneigung erhöht. Völlig unerwartet löste der Antikörper dann aber – neben einem Abfall der Thrombozytenzahl – Krampfanfälle und weitere neurologische Ausfälle bei den behandelten Tieren aus. Symptome, die denen von Patienten mit akuter Hirnvenenthrombose sehr ähnelten", erklärt Prof. David Stegner, Uniklinik Würzburg. „Tatsächlich zeigten weitergehende Untersuchungen, dass die Tiere binnen weniger Minuten ausgeprägte Hirnvenenthrombosen entwickelt hatten, ohne das es in anderen Organen zur Gerinnselbildung kam“, so Stegner.
„Wir vermuten, dass die Bindung des Antikörpers die Eigenschaften des Rezeptors CLEC-2 so verändert, dass er Signale in die Zelle weiterleitet. Dies aktiviert die Thrombozyten, sie verklumpen im venösen Gehirnkreislauf und lösen dadurch die Hirnvenenthrombosen aus. Ein Rätsel ist, warum nur die Hirnvenen betroffen sind“, sagt Stegner. Er und sein Team fanden anschließend heraus, dass neben CLEC-2 auch noch ein zweiter Thrombozytenrezeptor, nämlich GPIIb/IIIa, an der Entstehung von Hirnvenenthrombosen beteiligt ist. Nur das Zusammenwirken beider Rezeptoren führt zur Thrombenbildung im Gehirn.
Die Forscher konzentrierten sich daraufhin auf die Thrombozytenrezeptoren. Wurden diese vorab blockiert, bildete sich keine Hirnvenenthrombose. „Das interessanteste Ergebnis war allerdings, dass eine Hemmung der Thrombozyten durch die Blockade des GPIIb/IIIa-Rezeptors, auch nach dem Einsetzen der neurologischen Symptome, also im akuten Krankheitsverlauf äußerst wirksam war“, sagt Vanessa Göb, Erstautorin der Studie. Die Gruppe zeigte, dass die Rezeptorblockade das Wachstum der Blutgerinnsel in den Hirnvenen unmittelbar stoppte, die behandelten Tiere sich vollständig erholten und keine Blutungskomplikationen auftraten.
Diese Erkenntnisse sind für eine mögliche Übertragung dieses Therapieansatzes auf Patienten von erheblicher Bedeutung. Neurologe Prof. Guido Stoll ergänzt: „Diese Ergebnisse waren überraschend und könnten den Weg weisen für den Einsatz von GPIIb/IIIa-Blockern bei den Patienten, bei denen die Hirnvenenthrombosen trotz Heparinbehandlung fortschreiten, was häufig zum Tode führt. GPIIb/IIIa-Blocker sind für andere kardiovaskuläre Erkrankungen bereits zugelassen.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Rudolf-Virchow-Zentrums – Center for Integrative and Translational Bioimaging. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Ivan Banduram, unsplash.