Medikamente, die bei Diabetes eingesetzt werden, sind die Drama Queens unter den Arzneien: Ständig ist irgendwas. Lest hier, auf welche Fallstricke ihr bei der Einstellung eurer Patienten unbedingt achten solltet.
Unerwünschte Arzneimittelinteraktionen sind häufig, gefährden den Therapieerfolg und führen zu unerwünschten Nebenwirkungen. Insbesondere, wenn die Wirkung lebenswichtiger Medikamente aufgehoben oder gesteigert wird, kann es problematisch werden, beispielsweise bei Antidiabetika.
Orale Antidiabetika können in unterschiedliche Arzneimittelgruppen eingeteilt werden. Glinide und Sulfonylharnstoffe wirken blutzuckerunabhängig insulinotrop und besitzen gegenüber anderen oralen Antidiabetika ein höheres Hypoglykämierisiko. Metformin steigert die anaerobe Glykolyse. Andere Antidiabetika wirken im Gatrointestinaltrakt.
Auch bei neueren Arzneistoffen der Indikationsgruppen sind Wechselwirkungen dokumentiert. Da viele Diabetiker zusätzlich unter Begleiterkrankungen leiden, sollten mögliche Interaktionen unter den verordneten Wirkstoffen beachtet werden. Gemäß der evidenzbasierten Leitlinie beginnt die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes zunächst mit einer Monotherapie.
Kann der HbA1C trotz dieser Therapie und nicht-pharmakologischen Therapiemaßnahmen nicht unter 7 Prozent gesenkt werden, kommt zusätzlich ein weiteres Antidiabetikum zum Einsatz. Die Kombination verschiedener oraler Antidiabetika, beispielsweise Sulfonylharnstoffderivate, Metformin, Thiazolidindione, α-Glucosidase-Hemmer und SGTL2-Inhibitoren, verstärkt dann den blutzuckersenkenden Effekt.
Interaktionen mit Arzneistoffen, die den Blutzuckerspiegel direkt beeinflussen, zählen zu den pharmakodynamischen Wechselwirkungen. Zu unterscheiden sind dabei Wechselwirkungen, die zu Hyper- beziehungsweise Hypoglykämien führen können.
Auch psychischer und physischer Stress sind relevante Faktoren für das Auftreten oder die Progredienz von Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes.
Die zugrunde liegende komplexe neuroendokrine Struktur betrifft das zentrale Nervensystem und die Peripherie. Psychischer Stress führt zu einem Anstieg der Serum-Glukokortikoid-Konzentrationen und zur Ausschüttung von Katecholaminen, was den Insulinbedarf und die Insulinresistenz erhöht.
Für einen erhöhten Insulinbedarf können auch weitere Faktoren die Ursache sein: schnelles Wachstum, Übergewicht, Pubertät, geringe körperliche Aktivität, Trauma, Infektionen und Glukoseüberladung. Auch chronischer Stress und Übergewicht bilden einen Teufelskreis, der zu einem Stoffwechselversagen führen kann.
Kortikoide spielen nicht nur bei Stressreaktionen eine Rolle, sondern auch als Arzneimittel gegen Allergien, Asthma und Rheuma.
Kortikosteroide induzieren eine Insulinresistenz in der Leber, den Adipozyten und dem Skelettmuskel und haben direkte schädliche Wirkungen auf die Insulinsekretion. Die Entwicklung einer Insulinresistenz während der Behandlung mit Kortikosteroiden und die unzureichende Anpassung der Insulinsekretion sind Schlüsselelemente in der Pathophysiologie des Kortikosteroid-induzierten Diabetes. Die Fähigkeit von β-Zellen der Bauchspeicheldrüse, die Insulinsekretion als Reaktion auf eine Insulinresistenz zu erhöhen, ist teilweise genetisch bestimmt. Eine familiäre Vorgeschichte von Typ-2-Diabetes ist daher ein Hauptrisikofaktor für die Entwicklung von Diabetes unter Kortikoiden.
Kortikosteroidbehandlungen werden üblicherweise mit einer hohen Dosis begonnen, die anschließend auf das niedrigste Niveau verringert wird, das ausreicht, um eine Krankheitskontrolle zu erreichen. Bei Patienten mit Blutzuckerspiegeln über 2,16 g/l (12 mmol/l) ist eine pharmakologische Behandlung des Diabetes erforderlich, und eine Insulintherapie kann begonnen werden, wenn die Blutzuckerspiegel über 3,6 g/l (20 mmol/l) liegen.
Eine Therapie mit Kortikosteroiden sollte bei Patienten mit Diabetes mellitus, Glukoseintoleranz oder einer Prädisposition für Hyperglykämie unter strengerer Risikoanalyse durchgeführt werden. Patienten mit Diabetes mellitus sollten während der Kortikosteroidtherapie engmaschiger überwacht und ihr antidiabetisches Regime entsprechend angepasst werden.
Auch bei Menschen ohne Diabetes können Probleme auftreten. Bei bis zu 40 Prozent der Patienten unter einer Langzeittherapie kann eine spezielle Form des sogenannten Typ-3-Diabetes, der Kortison-induzierte Diabetes mellitus auftreten.
Wer wegen Asthma oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) regelmäßig Kortisonpräparate inhaliert, hat ein Risiko, an Diabetes zu erkranken. Bei höheren Dosen lag die Neuerkrankungsrate noch höher: Patienten, die täglich ein Gramm Fluticason oder mehr anwendeten, erkrankten zu 64 Prozent an Diabetes.
Weitere Substanzen, die zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels führen können, sind Thiazide. Diese Diuretika können dosisabhängig im Verlauf einer längerfristigen Behandlung zu erhöhten Blutzuckerspiegeln führen und somit die Wirkung von Antidiabetika verringern. In Dosierungen von 12,5 bis 25 mg pro Tag, wie zum Beispiel bei der Behandlung der Hypertonie üblich, ist mit erhöhten Blutzuckerspiegeln selten zu rechnen.
Die den Thiaziddiuretika zugeschriebenen Vorteile in Bezug auf die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse überwiegen das Risiko einer Verschlechterung der Glukosekontrolle bei Typ-2-Diabetes und eines neu auftretenden Diabetes bei Nicht-Diabetikern.
Das Team um Tsujimoto et al. hat Daten der US National Health and Nutrition Examination Survey ausgewertet. Aufgrund des höheren Sterberisikos für Patienten mit Diabetes mellitus durch die Betablocker-Therapie sollte eine Neubewertung von Betablockern bei Diabetes stattfinden. Auch durch die Ergebnisse der ACCORD-Studie wurde bereits eine Betablocker-Therapie in Zweifel gezogen. Diese hat gezeigt, dass Patienten mit Diabetes mellitus und Bluthochdruck von einer starken Blutdrucksenkung unter 120 mmHg nicht profitieren konnten.
Betablocker maskieren die adrenergen Symptome einer meist insulinbedingten Hypoglykämie. Der Diabetiker empfindet bei einer Unterzuckerung nicht die Warnsymptome Tachykardie, Zittern oder Schwitzen. Das Ausmaß wird auch von der Affinität zu den Beta-2-Rezeptoren bestimmt. Betablocker unterscheiden sich stark in ihrer Selektivität und ihren positiven Begleiteffekten. Nebivolol beispielsweise ist ein vasodilatatorischer β-Blocker der 3. Generation. Er hat neutrale oder vorteilhafte Wirkungen auf die Insulinsensitivität und den Fettstoffwechsel.
Das Ziel einer Studie von Majid et al. war die Bewertung der Wirkung von Nebivolol und Atenolol auf die glykämische Kontrolle und das Lipidprofil bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und gleichzeitiger Hypertonie. Es handelte sich um eine 12-wöchige randomisierte klinische Doppelblindstudie. Die Patienten erhielten entweder Nebivolol 5–10 mg oder Atenolol 25–50 mg. Beide Medikamente senkten den Blutdruck signifikant. Nebivolol reduzierte den Blutzucker, HbA1c, Gesamtcholesterin, Triglyceride, LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin im Vergleich zu Atenolol signifikant. Im Vergleich zu Atenolol hat Nebivolol eine vorteilhafte Wirkung auf die glykämische Kontrolle und das Serumlipidprofil.
Chinolon-Antibiotika können die therapeutische Wirkung von Antidiabetika beeinträchtigen, sie stören die Blutzuckerhomöostase. Dies ist auf Auswirkungen auf ATP-sensitive Kaliumkanäle der Betazellen der Bauchspeicheldrüse zurückzuführen, die die Insulinsekretion regulieren. Unter dieser Interaktion sind sowohl Hyperglykämie als auch Hypoglykämie möglich. Infektionen selbst können ein Risikofaktor sein und eine Hypoglykämie kann zu einer höheren Morbidität und Mortalität führen. Unter den Chinolen verursacht Levofloxacin die meisten Fälle, gefolgt von Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Ofloxacin und Gemifloxacin.
Metformin ist aufgrund seiner guten klinischen Wirksamkeit, hohen Sicherheit und niedrigen Kosten das am häufigsten verwendete Antidiabetikum der ersten Wahl. Es werden auch weitere Anwendungsgebiete und Wirkungen außerhalb seiner Indikation untersucht. Bereits in den 1950er Jahren zeigten Studien, dass Metformin eine biologische Rolle bei der Regulierung der Mitochondrien spielt. Metformin wirkt, indem es den Komplex I in der mitochondrialen Atmungskette hemmt. Mitochondrien spielen eine zentrale Rolle bei der Anwendung von Metformin. Sie sind wichtige Targets für Zellfunktionen. Der genaue Wirkungsmechanismus dieses pleiotropen antihyperglykämischen Moleküls in den Mitochondrien ist noch unklar.
Klinische Studien haben gezeigt, dass Metformin Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit, polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS), Osteoporose, Krebs, Parodontitis, neuronale Schäden und neurodegenerative Erkrankungen, Entzündungen, entzündliche Darmerkrankungen (IBD) und Tuberkulose bemerkenswert verhindern oder lindern kann.
Metformin kann Stoffwechsel, Wachstum, Proliferation, Entzündung, Tumorgenese und Seneszenz regulieren. Darüber hinaus moduliert Metformin die Immunantwort, Autophagie, Mitophagie, Stress des endoplasmatischen Retikulums sowie Apoptose und übt epigenetische Wirkungen aus. Darüber hinaus schützt Metformin vor oxidativem Stress und genomischer Instabilität, erhält die Telomerlänge und verhindert die Erschöpfung der Stammzellen. Ein Tausendsassa unter den Antidiabetika.
Alkohol kann die Wirkung von Metformin auf den Laktatstoffwechsel verstärken und das Risiko einer Laktatazidose erhöhen. Darüber hinaus kann Alkohol bei Patienten mit Diabetes Hypoglykämie oder Hyperglykämie verursachen. Obwohl während der Behandlung mit Metformin allein selten eine Hypoglykämie auftritt, kann das Risiko bei akutem Alkoholkonsum zunehmen.
Selbst geringe Mengen können den Blutzucker erheblich senken, insbesondere wenn der Alkohol auf nüchternen Magen oder nach körperlicher Aktivität eingenommen wird. Der Mechanismus umfasst die Hemmung sowohl der Gluconeogenese als auch der gegenregulatorischen Reaktion auf Hypoglykämie. Episoden von Hypoglykämie können 8 bis 12 Stunden nach der Einnahme von Ethanol andauern. Im Gegensatz dazu kann chronischer Alkoholmissbrauch eine beeinträchtigte Glukosetoleranz und Hyperglykämie verursachen.
Carboanhydrasehemmer werden zur Senkung des Augeninnendrucks, als Diuretika und bei weiteren Indikationen eingesetzt. Die gleichzeitige Verabreichung von Metformin mit Carboanhydrasehemmern kann das Risiko einer Laktatazidose verstärken. Carboanhydrasehemmer können das Bicarbonat im Serum verringern und eine nicht-anionische Lücke, eine hyperchlorämische metabolische Azidose, induzieren.
Die Anwendung des Carboanhydrasehemmers Topiramat zur Epilepsie- und Migräneprophylaxe führt sowohl bei erwachsenen als auch bei pädiatrischen Patienten häufig zu einer dosisabhängigen metabolischen Azidose. Bei Verdacht auf Laktatazidose sollte Metformin sofort abgesetzt werden. Serumelektrolyte, Ketone, Blutglukose, Blut-pH, Laktatspiegel und Metforminspiegel im Blut können bei der Erstellung einer Diagnose hilfreich sein. Eine Laktatazidose sollte bei jedem Diabetiker mit metabolischer Azidose ohne Anzeichen einer Ketoazidose (Ketonurie und Ketonämie) vermutet werden.
Glitazone agieren als Insulinsensitizer und verbessern die Wirkung des körpereigenen Insulins an den Muskel- und Fettzellen. Sie greifen direkt an der Insulinresistenz an, welches eine wesentliche Ursache des Typ-2-Diabetes ist. Wenn die Empfindlichkeit der Zielzellen für Insulin erhöht wird, kann Glukose besser in diese Zellen gelangen. Dadurch werden die Blutzuckerwerte gesenkt und die Bauchspeicheldrüse wird entlastet, da sie nicht mehr vermehrt Insulin produzieren muss. Pioglitazon wird über CYP2C8/9 und CYP3A4 sowie CYP1A2 abgebaut. Der CYP2C8-Induktor Rifampicin kann zu einer Erniedrigung, Trimethoprim und Gemfibrozil zu einer Erhöhung der Plasmakonzentration von Rosiglitazon führen.
Das Gliptin-Antidiabetikum Saxagliptin ist Substrat von CYP3A4. Der CYP3A4-Inhibitor Diltiazem erhöhte in einer Studie die AUC des Gliptins um 109 %, der starke CYP3A4-Hemmer Ketoconazol sogar um 145 %. Der starke CYP3A4-Induktor Rifampicin reduziert die Exposition der Muttersubstanz um 76 %. Der Anteil des aktiven Metaboliten und die Hemmung der Plasma-DPP-4-Aktivität bleiben insgesamt aber unbeeinflusst. Gemäß Fachinformation wird eine sorgfältige Blutzuckerkontrolle empfohlen. Die beiden SGLT-2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin werden unabhängig von CYP-Enzymen metabolisiert und neigen deshalb weniger zu Interaktionen.
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