SARS-CoV-2 wird nicht das letzte Coronavirus mit Pandemie-Potenzial sein. Weltweit arbeiten Forscher bereits an Impfstoffen, die gegen mehrere Coronaviren gleichzeitig wirken sollen. Ein Überblick.
Omikron wird wohl nicht die letzte Corona-Variante sein, die die Pandemie hervorbringt. Wissenschaftler wollen vorbereitet sein und versuchen, Impfstoffe zu entwickeln, die vor verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten schützen sollen. Noch besser wäre es, gleich einen Universal-Impfstoff gegen mehrere Viren der Coronavirus-Familie zu entwickeln. Die Idee klingt verlockend: Ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2, der gleichzeitig auch vor neu auftretenden Varianten schützt, möglicherweise sogar vor Coronaviren, die noch gar nicht den Sprung auf den Menschen geschafft haben – und so zukünftige Pandemien verhindern könnte. Aber wie realistisch ist dieses Vorhaben?
Der Blick in den Stammbaum der Coronaviren macht deutlich, dass das kein einfaches Unterfangen ist – denn die Familie ist riesig. Einen schnellen Überblick darüber verschafft ein Bild des Virologen Prof. Florian Krammer auf Twitter. Dort vereinfacht zu sehen sind die vier Gattungen der Coronaviren: Alpha-, Beta-, Gamma-, und Deltacoronaviren. Sie sind nicht mit den Bezeichnungen für die SARS-CoV-2-Varianten Alpha bis Delta zu verwechseln.
Von Interesse für die Impfstoffforschung sind die Betacoronaviren, weil sich insbesondere in dieser Gruppe einige Viren befinden, die den Menschen infizieren können. Die Untergattung Sarbecovirus innerhalb der Betacoronaviren beinhaltet auch die uns inzwischen gut bekannten SARS-CoV- und SARS-CoV-2-Viren. MERS-CoV findet sich ebenfalls in der Gattung der Betacoronaviren, allerdings in der Subgattung Merbecovirus.
Wenn Forscher davon sprechen, einen universellen Coronavirus-Impfstoff entwickeln zu wollen, dann meinen sie damit meist einen Impfstoff, der sich gegen SARS-ähnliche Viren richtet. Diese sind schließlich momentan unser Hauptproblem. Ein universeller Corona-Impfstoff, der sich zusätzlich gegen weitere Coronaviren richtet, ist zwar erstrebenswert, aber derzeit noch nicht machbar. Dafür sind die Vielfalt und die strukturellen Unterschiede innerhalb der Coronaviren-Familie einfach zu groß.
Bereits mehrere verschiedene universelle Impfstoffe gegen SARS-ähnliche Viren sind in der Entwicklung. Besonders weit ist das US-Militär: Forscher des Walter Reed Army Institute of Research (WRAIR) in den USA haben einen sogenannten Spikeprotein-Ferritin-Nanopartikel-Impfstoff (SpFN) entwickelt. Im Prinzip funktioniert er wie der proteinbasierte Novavax-Impfstoff, allerdings enthält SpFN nicht nur ein modifiziertes Spikeprotein, sondern gleich mehrere verschiedene. Zusammen mit dem Adjuvanz ALFQ soll die Impfung so eine starke Immunantwort gegen unterschiedliche Corona-Varianten erzeugen.
Die Wissenschaftler haben sich dabei eine besondere Eigenschaft des Ferritins für ihren Impfstoff zu Nutze gemacht. Das Protein Ferritin kommt im Menschen natürlicherweise vor und dient der Eisenspeicherung. Das Makromolekül besteht aus 24 Untereinheiten, die sich kugelförmig zusammen lagern – das macht es für die Impfstoffentwicklung besonders interessant. Dank dieser Struktur kann es verschiedene Antigene gleichzeitig präsentieren.
Der SpFN-Impfstoff konnte Rhesusaffen vor einer Erkrankung schützen, nachdem sie dem Virus ausgesetzt wurden. Die Impfung löste zudem eine hochpotente und breit neutralisierende Antikörperreaktionen gegen die wichtigsten Corona-Varianten aus, einschließlich des 2002 aufgetretenen SARS-CoV-1-Virus. Auch eine Phase-I-Studie mit menschlichen Probanden wurde laut der Wissenschaftler schon durchgeführt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse steht allerdings aus. Noch ist der Impfstoff von einer Zulassung also weit entfernt.
Eine andere Forschergruppe aus den USA nutzt für ihren Varianten-Impfstoff die mRNA-Technologie. Doch anders als die Hersteller Biontech oder Moderna verwenden die Wissenschaftler der University of North Carolina nicht die mRNA für das Spike-Protein einer einzigen Virusvariante. Sie setzen bei ihrem Impfstoff hingegen auf chimäre Spike-Proteine, also auf eine Kombination aus Bestandteilen der Spike-Proteine verschiedener Coronaviren. Eine dieser Chimären vereint zum Beispiel Merkmale der Spike-Proteine von SARS-CoV-2, aber auch von SARS-CoV und einem Coronavirus, das bislang nur in Fledermäusen vorkommt, aber womöglich auf den Menschen überspringen könnte.
Bei Mäusen erzeugte der Impfstoff schon effektiv neutralisierende Antikörper gegen mehrere Spike-Proteine, darunter auch das der Delta-Variante von SARS-CoV-2, aber auch gegen SARS-CoV und das besagte Fledermaus-Virus. Mäuse, die nur gegen SARS-CoV-2 eine Impfung erhielten, waren wie erwartet anfällig gegenüber den anderen Coronaviren.
Während man bei der Entwicklung eines universellen Impfstoffes gegen SARS-ähnliche Viren also schon recht weit ist, machen die Sequenzvielfalt und die strukturellen Unterschiede zwischen Coronaviren verschiedener Gruppen noch Probleme. Einen echten Pan-Coronavirus-Impfstoff wird es zwar so schnell wohl nicht geben, aber immerhin wird die Forschung in diese Richtung inzwischen stark gefördert. Und im Kampf gegen die jetzige Pandemie haben wir mit den bereits erhältlichen Impfstoffen schon wirkungsvolle Waffen an der Hand.
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