Es ist ein Dauerbrenner: Uns Landärzten fehlt der Nachwuchs. Ein neues Projekt will jungen Ärzten das Arbeiten auf dem Land schmackhaft machen. Was an dem Konzept gut ist – und was eindeutig noch fehlt.
Als Landärztin sehe ich mich natürlich häufig mit dem berühmt-berüchtigten Landarzt-Mangel konfrontiert und verfolge auch die Nachrichten zu dem Thema. Jetzt las ich von einem neuen Projekt: In diesem Fall ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Universitäten mit dem schönen Namen „LOCALHERO“ („LOngitudinales Curriculum ALlgemeinmedizin zur Stärkung der Hausärztlichen VErsorgung in ländlichen RegiOnen“). Auch hier geht es wieder darum, mit einer frühzeitigen Anbindung an ländliche Regionen durch Praktika und Mentoren in Landarztpraxen Studenten an das Land zu binden, damit sie nach dem Studium auch dort bleiben. Bringt das was?
Grundsätzlich finde ich die Idee gut – in gewisser Weise sind wir so auch zu unserem neuesten Kollegen gekommen (erst Famulant, dann PJler, jetzt Weiterbildungsassistent). Und ich hoffe, dass auch unsere nächste Weiterbildungsassistentin eine „Wiederkehrerin“ ist, nämlich eine ehemalige PJlerin, die wir ebenfalls über eine Famulatur erstmalig kennengelernt haben.
Wobei das nicht über ein offizielles Mentoring-Programm ablief, sondern wir als Lehrpraxis einfach immer wieder Kontakt zu Studenten haben und dann diejenigen, die besonders gut in die Praxis „passten“ auch aktiv angesprochen haben, ob sie nicht Lust hätten, wiederzukommen.
Ich glaube ja, dass es in den allermeisten Fällen auch nicht daran scheitert, dass die Studenten die Arbeit als Landarzt nicht interessant finden. Gerade dadurch, dass die Facharztdichte deutlich geringer ist, ist unsere Medizin viel breiter und die Hemmschwelle für „Überweisungsmedizin“ ist viel höher. Man setzt sich deutlich intensiver mit den Patienten und ihren Symptomen auseinander. Das ist nicht nur für den Patienten besser, weil er sich mehr gesehen fühlt, sondern auch für den Arzt oft befriedigender, da er sozusagen „aus einer Hand“ helfen kann und nicht nur Überweisungen schreibt.
Wir bekommen in der Praxis auch mit, dass es eher am Organisatorischen scheitert. Dass zum Beispiel die Kinderbetreuung oder bzw. und die weite Entfernung zum Wohnort mit langen Fahrzeiten für die Mediziner zum Problem wird. Und diese Dinge liegen leider in den allermeisten Fällen außerhalb unseres Einflussbereichs.
Was aber (zumindest für uns) jetzt mehrfach funktioniert hat: Wenn man hört, dass ein Patient Medizin studiert (oder ein Kind eines Patienten), ggf. einfach mal ansprechen, ob Interesse an einer Famulatur besteht. Das sind nämlich oft diejenigen, die eh schon in der Region verwurzelt sind und das ist meiner Erfahrung nach ein großer Bonus.
Ein Punkt, der mir gut gefällt am „LOCALHERO“: Die Studenten können direkt Rückkopplung geben (und werden das hoffentlich auch ehrlich tun). Denn alle Maßnahmen sind immer nur so gut, wie sie diejenigen, für die sie gedacht sind, auch wirklich erreichen. Man kann sich immer viel überlegen, aber am Ende muss es für die Teilnehmer passen – und Theorie und Praxis weichen da häufig voneinander ab.
Und ich muss gestehen, dass da weiterhin ein Punkt bleibt, der mir beim Thema Landarztquote Sorgen macht: Die Lebensphase, in die die Land-Verpflichtung fällt, ist die „Rushhour“ des Lebens – nämlich die Zeit von Familiengründung, kleinen Kindern, etc. Ich glaube, dass gerade dafür noch einige Lösungen gefunden werden müssen, wenn wirklich Leute ans Land gebunden werden sollen. Eine einfache Maßnahme, die mir auch geholfen hätte, als die Kinder kleiner waren: Es wäre super, wenn eine niedrigere Stundenzahl als 50 % für die Anerkennung zur Weiterbildung möglich wäre, ohne dass man vorher eine lange Abhandlung schreiben muss, um sich das genehmigen zu lassen (auch, wenn dann die Gesamt-Weiterbildung natürlich länger dauert).
Wenn man will, dass die Leute „drin“ bleiben im Job, wäre es meiner Meinung nach durchaus sinnvoll, die Untergrenze für eine Weiterbildungsstelle auf 15 Wochenstunden zu reduzieren. Bislang sind zumindest in unserer Kammer nur min. 20 Wochenstunden erlaubt. Weniger als 20 Stunden sind nur mit einem separaten Antrag und nur für einen sehr begrenzten Zeitraum möglich. Das würde für viele das Problem der Kinderbetreuung durchaus vereinfachen und dafür sorgen, dass sie überhaupt zur Verfügung stehen und dann ggf. auch im Verlauf einfach aufstocken können, wenn die Kinder etwas älter sind. 5 Stunden Unterschied klingen vielleicht nicht viel, sind aber gerade, wenn man eine Kinderbetreuung mit Anfahrtszeiten planen muss, der Unterschied zwischen „passt einigermaßen“ und „nee, keine Chance“.
Ich bin gespannt – mich würde es sehr freuen, wenn Programme wie „LOCALHERO“ gegen den Landarztmangel helfen würde. Denn auch nach inzwischen über 10 Jahren kann ich nur sagen: Ich habe den Schritt auf’s Land nie bereut.
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Bildquelle: Gozha Net, unsplash