Samen von Teenager-Vätern weisen überraschend viele Erbgutveränderungen auf. Außerdem finden sich bei Spermien junger Männer allgemein deutlich mehr Mutationen als bei Eizellen gleichaltriger Frauen.
Diese neuen Forschungsergebnisse könnte erklären, warum Babys sehr junger Eltern vergleichsweise häufig von Geburtsdefekten betroffen sind. Die Studienergebnisse von Forschern aus Münster, Cambridge und Salzburg wurden kürzlich Journal Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht. Eine Untersuchung von 24.097 Eltern und ihren Kindern zeigt, dass die Kinder von Teenager-Vätern unerwartet viele DNA-Mutationen aufweisen. „Die Samen von Teenagern haben offenbar rund 30 Prozent mehr Erbgutveränderungen als die von 20 Jahre alten Männern“, erläutert Prof. Heidi Pfeiffer, Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin an der Uniklinik Münster. „Das ist ein möglicher Grund dafür, dass Kinder von Teenager-Eltern ein höheres Risiko für Autismus, Schizophrenie, Spina Bifida, geringes Geburtsgewicht und sonstige Geburtsdefekte haben.“ Insgesamt kommen etwa eineinhalb Prozent der Babys erwachsener Eltern mit Geburtsfehlern zur Welt. Für die nun veröffentlichte Studie haben die Forscher Mikrosatelliten untersucht. Veränderungen in den Mikrosatelliten treten bei der Zellteilung häufig auf, etwa eine Wiederholung der Sequenz mehr oder weniger gegenüber der Vorlage. Weil die entsprechenden DNA-Abschnitte nicht als Bauplan für Proteine dienen, wirken sich Veränderungen nicht auf die Erscheinung oder Gesundheit eines Lebewesens aus. Wissenschaftler können Mikrosatelliten als Zellzykluszähler nutzen: Der Vergleich etwa zwischen DNA-Abschnitten in einer Ei- oder Samenzelle und den entsprechenden Abschnitten im elterlichen Erbgut ermöglicht es, abzuschätzen, wie viele Zellteilungen dazwischen stattgefunden haben. Bei Frauen liegen zwischen der Empfängnis des weiblichen Embryos und der Ausbildung der Ur-Eizellen etwa 22 Zellteilungen. Schon kurz nach der Geburt eines Mädchens sind alle Ur-Eizellen ausgebildet, aus diesem endlichen Fundus entwickeln sich bis zu den Wechseljahren die reifen Eizellen. Bei Männern dagegen bilden sich im Lauf des Lebens immer neue Ur-Samenzellen. Dass ältere Männer eine deutlich erhöhte Anzahl von Erbgutmutationen in ihren Spermien aufweisen, ist leicht zu erklären: Durch die kontinuierlichen Zellteilungen sammeln sich zeitlebens immer mehr Mutationen an.
Ein überraschendes Ergebnis der aktuellen Studie ist, dass sich schon bei Teenager-Vätern fast sieben Mal so viele Mutationen in den Mikrosatelliten finden wie bei Teenager-Müttern. Nimmt man an, dass die Veränderungsrate bei beiden Geschlechtern gleich ist, führt das zu einem überraschenden Schluss: Auf dem Weg von der Empfängnis eines männlichen Embryos bis zum Spermium beim Jugendlichen wären rund 150 Zellteilungen nötig, um die Mutationen zu erklären. Bisher ist die Zahl der Zellteilungen bis zu diesem Zeitpunkt auf rund 30 geschätzt worden. In den Jahrzehnten nach der Pubertät erhöht sich die Zahl der DNA-Mutationen viel langsamer als bisher erwartet, bei 50 Jahre alten Männern liegt sie 30 Prozent höher als bei Teenagern. Diese langsame Mutationsrate lässt sich durch ein Reservoir an speziellen Stammzellen erklären, die sich nach der Pubertät kaum noch verändern und aus denen sich Samenzellen über Zwischenstufen entwickeln. Das Hodengewebe eines jungen Mannes – die großen ovalen Strukturen sind Querschnitte der Samenkanälchen. © Foto: CeRA, WWU Münster „Dass Spermien von Teenager-Vätern nicht nur gegenüber den Eizellen gleichaltriger Frauen, sondern auch gegenüber den Spermien 20 Jahre alter Männer mehr Mutationen aufweisen, wird durch die These unerwartet vieler Zellteilungen noch nicht erklärt“, sagt Pfeiffer. „Vielleicht ist der DNA-Vervielfältigungsmechanismus zu Beginn der männlichen Pubertät besonders fehleranfällig.“ Originalpublikation: Elevated germline mutation rate in teenage fathers P. Forster et al.; The Royal Society Proceedings B, doi: 10.1098/rspb.2014.2898; 2015