Die Corona-Variante Omikron ist vor knapp zwei Monaten wie aus dem Nichts aufgetaucht. Forscher rätseln nach wie vor über ihren Ursprung. Das sind ihre drei Theorien.
Während Virologen derzeit darüber diskutieren, ob die Omikron-Welle das endemische Corona-Zeitalter einläutet, rätseln andere Forscher noch über ihren Ursprung. Denn gerade einmal zwei Monate ist es her, dass Forscher die neue Variante mit extrem vielen Mutationen in Südafrika aufgespürt haben. Seitdem hat sie sich mit verblüffender Geschwindigkeit auf der ganzen Welt ausgebreitet. Vielerorts ist sie inzwischen die dominierende Variante, auch in Deutschland.
Wissenschaftler haben drei plausible Theorien über Omikrons Ursprung parat:
Möglicherweise liefen die Mutationen, die sich in Omikron angehäuft haben, eine längere Zeit unter dem Radar. Forscher nehmen aufgrund phylogenetischer Untersuchungen an, dass der letzte nähere Vorfahre von Omikron schon Mitte des Jahres 2020 kursierte. Mit einer Mutationsrate von rund 1 bis 2 Mutationen im Monat, hätte dieser genug Zeit gehabt, die zahlreichen Mutationen bei den „üblichen“ Mensch-zu-Mensch-Übertragungen zu entwickeln – insbesondere, wenn sich die Variante in Regionen ausbreitete, in denen generell wenig getestet wird.
Einige Wissenschaftler halten das aber trotzdem für einen viel zu kurzen Zeitraum, um so viele besondere Mutationen unentdeckt anzuhäufen. Zwischenformen hätten ihrer Meinung nach unweigerlich irgendwann detektiert werden müssen, etwa bei Reisenden aus solchen Regionen. Deswegen favorisiert dieses wissenschaftliche Lager eher folgende Theorie:
Immunsupprimierte Personen bieten dem Virus ideale Voraussetzungen, um sich zu vermehren und vielfach zu mutieren. Ihr Immunsystem kann nicht angemessen auf die Infektion reagieren und das Virus bekämpfen. Solche chronischen Corona-Infektionen und die resultierende „Evolution in Zeitraffer“ der Viren wurde in Studien bereits gut beschrieben. Allerdings kam es dabei nie zu so vielen Mutationen wie Omikron sie aufweist. Wissenschaftler argumentieren, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass Omikron in einer einzigen Person mit chronischer Infektion entstanden ist. Dafür hätten die Viren sehr viele Replikationszyklen durchlaufen müssen und es ist fraglich, ob eine immunkomprimierte Person das über einen längeren Zeitraum überstehen könnte.
Plausibler ist die Annahme, dass mehrere immunsupprimierte Menschen involviert waren. Möglicherweise spielt dabei auch die hohe HIV-Prävalenz in einigen afrikanischen Staaten eine Rolle (wir berichteten). Problematisch ist, dass nicht jeder HIV-Infizierte dort auch eine entsprechende antiretrovirale Therapie erhält. So könnte der Vorläufer von Omikron nahezu unentdeckt vielfach mutiert sein.
Vielleicht ist Omikron auch gar nicht in Menschen entstanden, sondern in Tieren. Dafür spricht, dass SARS-CoV-2 ein Generalist unter den Viren ist: Infektionen wurden schon bei verschiedenen Tierarten nachgewiesen, unter anderem in Hamstern, Nerzen und Hirschen. Es könnte also sein, dass ein Vorläufer von Omikron von einem infizierten Menschen auf ein Tier übergesprungen ist und sich dort unentdeckt vermehrte, mutierte und wieder zurück auf den Menschen sprang. Auch die drei Untervarianten von Omikron (BA.1, BA.2 und BA.3) könnten bei drei verschiedenen „Sprüngen“ entstanden sein.
Doch auch bei dieser Theorie gibt es Argumente, die dagegen sprechen. Denn generell sind artübergreifende Corona-Infektionen eher eine Seltenheit; ganz zu schweigen von drei solcher Sprünge von Mensch auf Tier und wieder zurück. Auch geben Forscher zu Bedenken, dass Corona bei artübegreifenden Infektionen in der Vergangenheit zwar auch schon mutiert ist, man aber noch nie so viele Mutationen auf einmal bei Corona-Ausbrüchen in Tierpopulationen nachweisen konnte wie es bei Omikron der Fall ist.
Keine der drei Theorien ist überzeugend genug. Möglicherweise ist Omikron auch durch eine Kombination dieser drei Theorien entstanden. Vielleicht wird man aber auch nie herausfinden, wo Omikron herkommt. Wichtig sind solche Untersuchungen trotzdem. Sie könnten Forschern dabei helfen, das Risiko der Entstehung neuer Varianten zu verstehen und Maßnahmen vorzuschlagen, um es zu minimieren.
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