Übergewicht bei Schwangeren ist möglicherweise für einen Teil der Fehlbildungen bei Ungeborenen verantwortlich. Auch wenn die molekularen Zusammenhänge unklar sind, sollten adipöse Frauen versuchen, ihr Gewicht schon Monate vor Eintritt der Schwangerschaft zu reduzieren.
Bei Ausbildung eines Embryos im Mutterleib treten manchmal Störungen auf. Sie führen dazu, dass sich Organe nicht mehr richtig entwickeln und ihr Aufbau beeinträchtigt ist. Die angeborenen Fehlbildungen können in Form und Schwere sehr unterschiedlich sein. Etwa zwei bis vier Prozent aller Kinder kommen damit auf die Welt. Experten schätzen, dass bei rund 50 Prozent dieser Fälle eine weitere Therapie nach der Geburt nötig ist. Fehlbildungen können genetisch bedingt sein, aber auch durch äußere Einflüsse ausgelöst werden. Auch Übergewicht der werdenden Mutter scheint das Risiko zu erhöhen, so dass beim ungeborenen Kind eine Fehlbildung entsteht. Dies berichtete kürzlich die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) in einer Pressemitteilung.
In einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie hatten Forscher vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel den Body-Mass-Index (BMI) von 322 Frauen untersucht, bei denen zwischen 2007 und 2011 ein fehlgebildetes Kind diagnostiziert worden war. In knapp 95 Prozent aller Fälle wurde bereits vor der Geburt mithilfe des Ultraschalls die zutreffende Diagnose gestellt. Aus der weiteren Analyse fielen 140 Mütter heraus – entweder hatten diese einen vorbestehenden Diabetes mellitus oder ihre Kinder wiesen Chromosomenanomalien oder genetischen Veränderungen auf. „Bei diesen Faktoren war schon bekannt, dass sie Fehlbildungen auslösen können“, sagt Christel Eckmann-Scholz, Leitende Oberärztin der Pränataldiagnostik an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. „Wir wollten wissen, ob es noch andere Faktoren gibt, die dafür verantwortlich sind.“ Den verbliebenen 182 Müttern ordneten Eckmann-Scholz und ihre Mitarbeiter anschließend nach dem Zufallsprinzip als Kontrollgruppe 182 Mütter mit gesundem Kind zu, die in Bezug auf die Kriterien Rauchen, Anzahl bereits geborener Kinder und Alter mit den anderen Müttern übereinstimmten und die sich im gleichen Zeitraum am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein vorgestellt hatten. Die Forscher verglichen in beiden Gruppen den Body-Mass-Index der Mütter, den diese zu Beginn der Schwangerschaft hatten: Der BMI in der Gruppe der Mütter mit fehlgebildeten Kindern war mit durchschnittlich 23,7 signifikant höher als in der Kontrollgruppe, die im Durchschnitt einen BMI von 22,8 aufwies. Die Wahrscheinlichkeit, ein fehlgebildetes Kind zu bekommen, war für Mütter mit einem BMI von 25 oder mehr im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen erhöht, was sich am deutlichsten in der Kategorie neurologische Fehlbildungen zeigte.
„Für adipöse Mütter mit einem BMI von 30 oder mehr war das Risiko sogar verdoppelt, hier überwogen die multiplen Fehlbildungen“, berichtet Eckmann-Scholz. „Eine falsche Ernährung führt bei den Frauen mit erhöhtem BMI wahrscheinlich zu Störungen im Stoffwechsel, die sich negativ auf die Embryogenese auswirken.“ Über die molekularen Ursachen lasse sich bislang nur spekulieren, so Eckmann-Scholz: „In Betracht kommen epigenetische Veränderungen des Erbguts, bei denen nicht die DNA-Sequenz der Gene, sondern nur die Aktivität einzelner Gene modifiziert wird.“ Eckmann-Scholz zieht mehrere Schlussfolgerungen aus der Studie: „Da in fast allen Fällen bereits vor der Geburt Fehlbildungen erkannt werden können, ist eine qualifizierte Ultraschalldiagnostik durch einen spezialisierten Facharzt daher bei Schwangeren mit erhöhtem BMI besonders wichtig.“ Von großer Bedeutung, so die Medizinerin, sei aber auch eine bessere Aufklärung: Frauen, die eine Schwangerschaft planten, müsse klar gemacht werden, dass eine ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil das Beste für das zukünftige Kind sei. Stark übergewichtige Frauen sollten deshalb versuchen, ihr Gewicht schon einige Monate vor Eintritt der Schwangerschaft zu reduzieren.
Andere Experten sind noch skeptisch: „Die niedrige Fallzahl und das retrospektive Fall-Kontroll-Design der Studie an einem spezialisierten Zentrum schränkt deren Aussagekraft ein“, sagt Karl Oliver Kagan, Leitender Oberarzt der Pränataldiagnostik an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen. „Das Ergebnis könnte auch dadurch etwas verfälscht sein, dass bei einigen Teilnehmerinnen ein latenter Diabetes nicht erkannt wurde.“ Dennoch plädiert auch Kagan für eine gründliche Beratung und Untersuchung der Mutter vor einer geplanten Schwangerschaft: „So sollten nicht nur Zucker- sondern auch Schilddrüsenwerte auf jeden Fall überprüft und richtig eingestellt werden, bevor man in eine Schwangerschaft geht.“