Die Kernpromotoren der DNA weisen nach neuen Erkenntnissen nur in eine Richtung. Die Transkription verläuft von dort eingleisig und liest nicht auch noch den gegenläufigen DNA-Strang ab. Wird auch der zweite Strang kopiert, beruht dies auf einem eigenen Kernpromotor.
Unser Erbgut, die DNA, ist im Zellkern auf kleinstem Raum verpackt. Sie ist eng aufgewickelt zu so genannten Nukleosomen, die durch freie DNA-Abschnitte verbunden sind. Damit ähnelt sie einer Perlenkette. Auf den DNA-Stücken zwischen den einzelnen „Perlen“ befinden sich Erkennungssequenzen, so genannte Promotoren. Hier können Enzyme binden, die das Erbgut ablesen und quasi eine Kopie des Bauplans für die Produktion von Proteinen anfertigen. Dieser Kopiervorgang heißt Transkription.
Damit Enzyme, die ein Gen ablesen, an der richtigen Stelle ansetzen, enthält die DNA unmittelbar davor Promotoren. Seitdem sich mit Hochdurchsatzdaten die Aktivierung von Genen genau untersuchen lässt, gingen Wissenschaftler davon aus, dass ein großer Teil dieser Promotoren nicht auf eine Richtung festgelegt ist und die DNA auf beiden gegenläufigen Strängen abgelesen wird. Prof. Uwe Ohler (MDC) und Prof. James T. Kadonaga (Universität von Kalifornien, San Diego) stellten jetzt aber an menschlichen Zellen fest, dass das Kernstück eines Promotors nur in eine Richtung weist. Kopien des gegenläufigen DNA-Stranges gehen demnach auf einen eigenen Kernpromotor zurück.
Ein Promotor gliedert sich in mehrere Teile, die zum Beispiel steuern, in welchen Zellen das nachfolgende Gen abgelesen werden soll. Der Teil, der unmittelbar vor dem abzulesenden Gen liegt, heißt Kernpromotor und ist von besonderer Bedeutung für den Start der Transkription. Prof. Ohler und seine Kollegen zeigten jetzt an menschlichen Zellen, dass dieser Kernpromotor nur in eine Richtung weist. Die Transkriptionsmaschinerie läuft von dort nur in eine Richtung und liest nicht auch noch den gegenläufigen DNA-Strang ab. Wird auch der zweite Strang kopiert, beruht dies auf einem eigenen Kernpromotor. Dieser befindet sich in der gleichen Region wie der erste, weshalb Forscher bisher davon ausgingen, dass im Promoter die Richtung des Gens gar nicht festgelegt ist
Mit Hilfe von Computerprogrammen und verschiedenen Analyseverfahren stellten Prof. Ohler und Kollegen fest, dass in der Tat etwa 40 Prozent der Gene zwei entgegengesetzte Kernpromotoren mit variablem Abstand besitzen. Durch die Kopie des gegenläufigen Stranges entsteht eine lange nicht-codierende RNA (lncRNA), also eine Kopie der DNA, die nicht in ein Protein übersetzt wird und deren Funktion bisher ungeklärt ist. Über die Hälfte der Promotoren weist jedoch nur die Erkennungssequenz für eine Richtung auf, nämlich die, in der das Gen liegt. Ein entgegengesetzter Kernpromotor sowie weitere Erkennungssequenzen für die Gegenseite fehlen hier.
Ein Vergleich der verschiedenen Promotortypen ergab, dass sich die Struktur der „Perlenkette“ um sie herum unterscheidet. In den Nukleosomen ist die DNA auf Verpackungsspulen, so genannte Histone, aufgewickelt. Je nachdem, ob der Promotor eine Transkription in eine oder in beide Richtungen ermöglicht und ob auf der anderen Seite ein weiteres Gen liegt oder nicht, finden sich in den benachbarten Nukleosomen unterschiedliche Histone. Da entgegengesetzte Kernpromotoren häufig, aber nicht universell vorkommen, vermuten die Forscher, dass diese dazu beitragen, die Transkription des Gens zu regulieren. So ist zum Beispiel denkbar, dass sie die lokale Konzentration an Transkriptionsfaktoren erhöhen. Ein Hinweis darauf ist, dass Gene, deren Promotoren Erkennungssequenzen für beide Richtungen aufweisen, häufiger abgelesen werden. Originalpublikation: Human Promoters Are Intrinsically Directional Sascha Duttke et al.; Molecular Cell, doi: 10.1016/j.molcel.2014.12.029; 2015