Smart und dünn wie ein Haar: Einem deutschem Team ist es gelungen, den weltweit kleinsten Mikro-Katheter herzustellen. Sieht so die minimalinvasive Chirurgie der Zukunft aus?
Katheter haben eine überragende Bedeutung für die minimalinvasive Chirurgie. Denn sie ermöglichen Eingriffe wie die Entfernung von Blutgerinnseln, das Einsetzen von Implantaten oder die gezielte Verabreichung von Medikamenten und sollen dabei besonders schonend für die Patienten sein. Grundsätzlich kann man sagen: Je minimalinvasiver der Katheter-Einsatz, desto geringer das Risiko medizinischer Komplikationen und desto kürzer die Erholungs- und Genesungszeit.
An diesem Punkt gibt es allerdings aktuell Grenzen. Denn in bis jetzt entwickelten elektronischen Kathetern wurden Sensorik und Aktorik noch per Hand integriert. Zudem sind der Steuerung und Platzierung von Kathetern im Körper Grenzen gesetzt, denn sie müssen von dem Chirurgen in einer komplexen Umgebung von außen manövriert oder mittels Roboterunterstützung gesetzt werden.
Das hat bedeutende Nachteile für die Miniaturisierung und die Nutzung flexibler und an den Körper anpassungsfähiger Strukturen für einen besonders schonenden Einsatz in der Chirurgie. Ebenfalls lassen sich mit diesen Verfahren kaum weitere Sensoren und Funktionen in Mikro-Katheter integrieren, was deren Einsatzmöglichkeiten beschränkt.
Unter der Leitung von Prof. Oliver Schmidt haben Wissenschaftler nun den weltweit kleinsten flexiblen, mikroelektronischen Mikrokatheter präsentiert. Das Forschungsteam berichtet über die Weltneuheit eines integrierten mikroelektronischen Katheters (IMK) in einer Publikation in der aktuellen Ausgabe des renommierten Journals Science Advances.
In diesem smarten mikroelektronischen Werkzeug für die minimalinvasive Chirurgie sind bereits von vornherein die elektronischen Komponenten für Sensorik und Aktorik in der Katheter-Wand integriert.
„Durch die spezielle Herstellungsweise haben die eingebetteten elektronischen Komponenten keine Auswirkung auf die Größe unserer Katheter, die somit so dünn wie ein einziges Haar sein können“, sagt Boris Rivkin, Erstautor der Studie. Die Instrumente haben einen winzigen Durchmesser von nur 0,1 mm und zeichnen sich zudem durch ihre Flexibilität, Widerstandsfähigkeit, und eine hohe Biokompatibilität aus.
„Durch die Herstellung des Mikrokatheters auf Basis von Mikrochip-Technologien entsteht ein völlig neuer Typ biomedizinischer, multifunktionaler Werkzeuge“, fügt Schmidt hinzu. Solche smarten Werkzeuge könnten beispielsweise bei minimalinvasiven Behandlungen von Aneurysmen, Gefäßmissbildungen, oder bei Eingriffen an der Pankreas zum Einsatz kommen.
In dem IMK integrierten Schmidt und sein Team Magnetsensoren zur Navigation und Positionsbestimmung. Dieses Tracking setzt, wie ein Kompass, auf schwache Magnetfelder statt auf schädliche Strahlung oder Kontrastmittel, und wäre somit auch in tiefem Gewebe und unter dichten Materialien wie Schädelknochen anwendbar.
Außerdem verfügt der IMK über einen Kanal für Flüssigkeiten, die dadurch gezielt im Körper abgegeben werden können. Durch dieses mikrofluidische System könnten zum Beispiel Medikamente oder Flüssigembolisate direkt am Einsatzort verabreicht werden.
Die Katheter-Spitze ist mit einem winzigen Greifinstrument ausgestattet, mit dem der IMK mikroskopische Objekte fassen und bewegen kann. Als mögliche Anwendungen wird das Entnehmen kleinster Gewebeproben oder Blutgerinnsel vorgeschlagen. Dieser hochflexible Einsatz integrierter Mikroelektronik wird möglich durch eingebettete elektronische Komponenten auf Basis der Swiss-Roll-Origami-Technik. Diese Technik erlaubt es, hockkomplexe mikroelektronische Schaltungen auf einem Chip herzustellen, die sich anschließend von selbst zu einer Mikro-Röhrchenstruktur aufrollen. Die mehrfachen Windungen einer solchen Swiss-Roll-Architektur vergrößern die nutzbare Oberfläche erheblich und erlauben es, die Sensorik, Aktorik und Mikroelektronik in der Wand des Röhrchens monolithisch zu integrieren.
Bei der Erforschung dieser Technologie haben sich extrem dünne, formbare Polymerfilme als nützlich für die Mikroröhrchen-Architekturen erwiesen, die sich auch geometrisch an anderen Objekten anpassen können. Ein Beispiel sind Manschetten-Implantate für bioneurale Schnittstellen. Ein weiteres Anwendungsszenario sind katalytische Mikromotoren und Plattformen für elektronische Komponenten, um einen Antrieb für mikroelektronische Schwimmroboter zu generieren.
Künftig können weitere Sensorfunktionen integriert werden und damit die potenziellen Anwendungen erweitern. Denkbar sind zum Beispiel Sensoren für die Blutgasanalyse, den Nachweis von Biomolekülen und die Erfassung physiologischer Parameter wie pH-Wert, Temperatur und Blutdruck.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität Chemnitz. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
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