Die Kundin klagt über zu große Tabletten, sie habe „immer Schwierigkeiten dabei, sie runterzubekommen“. Als ich höre, was sie da seit Wochen schluckt, wird mir anders. Über die Wichtigkeit der Anwendungsberatung.
Ich führe meinen Schülern immer gerne Situationen aus der Apotheke vor Augen, die ich selbst erlebt habe, damit sie verstehen, wie wichtig eine umfassende Anwendungsberatung ist. Unsere Kunden sind keine Arzneimittelexperten und so manches, was uns ganz selbstverständlich erscheint, ist für sie erklärungsbedürftig.
Ich hatte Kunden, die sich ätherisches Öl (Pfefferminzöl) in beide (!) Augen geträufelt haben, weil sie gelesen hatten, dass ätherische Öle eine antibakterielle Wirkung haben. Ich hatte eine Kundin, die ihre Ovula geschluckt hat, was erst dann rauskam, als sie nach der dritten oder vierten Packung beiläufig beklagte, dass die „Dinger so groß sind“ und dass sie „immer Schwierigkeiten dabei hat, sie runterzubekommen“.
Und ich hatte eine Kundin, die sich nicht die Vaginaltablette mit der Einführhilfe 10 cm tief eingeführt hat, sondern die Einführhilfe selbst. Sie kam dann im Krebsgang in die Apotheke um mich zu fragen, wie sie das lange Ding wieder rausbekommt. Das war in meinem ersten Jahr. Und seither berate ich hier immer umfassend genau und korrekt.
Gestern war wieder so ein Fall … Ein Kunde kaufte sich zum dritten Mal ein Melatonin-Einschlafspray und ich fragte, ob er denn mit der Wirkung zufrieden sei. Er wiegte den Kopf hin und her, und meinte, er merke eigentlich nichts, wollte es aber noch einmal versuchen. In seiner Kundenkarte sah ich, dass der letzte Kauf erst eine Woche her war. Also fragte ich, wie viel er davon verwendet, und dass es eigentlich nur ein bis zwei Sprühstöße sein sollten.
Er schaute mich an: „Ja, ich weiß. Aber ich habe ein sehr großes Kopfkissen, da brauche ich immer mehr“.
Das musste erst mal ein, zwei Sekunden lang sacken, bis ich verstanden hatte, was er meint. Er hat das Spray nicht unter die Zunge, sondern auf sein Kissen gesprüht!
Dass das Melatonin so nicht wirken kann, ist MIR klar, ihm aber nicht. Also Zeit, mir an die Nase zu fassen und meine Anwendungsberatungen zu überdenken. Wie gesagt: Nicht alles, was uns bekannt ist, dürfen wir auch bei unseren Kunden voraussetzen. Wendet er es falsch an, ist es leicht darüber zu lachen, dabei ist das in erster Linie unser Verschulden. Passiert mir jedenfalls nicht wieder …
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