Wie sehr profitieren Menschen mit Depression von Fischöl-Präparaten? Damit befasst sich eine aktuelle Studie. Spoiler: Die Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren können nicht überzeugen.
Omega-3-Fettsäuren, bekanntlich ein Bestandteil von Fischöl, könnten als Nahrungsergänzungsmittel verhindern, dass Depressionen bei einigen Risikopatienten auftreten, meinen manche Experten. Es gibt jedoch keine Leitlinien für die Verwendung dieser Ergänzungsmittel zur Vorbeugung von Depression in der Allgemeinbevölkerung. Die neue, randomisierte VITAL-DEP-Studie zu diesem Thema erbrachte jetzt gemischte, in der Tendenz sogar eher negative Ergebnisse, sodass eine Leitlinienempfehlung sicher nicht unmittelbar bevorsteht.
Die VITAL-DEP-Studie ist eine „Tochterstudie“ der VITAL-Studie, an der mehr als 25.000 Probanden teilnehmen und bei der es um die Effekte von Vitamin D3 und Omega-3-Fettsäuren auf Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen geht. Die VITAL-Substudie VITAL-DEP (Vitamin-D3- und Omega-3-Studie zur Prävention von Depressionen) umfasst insgesamt 18.353 Erwachsene im Alter von 50 Jahren oder älter, die zu Beginn der Studie keine Depression hatten (Durchschnittsalter: 67,5 [SD 7,1] Jahre; 49,2 % Frauen). Sie wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und erhielten über einen Zeitraum von durchschnittlich 5,3 Jahren Vitamin-D3- und/oder Omega-3-Präparate oder entsprechende Placebos. Die Ergebnisse wurden unter der Leitung von Forschern des Massachusetts General Hospital und des Brigham and Women's Hospital in der Zeitschrift JAMA veröffentlicht.
Das Kernergebnis: Die langfristige Einnahme von Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln (1 g/d Fischöl, darin 465 mg Eicosapentaensäure und 375 mg Docosahexaensäure) und/oder Vitamin D3 (2.000 IU/d) hat, im Studiensetting, das Risiko für Depressionen oder klinisch relevante depressive Symptome nicht verringert. „Depression oder klinisch relevante depressive Symptome“ waren der primäre Endpunkt der Studie. „Depression“ war dabei definiert über eine von den Studienteilnehmern selbst berichtete, ärztliche Diagnose einer Depression oder über den (selbstberichteten) Neubeginn einer antidepressiven, medikamentösen Therapie oder über relevante Symptome, definiert als 10 oder mehr Punkte auf der Patient Health Questionnaire (PHQ)-8-Skala.
Tatsächlich wurde nicht nur kein Nutzen des Omega-3-Präparats gefunden, es gab sogar einen geringfügigen Anstieg des Risikos für Depression durch Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel: In der Omega-3-Gruppe traten bei 651 Patienten Depression oder klinisch relevante depressive Symptome auf (13,9 pro 1.000 Personenjahre), in der Placebo-Gruppe waren es 583 (12,3 pro 1.000 Personenjahre). Die Hazard Ratio zu Ungunsten des Fischölpräparats betrug 1,13 (95 % KI: 1,01 bis 1,26). Allerdings: Ganz konsistent war dieses Ergebnis nicht. Auf der PHQ-8-Skala gab es nämlich keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Das signifikante Ergebnis beim primären Endpunkt kommt also nur von den selbstberichteten Diagnosen und/oder neuen Antidepressiva.
Mögliche Schwachstellen der Studie bieten anderen Forschungsgruppen Platz, den Stellenwert des Fischöls weiter zu erforschen: Hohe Punkte in den verwendeten Selbsteinschätzungsbögen beweisen nicht zwangsläufig das Vorhandensein einer depressiven Psychopathologie, welche klinisch detaillierter erfasst werden kann.
Weiterhin könnte die Dosierung der Omega-3-Fischölpräparate zu niedrig gewesen sein, um eine Wirkung zu erzielen. Nach den klinischen Leitlinien der Internationalen Gesellschaft für Ernährungspsychiatrische Forschung sollte die empfohlene Dosierung 1 bis 2 g Eicosapentaensäure (IPE) täglich betragen.
Laut Hauptautorin Olivia I. Okereke gäbe es für manche Menschen nach wie vor viele Gründe, unter Anleitung ihres medizinischen Betreuenden Omega-3-Fischölpräparate einzunehmen. Die Präparate brachten in bisherigen Studien vielseitige Vorteile für die Prävention von Herzerkrankungen und die Behandlung von Entzündungen und werden auch zur Behandlung bestehender depressiver Störungen bei einigen Risikopatienten eingesetzt. Zur Vorbeugung von Depressionen bringt die langfristige, tägliche Einnahme von Omega-3-Fischöl laut der neuen Studie jedoch keine Vorteile. Das bisher einzige arzneimittelrechtlich zugelassene Fischölpräparat enthält ausschließlich IPE und wird in der kardiovaskulären Prävention bei Patienten mit erhöhten Triglycerid-Werten in einer Dosis von 4 g pro Tag verordnet.
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