Frühgeburten scheinen gleich auf mehrere Arten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko für die Mutter zu bedeuten. Eine umfassende Auswertung nimmt sich Herzinsuffizienz, Hypertonien und Schlaganfälle vor.
Die Techniker Krankenkasse (TK) berichtet über einen Anteil früh geborener Kinder an allen Entbindungen bei der TK im Jahr 2019 von 6,4 Prozent. Im Jahr 2020 lag dieser Anteil bei 5,8 Prozent und 2018 bei 6,6 Prozent. Als Frühgeborenes gilt ein Kind, wenn es vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt. Die Forschergruppe um Casey Crump ist der Frage nachgegangen, ob Frauen mit frühgeborenen Kindern im Verlauf ihres weiteren Lebens ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben. Hierzu werteten sie Daten aus dem schwedischen Geburtenregister aus.
Crump et al. werteten 2.201.284 Frauen im Zeitraum von 1973–2015 mit einer Einlingsgeburt in Schweden im Hinblick auf die stationäre oder ambulante Diagnose einer Herzinsuffizienz (HI) aus. Es wurde eine Cox-Regression durchgeführt, um die Hazard Ratio (HRs) für HI in Verbindung mit der Schwangerschaftsdauer zu berechnen, wobei andere mütterliche Faktoren berücksichtigt wurden. Es erfolgten Geschwisteranalysen, um Verwechslungen durch gemeinsame familiäre (genetische und/oder umweltbedingte) Faktoren zu detektieren.
In 48,2 Millionen Personenjahren Nachbeobachtung wurde bei 19.922 Frauen eine Herzschwäche diagnostiziert (Medianalter: 60,7 Jahre). Innerhalb von 10 Jahren nach der Entbindung betrug die adjustierte HR 2,96 [95 % Konfidenzintervall (KI): 2,48–3,53] für eine HI in Verbindung mit einer Frühgeburt (Gestationsalter: < 37 Wochen) im Vergleich zu Müttern reifgeborener Kinder (39–41 Wochen). Stratifizierte HRs waren 4,27 (2,54–7,17) für extrem vorzeitig Kinder (22–27 Wochen), 3,39 (2,57–4,48) für mäßig vorzeitige Kinder (28–33 Wochen) und 2,70 (2,19–3,32) für späte Frühgeburten (34–36 Wochen).
Diese HRs nahmen mit zunehmendem Abstand von der Geburt ab, blieben aber auch nach 10-43 Jahren noch erhöht und ließen sich nicht durch gemeinsame familiäre Faktoren erklären. Die Autoren empfehlen, eine Frühgeburt als Risikofaktor für eine Herzschwäche im Verlauf des Lebens bei Frauen anzuerkennen.
Dieselbe Arbeitsgruppe führte eine analoge Untersuchung für Hypertonie durch. 2.195.989 Frauen in Schweden mit einer Einlingsgeburt vom 1. Januar 1973 bis 31. Dezember 2015 wurden berücksichtigt. Eine neu aufgetretene, chronische Hypertonie wurde über ambulante und stationäre, für Abrechnungszwecke angelegte Diagnosedaten identifiziert. Die Cox-Proportional-Hazards-Regression wurde verwendet, um HRs zu berechnen. Für Präeklampsie, andere hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und andere mütterliche Faktoren wurde adjustiert. Mittels Cosibling-Analysen wurden mögliche Verwechslungen durch gemeinsame familiäre (genetische und/oder umweltbedingte) Faktoren untersucht.
In 46,1 Millionen Personenjahren Nachbeobachtung wurde bei 351.189 von 2.195.989 Frauen (16,0 %) eine arterielle Hypertonie diagnostiziert (mittleres [SD]-Alter 55,4 [9,9] Jahre). Innerhalb von 10 Jahren nach der Entbindung betrug die adjustierte HR für Hypertonie im Zusammenhang mit einer Frühgeburt (Gestationsalter < 37 Wochen) 1,67 (95 % KI 1,61–1,74) und bei weiterer Stratifizierung 2,23 (95 % KI 1,98–2,52) für extrem Frühgeborene (22–27 Schwangerschaftswochen), 1,85 (95 % KI, 1,74–1,97) für mäßig Frühgeburten (28–33 Schwangerschaftswochen) sowie 1,55 (95 % KI, 1,48–1,63) für späte Frühgeburten (34–36 Schwangerschaftswochen) im Vergleich zu Frauen mit zeitgerechter Entbindung (39–41 Schwangerschaftswochen).
Diese Risiken nahmen im Zeitverlauf ab, blieben jedoch auch nach 10 bis 29 Jahren noch signifikant erhöht und ließen sich nicht durch gemeinsame Determinanten von Frühgeburt und Bluthochdruck innerhalb der Familie erklären. Die Autoren empfehlen daher, eine Frühgeburt auch als lebenslangen Risikofaktor für Bluthochdruck bei Frauen anzuerkennen.
Crump et al. postulieren des Weiteren, dass Frauen mit einer Frühgeburt auch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko haben könnten. Sie untersuchten 2.188.043 Frauen mit Einlingsgeburten in Schweden in den Jahren 1973 bis 2015. Es wurde die Cox-Regression verwendet, um die adjustierten HRs für Schlaganfälle assoziiert der Schwangerschaftsdauer zu berechnen.
In 48 Millionen Personenjahren Follow-up wurde bei 36.372 (1,7 %) Frauen ein Schlaganfall diagnostiziert. In den ersten 10 Jahren nach der Entbindung betrug die aHR für einen Schlaganfall im Zusammenhang mit einer Frühgeburt (Gestationsalter < 37 Wochen) 1,61 (95 % KI, 1,45–1,79) und weiter stratifiziert 2,81 (95 % KI, 2,02–3,91) für extreme Frühgeburten (22–27 Wochen), 2,07 (95 %KI, 1,74–2,46) für mäßig frühe Frühgeburten (28–33 Wochen) und 1,38 (95 % KI, 1,21–1,57) für späte Frühgeborene (34–36 Wochen) verglichen mit Müttern Reifgeborener (39–41 Wochen).
Das Risiko blieb bis 19 Jahre nach der Entbindung (Früh- vs. Vollzeit: aHR, 1,61 [95 % KI,1,50–1,74]) erhöht und fiel dann ab (20–29 nach der Frühgeburt: aHR, 1,35 [95 % KI, 1,28–1,44]; 30–43 Jahre: aHR, 1,35 [95 % KI, 1,27–1,42]). Eine Frühgeburt war sowohl mit einem erhöhten Risiko für hämorrhagische (aHR, 1,31 [95 % KI 1,25–1,38]) als auch ischämische (aHR 1,54 [95 % KI 1,47–1,61]) Schlaganfälle verbunden. Diese Ergebnisse waren weitgehend unabhängig von Kovariaten und gemeinsamen genetischen oder umweltbedingten Faktoren innerhalb der Familie. Die Autoren empfehlen, eine Frühgeburt als lebenslangen Risikofaktor auch für einen Schlaganfall bei Frauen anzuerkennen.
Und noch eine letzte Auswertung des schwedischen Geburtenregisters hat die Forschungsgruppe um Crump vorgelegt: Sie untersuchten die Langzeitmortalität von Frauen nach einer Frühgeburt. Hierfür werteten sie die Daten von 2.189.477 Frauen aus den Jahren 1973–2015 aus. Die Todesfälle und Todesursachen wurden über das Sterberegister bis zum Jahr 2016 ermittelt. In 50.7 Millionen Personenjahren Follow-up starben 76.535 Frauen (3,5 %), das mittlere Sterbealter lag bei 57,6 Jahren.
Die Gesamtmortalität war in den ersten 10 Jahren bei Frauen mit einer Frühgeburt im Vergleich zu Frauen, die ein reifgeborenes Kind gebaren (39–41 Schwangerschaftswochen), erhöht. Auch wenn nach den 10 Jahren das Risiko sank, blieb es im Langzeitverlauf signifikant erhöht. Die Frauen, die ein zu früh geborenes Kind zur Welt brachten, waren häufig jünger, hatten weniger Ausbildungsjahre absolviert, waren häufiger arbeitslos, hatten einen höheren Body-Mass-Index, rauchten häufiger > als 10 Zigaretten/Tag und litten häufiger an einer Präeklampsie, einer hypertensiven Erkrankung, einer Depression, einer rheumatoiden Erkrankung, einem Diabetes oder einem Asthma als Frauen mit einem reifgeborenen Kind.
Eine Frühgeburt ist bei Frauen mit einem erhöhten Risiko verbunden, im Verlauf des Lebens an einer Herzschwäche zu erkranken. Ebenso ist sie mit einem signifikant höheren Risiko verbunden, zukünftig an einer arteriellen Hypertonie zu erkranken. Zudem erleiden diese Frauen im Verlauf ihres Lebens häufiger einen ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfall und weisen eine erhöhte Gesamtmortalität auf.
Vor dem Hintergrund dieser Daten sollten sich Frauen mit einer Frühgeburt in der Anamnese nach Auffassung der Autoren frühzeitig zu kardiologischen Vorsorgeuntersuchungen vorstellen. Zudem sollte eine langfristige kardiologische Betreuung erfolgen.
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