Omikron unterscheidet sich erheblich von anderen Corona-Varianten. Reicht die durch verfügbare Impfstoffe gebildete T-Zell-Immunität noch aus? Wir haben die aktuellsten Studien dazu genauer unter die Lupe genommen.
Bereits zu Beginn der Impfstoffentwicklung gingen viele Forscher davon aus, dass die Impfstoffe – ähnlich wie bei Influenza – an neue Varianten des SARS-CoV-2 angepasst werden müssen. Schuld ist die Antigendrift, also die zufällige Veränderung der Antigene im Coronavirus-Genom.
Zwei Jahre globale Pandemie haben uns mittlerweile fünf besorgniserregende Varianten, die sogenannten Variants of Concern (VOC), beschert. Wobei Omikron es in kürzester Zeit geschafft hat, sich neben Alpha, Beta, Gamma und Delta in die WHO-Liste einzureihen. Alpha, Beta, Gamma und Delta haben etwa 7 bis 12 Mutationen im Spike-Protein, wohingegen Omikron 32 verzeichnet.
Ist es also endlich an der Zeit, die Impfstoffe an die neuste Variante anzupassen? Um diese Frage beantworten zu können, haben sich Forscher jetzt genauer mit der Antigendrift von SARS-CoV-2 beschäftigt. Das ernüchternde Fazit einer der Autoren: „Wäre Omikron eine Influenza-Variante, wäre es Zeit für ein Impfstoff-Update.“
Wie kommen die Forscher dazu und wie sind sie vorgegangen? In ihrer Preprint-Studie nutzten die Forscher Seren von 51 niederländischen COVID-19-Patienten, die sich jeweils mit verschiedenen VOCs infizierten und zuvor keine Impfung erhalten hatten. Mit diesen Seren wurden Pseudovirus-Neutralisationstests gegen die VOCs sowie den Wildtyp durchgeführt.
Wie vermutet, weisen die Seren die höchste Neutralisierung gegen die homologe Variante auf. Dabei war sie bei Alpha am höchsten, gefolgt von Gamma, dem Wildtyp und dann Delta. Das Interessante an den Experimenten ist jedoch die Kreuzneutralisierung: Die Antikörper von Alpha-Infizierten konnten demnach auch sehr gut andere Varianten neutralisieren und deckten das breiteste Spektrum ab. Etwas schlechter schnitten die Antikörper von Wildtyp-, Gamma- und Delta-Infizierten ab.
Weniger erfreulich sind die Ergebnisse für Personen, die mit der Beta-Variante infiziert waren: Keiner dieser Seren zeigte eine bemerkenswerte Kreuzneutralisierungsaktivität. Auch in Hinblick auf Omikron sieht es nicht besser aus, dabei konnten die Forscher in allen Gruppen eine Reduktion der Neutralisierungsaktivität vermerken. Diese fiel sogar bei 21 der untersuchten Probanden auf unterhalb der Nachweisgrenze.
Um die Verbindung zwischen den VOCs besser zu verstehen, nutzten die Forscher die Daten um eine Antigenkarte des SARS-CoV-2 zu erstellen. Die VOC sind in Kreisen abgebildet und die Seren der Probanden in kleinen Quadraten. Die Farbe des Quadrats zeigt dabei den infizierenden VOC an; die Entfernung in der Karte ist ein Maß für die Ähnlichkeit d.h. je näher, desto ähnlicher.
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Wo sich Wildtyp, Alpha, Delta, Gamma und Beta noch im gleichen Cluster befinden, bewegt sich Omikron bereits in anderen Dimensionen: Die Variante formt ein eigenes Antigen-Cluster. Doch abgesehen von Omikron weist die Karte auf einen hohen Grad an Kreuzreaktivität hin. Ähnlich übertragbar sind diese Ergebnisse bzw. die Karte auch auf die Antikörper-Antwort von Geimpften, bei denen sich die bisherigen Varianten in einem Cluster befinden und Omikron ein eigenes bildet. Die Forscher untersuchten dafür die Seren von 122 Probanden, die noch nicht mit Corona infiziert waren. Sie wurden entweder mit dem Impfstoff von Moderna (n = 30), Pfizer/Biontech (n = 49) oder Astrazenca (n = 30) geimpft.
Die Distanz zwischen Vorgänger-Varianten zu Omikron in der Antigen-Karte weise darauf hin, dass die hohen Raten an Omikron-Infektionen zumindest teilweise auf einen Immunescape zurückzuführen seien, erklären die Autoren. Daher sei auch eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich. Ob es sich bei Omikron möglicherweise um einen neuen Serotypen handeln könnte, wird nicht geklärt.
Aber Antikörper sind nicht das Einzige in Sachen Immunität: Wichtig ist auch die T-Zellantwort. In Bezug auf Omikron hat die Forschung nun mit ganzen drei Studien aufgerüstet – natürlich handelt es sich dabei noch um Preprints. In allen drei Studien wurde die Spike-spezifische CD4+ und CD8+ T-Zellantwort gegen Omikron untersucht, die durch die Impfstoffe von Biontech, Johnson & Johnson, Moderna oder Novavax ausgelöst wurden.
Die erste Studie wurde kurz vor Neujahr veröffentlicht: Sie umfasst 70 Teilnehmer, die entweder zweifach mit dem Johnson & Johnson- oder dem Biontech-Vakzin geimpft wurden, sowie ungeimpfte COVID-19-Patienten. So blieb die Spike-spezifische CD4+ und CD8+ T-Zellantwort gegen Omikron zu 70 bis 80 Prozent erhalten und war sogar vergleichbar mit der Kreuzreaktivität gegen Delta oder Beta. Die Untersuchung beschränkt sich jedoch auf 22 bis 23 Tage nach Erhalt der letzten Dosis.
Unabhängig vom Impfstoff (mRNA-1273, BNT162b2, Ad26.COV2.S, NVX-CoV2373) oder der VOC konnten die amerikanischen Forscher in einer weiteren Studie eine stabile T-Zellantwort erfassen. Die Untersuchung umfasst insgesamt 96 geimpfte Erwachsene, bei denen 2 bis 6 Wochen und 3 bis 4 Monate nach vollständigem Impfschutz Blutproben entnommen wurden. Zwar ist die T-Zellantwort auch gegen Omikron reduziert, doch geben diese Daten „Anlass zu Optimismus, da die meisten durch Impfstoffe ausgelösten T-Zellantworten weiterhin fähig sind, alle bekannten SARS-CoV-2-Varianten zu erkennen“, erklären die Autoren.
Deutlich aussagekräftiger ist die aktuellste Studie, denn darin untersuchten Forscher die T-Zellantwort sowohl einen Monat als auch acht Monate nach Erhalt des Johnson & Johnson- oder Biontech-Impfstoffs. Auch hier konnten die Forscher bei 49 der 51 Teilnehmer eine anhaltende Spike-spezifische CD4+- und CD8+-T-Zellantwort nachweisen, sowohl gegen Delta als auch gegen Omikron. Die medianen Omikron-spezifischen CD8+-T-Zellantworten deckten sogar 82 bis 84 % der spezifischen T-Zellantworten der ursprünglicheren Vergleichsvariante ab. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass die aktuellen Impfstoffe einen erheblichen Schutz gegen schwere Erkrankung durch die SARS-CoV-2 Omikron-Variante bieten können, trotz reduzierter neutralisierender Antikörper-Antworten und vermehrter Durchbruchinfektionen“, erklären die Autoren.
Erste Daten der UK Health Security Agency bestätigen diese Aussage der Autoren zur Omikron-Variante:
Bei Geimpften, die einen Booster erhalten haben, ist der Schutz gegen Hospitalisierungen sogar nahe 90 %. Nach der zweiten Impfung liege der Schutz bei 72 %. Für Ungeimpfte sei Omikron aber ähnlich gefährlich wie die Delta-Variante, was auf das höhere Infektionsrisiko der Variante zurückzuführen sei.
Bildquelle: Emily Bernal, unsplash