Viele Krebsarten weisen Veränderungen in ihrem Zellstoffwechsel auf, die das Fortschreiten der Krankheit begünstigen. Forscher der Uni Wien haben nun eine Substanzbibliothek erstellt, die hilft, das komplexe Netzwerk zu verstehen.
Um schnell wachsen zu können, verändern proliferierende Zellen ihren Stoffwechsel. Ein veränderter Zellmetabolismus gilt daher als Krebsmarker und beschäftigt die Forschung schon lange als Angriffspunkt für innovative Krebstherapien. Eine Wiener Forschungsgruppe arbeitet seit einigen Jahren daran, die Abhängigkeit bestimmter Funktionen in menschlichen Zellen von Stoffwechselprodukten und Nährstoffen zu verstehen.
In einer aktuellen Studie präsentierte das Team nun eine Wirkstoffbibliothek aus 243 unterschiedlichen Substanzen, die den Zellmetabolismus beeinflussen können. Ziel ist es, anhand der Datenbank die molekularen Prozesse des veränderten Stoffwechsels für unterschiedliche Krebsarten nachzuvollziehen und beteiligte Substanzen ausfindig zu machen. Studienleiter Giulio Superti-Furga erklärt: „Die Sammlung chemischer Wirkstoffe, die verschiedene Aspekte des Krebszellstoffwechsels beeinflussen, stellt ein Instrumentarium dar, mit dem Zelllinien, Primärproben von Krebspatientinnen und -patienten sowie Tiermodelle auf vielseitige Weise und mit unterschiedlichen Dosierungen untersucht werden können, um metabolische Abhängigkeiten zu identifizieren und therapeutische Strategien abzuleiten. Damit zeigen wir exemplarisch einen praktischen und auch umsetzbaren Weg, wie diese Schwachstellen der Krebszellen therapeutisch genutzt werden können, typischerweise in Kombination mit anderen Medikamenten."
Das Team konnte anhand der Bibliothek ermitteln, dass bestimmte menschliche Leukämie-Zelllinien besonders sensitiv auf den PI3K-Inhibitor Pictilisib, den Fettsäure-Synthase-Inhibitor GSK2194069 und den SLC16A1-Inhibitor AZD3965 reagierten. Erstautorin Tea Pemovska erklärt: „Bei einige Zelllinien der myeloiden Leukämie, vor allem bei zwei Zelllinien mit Chronischer Myeloischer Leukämie, zeigte sich eine hohe selektive Sensitivität auf den Inhibitor AZD3965, der den wichtigen Laktattransporter SLC16A1 hemmt. Dadurch lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, welche Zelllinien bzw. Patienten am besten auf diesen Wirkstoff ansprechen könnten.“ Gleichzeitig bestätigt die Studie den Nutzen der metabolischen Wirkstoffbibliothek, die die Identifikation von Stoffwechselabhängigkeiten ermöglichen. „Unsere Studie belegt die Durchführbarkeit dieser Strategie und unterstreicht die Bedeutung des ‚Aufspürens‘ metabolischer Schwachstellen in Krebszellen mittels funktioneller Tests", so Superti-Furga.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hier gehts zur Originalpublikation.
Bildquelle: Zaini Izzuddin, unsplash.