Das hereditäre Angioödem verursacht schmerzhafte Schwellungen. Wissenschaftler haben nun den Wirkstoff Lanadelumab mit der Standardtherapie verglichen – doch die Studien weisen Mängel auf.
Das hereditäre Angioödem ist eine seltene Erbkrankheit, bei der Betroffene unter Schwellungen der Haut und der Schleimhäute leiden. Ein Gendefekt sorgt dafür, dass zu wenig oder kein funktionsfähiger C1-Esterase-Inhibitor produziert wird – ein Hemmstoff, der normalerweise eine übermäßige Bildung des Peptids Bradykinin verhindert, das die Durchlässigkeit der Blutgefäße erhöht. Folglich tritt zu viel Flüssigkeit in das Gewebe über und es kommt zu Schwellungen, die z. B. in den Atemwegen lebensbedrohlich sein können.
Für viele Betroffene ist eine Langzeitprophylaxe die einzige Möglichkeit zur Linderung der Symptome. Bislang stehen dafür Konzentrate des fehlenden Inhibitors oder der monoklonale Antikörper Lanadelumab zur Verfügung.
Bisher gab es keine Studie, die beide Wirkstoffe direkt miteinander vergleicht. Laut Gemeinsamem Bundesauschuss (G-BA) muss aber ein größerer Nutzen oder geringerer Schaden gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nachgewiesen werden.
Der Hersteller untersuchte daher selbstständig anhand älterer Studiendaten, ob eine Behandlung mit Lanadelumab zur Prophylaxe von wiederkehrenden Attacken des hereditären Angioödems einen Zusatznutzen gegenüber einer Prophylaxe mit C1-Esterase-Inhibitor bietet.
Doch mit keinem großen Erfolg: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) konstatierte, dass eine unfaire Ausgangslage vorlag, da kein randomisierter Vergleich stattfand und relevanten Störgrößen nicht ausreichend ermittelt und miteinbezogen wurden. Das erkannte auch der Hersteller und versuchte es mit einer sogenannten Adjustierung mittels Regressionsanalyse. „Der Hersteller erkennt im ersten Schritt selbst, dass er offenbar Äpfel mit Birnen vergleicht. Doch statt daraus die notwendige Schlussfolgerung zu ziehen und die fehlende Eignung seiner Daten anzuerkennen, weicht er auf eine Methode aus, die aus Äpfel und Birnen scheinbar nur noch Obst macht“, so Thomas Kaiser vom IQWiG. „Dieses Beispiel zeigt einmal mehr: Der anfänglich festgestellte fiktive Zusatznutzen von Orphan Drugs ist bei genauer Betrachtung oft nicht haltbar. Es wäre daher zukünftig sinnvoll, auch solche Arzneimittel von Anfang an vollständig zu bewerten.“
Das Fazit des G-BA lautet daher: Mangels geeigneter Studiendaten ist ein Zusatznutzen von Lanadelumab gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Hier gehts zur Originalpublikation.
Bildquelle: Luis Villasmil, unplash.