Forscher haben es geschafft, dass sich Stammzellen wie Leberzellen verhalten. Dadurch können in Zukunft Tests für lebenswichtige Medikamente durchgeführt werden.
Der Harnstoffzyklus ist für die Entfernung stickstoffhaltiger Abbauprodukte aus dem Organismus verantwortlich. Fehlt in diesem Zyklus das Enzym OTC, kommt es zu Vergiftungen durch eine Anreicherung von Ammoniak. Ein OTC-Defekt ist die häufigste vererbte Krankheit im Harnstoffzyklus. Bishert ist er medikamentös nicht heilbar.
Das OTC-Gen liegt auf dem X-Chromosom, dem sogenannten Geschlechtschromosom. Folglich ist die Krankheit bei weiblichen Betroffenen in der Regel schwächer ausgeprägt als bei männlichen Patienten: Bei neugeborenen Jungen endet die Ammoniakvergiftung durch OTC-Mangel oft tödlich. Ein Forschungsteam suchte daher nach Wegen, Medikamente gegen den OTC-Defekt im Labor zu testen.
Zuerst stellte das Forschungsteam künstliche Leberzellen aus dem Hautgewebe Patienten her. Dazu wurden zunächst Gewebeproben der Haut von Erkrankten und gesunden Personen entnommen. „Mittels induzierter Stammzellentechnologie ist es uns gelungen, künstliche Leberzellen herzustellen, die sich weitgehend wie Leberzellen von Patientinnen und Patienten verhalten“, erläutert Dr. Alexander Lämmle, Erstautor. „Wir haben jedoch beobachtet, dass die künstlichen Leberzellen deutlich weniger Harnstoff ausscheiden als echte, gesunde Leberzellen und zwar unabhängig davon, ob sie von gesunden Kontrollen oder Harnstoffzyklus-Patientinnen und -Patienten stammen.“
Den Forschern gelang es, den Grund für dieses Verhalten zu ermitteln. Die technologisch hergestellten Stammzellen zeichneten sich durch einen vollständigen Mangel an Aquaporin 9, einem Transport-Eiweiß in der Zellmembran, aus. Grund für dieses Fehlen ist der noch unreife Charakter der künstlichen Leberzellen. Aquaporin 9 ist zuständig für den Transport von Harnstoff. Die Forscher haben in einem nächsten Schritt ein Verfahren entwickelt, bei dem die Bildung von Aquaporin 9 in den Stammzellen forciert wird. Dadurch ändern die technologisch hergestellten Leberzellen ihr Verhalten. Sie bauen Ammoniak zu Harnstoff ab und scheiden den Harnstoff aus – genauso, wie es gesunde Zellen tun. Damit ist die Grundlage für ein funktionierendes Testverfahren mit künstlichen Leberzellen geschaffen.
Bei einem OTC-Defekt funktionieren die komplexen OTC-Eiweißgebilde nicht richtig. Sie brauchen sogenannte Chaperone, damit sie richtig zusammengebaut werden und funktionieren können. Prof. Johannes Häberle erläutert: „Die Chaperone sorgen dafür, dass die Faltung der Enzymmoleküle korrekt erfolgt und dass das Enzym korrekt für seinen Einsatz vorbereitet wird. Das neue Testmodell wird nun eingesetzt, um OTC-Chaperone zu testen und auf diese Weise mehr über den OTC-Defekt und über mögliche Therapien herauszufinden.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Bern. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Aideal Hwa, unsplash.