Die Corona-Pandemie wirkt sich negativ auf die Versorgung von Krebserkrankten mit Tumoren des Magen-Darm-Traktes aus. Eine aktuelle Studie liefert Zahlen dazu.
Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 ging die Zahl der vorgestellten Patienten mit Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes um knapp zehn Prozent zurück – darauf weisen Zahlen des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden hin. Für einzelne Tumorarten war der Effekt besonders hoch. Die Zahlen verdeutlichen, welche Gefahr die Pandemie auch weiterhin für die adäquate Versorgung von Krebserkrankten bedeutet. Die zugehörige Studie wurde im Magazin Frontiers in Public Health veröffentlicht.
Die Corona-Pandemie hat negative Folgen für die Versorgung von medizinischen Notfällen und von Patienten mit schweren Erkrankungen wie Krebs, das zeigen zahlreiche nationale und internationale Studien. Forscher am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) haben nun erstmals für ein großes deutsches Krebszentrum detailliert ermittelt, welche Auswirkungen die erste Corona-Welle auf die Behandlung von Patienten mit Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes hatte.
Konkret wurden die Anzahl der in gastrointestinalen Tumorboards vorgestellten Patientenfälle im Vergleich zum Vorjahr ermittelt: Für den Zeitraum des ersten Lockdowns (März bis Mai 2020) war ein Rückgang von knapp zehn Prozent zu beobachten. Im gesamten Zeitraum der ersten Corona-Welle (Januar bis Oktober 2020) ging die Zahl der vorgestellten Fälle um gut drei Prozent zurück, während in den vorhergehenden Jahren jeweils ein mittleres Plus von sechs Prozent verzeichnet wurde.
„Untersuchungen zeigen, dass bei zahlreichen Krebserkrankungen bereits ein vierwöchiger Aufschub der Behandlung negative Auswirkungen auf das Überleben der Betroffenen hat. Der von uns beobachtete Rückgang bei der Zahl der vorgestellten Patienten dürfte zu einer größeren Zahl an fortgeschrittenen und damit schlechter behandelbaren Tumorerkrankungen führen“, sagt Prof. Jürgen Weitz, Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.
Am NCT/UCC Dresden werden individuelle Therapien für jeden Patienten im Rahmen eines spezialisierten onkologischen Tumorboards – einer fächerübergreifenden Expertenkonferenz – erörtert. Im gastrointestinalen Tumorboard, in dem die Tumorerkrankungen des Verdauungstraktes besprochen werden, war während des ersten Lockdowns der deutlichste Rückgang der vorgestellten Fälle bei potenziell heilbaren Tumoren der Gallenwege (-50 Prozent), der Speiseröhre (-25,5 Prozent) und des Dickdarms (-17,5 Prozent) zu beobachten.
Eine mögliche Ursache hierfür könnte der zeitgleiche Rückgang bestimmter Vorsorge- und diagnostischer Untersuchungen gewesen sein – hierzu zählen Endoskopien (Spiegelungen), durch die etwa Tumoren der Speiseröhre und des Enddarms zumeist festgestellt werden. Eine Rolle dürften auch der Rückgang der Mobilität während des ersten Lockdowns sowie die Angst vor einer Ansteckungsgefahr bei Arztbesuchen gespielt haben.
„Bei all denjenigen Patienten, die während der ersten Welle an unserem Zentrum behandelt wurden, konnten wir nötige Therapien – wie Chemotherapie, Bestrahlung und Krebsoperationen – in nahezu normalem Umfang fortführen. Sorge bereiten uns aber die Betroffenen, deren Krebserkrankung pandemiebedingt verspätet diagnostiziert wurde oder die eine Behandlung vor dem Hintergrund der Corona-Situation aufgeschoben haben“, so Erstautorin Dr. Johanna Kirchberg, Leiterin des viszeralonkologischen Zentrums von der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie.
Vergleichbare Zahlen für Tumorboard-Vorstellungen bei Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts während der zweiten bis vierten Welle werden am NCT/UCC aktuell ausgewertet. Hier rechnen die Experten mit einem noch deutlicheren negativen Effekt für Krebserkrankte.
„Der derzeitige rasante Anstieg der Infektionszahlen bereitet uns auch vor diesem Hintergrund größte Sorgen. Die ‚Pandemie der Ungeimpften‘ gefährdet auch die adäquate Versorgung anderer schwer kranker Patienten. Wir möchten daher jede und jeden noch einmal eindringlich dazu aufrufen, sich impfen zu lassen“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC). Hier findet ihr die Originalpublikation.
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