Alzheimer gilt bis heute als unheilbar. Umso wichtiger ist daher die Behandlung begleitender Symptome wie der Apathie. Eine Phase-III-Studie evaluiert nun Methylphenidat.
Weltweit leiden etwa 50 Millionen Menschen an einer Demenz. Allein in Deutschland sind 1,6 Millionen Menschen betroffen – in 30 Jahren werden es hochgerechnet bis zu 2,8 Millionen sein. Am häufigsten ist die Alzheimer-Demenz: Die Prävalenz liegt im Alter zwischen 56 und 70 Jahren bei 1–5 %. Diese Zahl verdoppelt sich mit jedem 5-Jahresschritt, so dass bis zu 10 % der 70–75-Jährigen und bis zu 20 % der 75–80-Jährigen betroffen sind.
Parallel zu einem großen Wissenszuwachs über die Pathomechanismen (z. B. Ablagerung von Tau-Protein und beta-Amyloid im Gehirn) gilt es inzwischen als belegt, dass ungefähr ein Drittel aller Erkrankungsfälle im Zusammenhang mit modifizierbaren Risikofaktoren steht. Neben dem Alter per se sind das Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Adipositas. Aber auch Depression, soziale Isolation/Einsamkeit sowie Bewegungsmangel spielen eine Rolle. Fehlende körperliche Aktivität hat dabei sogar die größte Bedeutung, wie eine deutsche Studie aus dem Jahr 2016 zeigte.
Im Rahmen einer Alzheimer-Erkrankung kann es auch zu neuropsychiatrischen Symptomen kommen; eines der häufigsten ist die Apathie. Betroffene weisen einen verminderten Antrieb sowie Empathie- und Interessenverlust auf. Das verstärkt die Behinderung weiter und erhöht die Belastung der Betreuenden bzw. den Pflegeaufwand (und somit auch die Behandlungskosten) sowie die Mortalität. Einige Behandlungsstudien zeigten bisher keine Wirkung.
An der Apathie setzt die Behandlung mit Methylphenidat an, ein Psychostimulans, das sonst zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und der Narkolepsie eingesetzt wird. Kleinere Untersuchungen zeigten bereits günstige Effekte auf die Apathie bei Alzheimer-Erkrankten, so dass nun die ADMET-2-Studie die Substanz an einer größeren Zahl Betroffener evaluiert hat. Es handelt sich um eine multizentrische, randomisierte, verblindete und placebokontrollierte Phase-III-Studie.
Von 2016 bis 2020 wurden in spezialisierten Demenz-Zentren in Kanada und den USA 307 Alzheimer-Erkrankte gescreent, von denen 200 Personen in die Studie eingeschlossen werden konnten. Die Teilnehmer hatten milde bis moderate kognitive Beeinträchtigungen und zeigten häufige oder schwere Apathie-Zustände. Gemessen wurden diese Apathie-Zustände mit einem speziellen Demenz-Fragebogen, dem Neuropsychiatric Inventory (NPI).
Über 6 Monate hinweg erhielten 99 der 200 Teilnehmer Methylphenidat (2 x täglich 10 mg oral) und 101 ein Placebo. Das mediane Alter lag bei 76 Jahren (IQR 71–81); 66 % der Probanden waren männlich. Das Outcome beinhaltete Veränderungen des initialen Apathie-NPI-Scores oder eine Verbesserung des Alzheimer-Scores ADCS-CGIC („Alzheimer's Disease Cooperative Study-Clinical Global Impression of Change”; Werte von 1–7, wobei höhere Werte schlechter sind). Weitere Endpunkte waren Veränderungen kognitiver Fähigkeiten, Lebensqualität und das Sicherheitsprofil.
Im Ergebnis zeigten sich nach sechs Monaten in der Methylphenidat-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe signifikante Verbesserungen des Apathie-Scores (mittlerer NPI-Unterschied -1,25; p = 0,002). Am deutlichsten verbesserte Methylphenidat den Score in den ersten 100 Tagen (HR 2,16 für das vollständige Verschwinden der Apathie-Symptome, p = 0,01). Auch der Alzheimer-Score verbesserte sich in der Methylphenidat-Gruppe fast doppelt so häufig (OR 1,9; p = 0,07): Der Unterschied der mittleren Änderung des ADCS-CGIC im Studienzeitraum betrug 1,43 (p = 0,048).
Bei den kognitiven Tests und der Lebensqualität gab es in beiden Gruppen keine Veränderung. Von 17 schweren unerwünschten Ereignissen stand keines im Zusammenhang mit dem Studienmedikament; das Sicherheitsprofil war in beiden Gruppen gut. In der Wirkstoffgruppe berichteten mehr Teilnehmer (10 gegenüber 6) über einen Gewichtsverlust von mehr als 7 % während der Studie.
„Da es noch keine in Europa zugelassene kausale Alzheimer-Therapie gibt, muss die Behandlung auch an allen Risikofaktoren und begleitenden Symptomen ansetzen. Nach diesen Studiendaten stellt Methylphenidat eine wirksame und sichere Option für die Behandlung der Apathie dar“, betont Prof. Richard Dodel. „Soziale Isolation und Bewegungsmangel bedingen und verstärken sich gegenseitig und sind Treiber einer Demenz. Symptome wie Depressionen und Apathie verhindern die Mitarbeit – gerade in frühen Erkrankungsstadien ist es aber wichtig, dass die Betroffenen sich bewegen oder Sport treiben, mobil und unternehmungslustig bleiben und soziale Kontakte haben, denn dies kann das Fortschreiten der Demenz beeinflussen.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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