Der Türkise Prachtgrundkärpfling (N. furzeri) wurde von Biomedizinern als neues Tiermodell der Alternsforschung etabliert. Die evolutionäre Nähe des N. furzeri-Genoms zum menschlichen Genom lässt erwarten, dass sich Forschungsergebnisse besser auf den Menschen übertragen lassen.
Fadenwürmer, Hefepilze und Fruchtfliegen gehören zu den wichtigsten und auch wohl bekanntesten Modellorganismen, um biologische Prozesse des Alterns zu untersuchen. In den letzten Jahren hat sich die Palette jedoch um neue Modellorganismen erweitert, die eine kurze oder lange Lebensspanne aufweisen. Zu den kurzlebigen Vertretern zählt der Türkise Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri), ein auch bei Aquarianern sehr beliebter Fisch. Dieser durchläuft innerhalb von nur drei Monaten den Kreislauf des Lebens: von der Geburt, über die Fortpflanzung bis hin zum Tod.
Die Lebensdauer des aus Ostafrika stammenden Fisches ist dabei perfekt an sein natürliches Habitat angepasst und variiert zwischen 3 (kurzlebige Populationen, Regenzeit ca. 3 Monate) und 10 Monaten (langlebigere Populationen, Regenzeit mindestens 8 Monate). Selbst unter optimalen Bedingungen im Laboraquarium, also bei ständiger Verfügbarkeit von Wasser und bester Fütterung, lebt der Fisch ähnlich kurz wie in Afrika. Die Information über die extrem kurze Lebensdauer muss also im Genom gespeichert sein. Der Türkise Prachtgrundkärpfling wurde erfolgreich als neuer Modellorganismus der biomedizinischen Alternsforschung am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena etabliert und spielt eine wichtige Rolle in zahlreichen Forschungsprojekten am Institut. „Obwohl die Zucht dieser Fische unter Laborbedingungen recht anspruchsvoll ist, hat sich der Aufwand gelohnt“, berichtet Dr. Matthias Platzer, Forschungsgruppenleiter am FLI. Seine Arbeitsgruppe hat ab 2007 durch erste genomweite Sequenzanalysen den Grundstein zur genomischen Charakterisierung des kurzlebigen Fisches gelegt. Das Genom ist im Vergleich zu anderen in der Forschung gebräuchlichen Modellfischen (z. B. Zebrafisch und Stichling) groß und macht mit 1,9 Milliarden Basenpaaren ungefähr 2/3 der Genomgröße des Menschen aus. „Die im Vergleich zu etablierten kurzlebigen Modellen der Alternsforschung – wie Fruchtfliege und Fadenwurm – größere evolutionäre Nähe des N. furzeri-Genoms zum Genom des Menschen lässt erwarten, dass sich dadurch Forschungsergebnisse besser auf den Menschen übertragen lassen“. Auf der Suche nach Bereichen im Genom, die Informationen für die Lebenserwartung von Organismen tragen, sind die Forscher des FLI mit dem Fischmodell 2012 einen großen Schritt vorangekommen. Durch Kreuzungen von kurzlebigen mit langlebigeren Laborstämmen konnten sie auf vier verschiedenen Chromosomen Bereiche identifizieren, in denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit genetische Determinanten für die kurze Lebenserwartung von N. furzeri befinden. Ein Fischmännchen des Türkisen Prachtgrundkärpflings (Nothobranchius furzeri, kurzlebiger GRZ-Stamm). © Nils Hartmann / FLI
In Kooperation mit dem Clemson University Genomics and Computational Lab (GCL) in South Carolina, USA, haben die Jenaer Forscher nun eine Genombibliothek von N. furzeri hergestellt, die seit Januar 2015 Forschern weltweit zur Verfügung steht. „Eine Genombibliothek ist im Grunde ein geordneter Katalog von DNA-Fragmenten, um das Genom und die zugrunde liegenden Gene systematisch zu zerlegen“, erklärt Dr. Christopher Saski, Direktor des GCL. Dazu zerlegten die Forscher in den USA die DNA kurzlebiger Fische in zufällige Stücke von durchschnittlich 150.000 DNA-Bausteinen. Diese wurden in sogenannte „Gen-Fähren“ (BACs, bakterielle artifizielle Chromosomen) verpackt, die die unbegrenzte Vermehrung der Fisch-Genomabschnitte in Bakterien ermöglichen. Die Fisch-Genombibliothek umfasst 129.035 BAC-Klone, so dass jeder Genombereich durchschnittlich in 10 verschiedenen BAC-Klonen verfügbar ist. Die Forscher in Jena haben die Endsequenzen von 62.788 BAC-Klonen bestimmt, so dass genau bekannt ist, welchen Teil des Fischgenoms diese Klone enthalten. Diese DNA-Sequenzen sind in öffentlichen DNA-Sequenzdatenbanken in Europa, den USA und Japan hinterlegt worden und auch seit Anfang des Jahres weltweit verfügbar. Sowohl am FLI als auch am GCL liegt jeweils eine Kopie der Genombibliothek für Anfragen bereit. „Soll nun z. B. ein bestimmtes Gen oder ein Abschnitt des Genoms von N. furzeri genauer untersucht werden, dann können wir jederzeit die dazu erforderlichen Klone aus der Bibliothek zur Verfügung stellen“, erklärt Dr. Kathrin Reichwald, Projektleiterin am FLI. „Diese frei zugängliche Genombibliothek von N. furzeri ermöglicht es nun erstmals Forschern weltweit, auf das genetische Material des neuen Tiermodells zuzugreifen, ohne sich selbst im Labor mit großem Aufwand Fische halten zu müssen“, berichtet Reichwald stolz. Bisher arbeiten etwa 45 Gruppen weltweit an N. furzeri-Projekten; vorwiegend in Italien, Deutschland und den USA. „Mit unserer neuen Ressource wird das Interesse an diesem neuen, faszinierenden Tiermodell bestimmt zunehmen und werden sich bald weitere interessante Erkenntnisse in der Alternsforschung erzielen lassen“, sind sich die Forscher einig – zumal Mitte Februar in der Zeitschrift CELL von Forschern der Stanford Universität (USA) ein Artikel veröffentlicht wurde, der beschreibt, wie N. furzeri-Gene effektiv für Forschungszwecke manipuliert werden können. Originalpublikationen: Nothobranchius furzeri GRZ BAC library Genombibliothek; GCL, South Carolina DNA-Sequenzen haben die Datenbanknummern KG817100 bis KG925981 und sind verfügbar bei EBI/ENA, DDBJ, NCBI.