Frauen, die Mutationen in bestimmten Genen aufweisen, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an Mamma- oder Ovarialkarzinomen zu erkranken. Flächendeckende Gentests würden sich gesundheitsökonomisch lohnen. Dennoch sind sie in der Ärzteschaft umstritten.
Mit rund 69.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Brustkrebs die häufigste maligne Erkrankung von Frauen. Fast 30 Prozent aller Patientinnen sind jünger als 55 Jahre und damit in einem Altersbereich, bei dem maligne Erkrankungen normalerweise keine Rolle spielen. Bei ihnen sind etliche Risikogene von Bedeutung. Das wissen viele Patientinnen vor der eigentlichen Diagnose nicht.
Frauen, die Mutationen in bestimmten Genen wie BRCA1 oder BRCA2 aufweisen, haben ein 17- bis 44-prozentiges Risiko, im Laufe ihres Lebens Eierstockkrebs zu entwickeln. Bei Brustkrebs sind es 69 bis 72 Prozent. Im Vergleich dazu beträgt das Risiko für Frauen, die keine Genmutation tragen, 2 Prozent für Eierstockkrebs und 12 Prozent für Brustkrebs. Bislang empfehlen Ärzte nur Patientinnen mit familiärem Risiko, einen Gentest durchzuführen. Flächendeckende Screenings werden vor allem aus Kostengründen abgelehnt. Die Sache hat zwei Haken. Einerseits kennen nicht alle Frauen die medizinische Vorgeschichte ihrer Mütter und Großmütter. Andererseits lassen sich Mutationen nicht nur auf die Vererbung zurückführen. Manche Anomalien entstehen spontan.
Jetzt zeigt Ranjit Manchanda von der Queen Mary University of London, dass sich flächendeckende Untersuchungen gesundheitsökonomisch lohnen. Er verglich in einer Simulation, welche Effekte das Screening aller Frauen hätte, gemessen mit der Erbgut-Untersuchung von Hochrisikopersonen. Untersucht wurden die Regionen BRCA1, BRCA2, RAD51C, RAD51D, BRIP1 sowie PALB2. Dabei zeigte sich, dass bevölkerungsbasierte Tests bei Frauen über 30 Jahren wirtschaftlich sinnvoll waren. Als Maß dient das qualitätskorrigierte Lebensjahr (QALY). Der Wert schwankt von 1 (volle Gesundheit) bis 0 (Tod). Gesundheitliche Einschränkungen führen dementsprechend zu QALY < 1. Zu den Ergebnissen:
Doch welche Chancen hätte ein flächendeckender Gentest? In Großbritannien bewertet das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) neue Verfahren. Seine Funktion entspricht in etwa dem deutschen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Meistens bewilligt das NICE Diagnostik oder Therapien mit einem Kostenfaktor zwischen 20.000 GBP und 30.000 GBP (22.450 und 33.675 Euro) pro QALY. Damit hätte das von Manchanda vorgestellte Verfahren gute Chancen, in den Leistungskatalog aufgenommen zu werden. Vom NICE gibt es bislang keine Stellungnahme. Das mag aber nicht nur am Budget liegen.
Sollte der Gentest tatsächlich positiv ausfallen, ist guter Rat umso teurer. Das Resultat setzt Frauen unter Druck, sich für prophylaktische Eingriffe zu entscheiden. Bestes Beispiel ist die US-Schauspielerin Angelina Jolie. Sie entschied sich für eine prophylaktische Mastektomie und später für eine prophylaktische Salpingoophorektomie. Jolies mediale Präsenz ließ die Zahl an Eingriffen weltweit steigen. Bei Experten ist die Entscheidung umstritten. Sie sehen zumindest bei Brustkrebs engmaschige Screenings per Bildgebung oder die Gabe chemopräventiver Wirkstoffe als Alternative.