Ein neuentwickeltes menschliches Embryonenmodell bereitet den Weg zu einer neuen, nicht-hormonellen Verhütungsmethode. Die Erkenntnisse könnten auch In-vitro-Fertilisationsverfahren verbessern.
Im Reagenzglas das nachbilden, was menschliche Embryonen normalerweise im Mutterleib tun: Diese Möglichkeit bieten neue Zellmodelle. Sie eröffnen neue Wege zur Verbesserung der In-vitro-Fertilisationsverfahren (IVF) und zur Entwicklung verträglicherer Verhütungsmittel. Hormonelle Verhütungsmittel werden seit langem eingesetzt und funktionieren bei vielen Frauen. Sie haben jedoch mitunter beträchtliche Nebenwirkungen, und ihre Wirksamkeit lässt nach, wenn sie nicht täglich eingenommen werden. Auch können viele Brustkrebspatientinnen nicht mit Hormonen behandelt werden.
Dr. Nicolas Rivron, Gruppenleiter am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA), identifizierte mit Hilfe von sogenannten Blastoiden Moleküle, die sowohl als Verhütungsmittel als auch als Fruchtbarkeitsförderer in Frage kommen. Blastoide sind zelluläre Modelle von menschlichen Embryonen im Frühstadium. „Wir möchten die Familienplanung einfacher machen und sie an die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen anpassen.“, kommentiert Rivron.
Mit SC144, einem Molekül mit FDA-Zulassung, hat Rivrons Team einen vielversprechenden Weg für eine neue Generation von nicht-hormonellen Verhütungsmitteln gefunden. Diese Verhütungspillen könnten bei Bedarf eingenommen werden. Dadurch werden die Belastung und der Stress, der täglichen Einnahme verringert. Dass die Frau die Pille in diesem Szenario nur gelegentlich einnehmen muss, könnte zu deutlich weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu einer täglichen Hormonpille führen.
Wie das Journal Nature berichtet, gelang es den Forschern, menschliche Stammzellen so zu stimulieren, dass sie sich effizient in realistische Modelle der frühesten Stadien der Embryonalentwicklung verwandelten. Diese Blastoide ermöglichten den Forschern die Grundprinzipien der frühen menschlichen Entwicklung in-vitro zu beobachten und nach neuen Therapeutika zu suchen. Die Blastoide wurden bis zu 13 Tage lang kultiviert und enthielten etwa 300 Zellen.
Ein Blastoid besteht aus drei Hauptzelltypen, die vor dem Einnistungsversuch gebildet werden:
Anhand dieser neu gebildeten menschlichen Blastoide haben Rivron und sein Team entdeckt, dass die Epiblasten molekulare Signale an die Trophoblasten senden, die eine Seite des Blastoids „klebrig“ machen. Werden die Blastoide auf Zellkulturen aus der menschlichen Gebärmutterschleimhaut abgelegt, landen sie auf ihrer klebrigen Seite und heften sich an die Zellkulturen an. In weiterer Folge setzen sie die ersten Entwicklungsschritte der Schwangerschaft fort. Das Forschungsteam entdeckte, dass SC144 diese Anheftung wirksam hemmt und die Einnistung verhindern kann. Damit weist es den Weg zu einer neuen Generation von Verhütungsmitteln.
Neben der Wirkung von SC144 haben Rivron und sein Forschungsteam mit Hilfe von Blastoiden eine neue Wirkung des natürlichen Moleküls LPA (Lyasophosphatidsäure) entdeckt. LPA verbessert die Selbstorganisation der Stammzellen stark und könnte somit die Bildung natürlicher Embryonen bei der IVF fördern. Prof. Dr. Hilde Van de Velde von der Vrije Universiteit Brussel wartet derzeit auf die belgische Genehmigung, um mit der Erprobung dieses Moleküls in IVF-Verfahren beginnen zu können. „Wir planen LPA und andere Moleküle in naher Zukunft zu testen,“ sagt Van de Velde.
Die vom IMBA patentierten Technologien könnten das Verständnis der frühen Stadien der Schwangerschaft verbessern. Rivron dazu: „Wir hoffen, dass wir mit Hilfe dieser Moleküle die Anzahl und die Qualität der IVF-Embryonen und damit die Chance auf eine Schwangerschaft verbessern können.“ Er fügt hinzu: „Unser Ziel ist es, Frauen in die Lage zu versetzen, ihre Fruchtbarkeit besser zu kontrollieren, ob sie nun eine Schwangerschaft verhindern oder ihre Chancen auf ein Kind erhöhen wollen.“
Blastoide werden aus erwachsenen menschlichen Stammzellen gebildet und sind somit eine leistungsstarke ethische Alternative zur Verwendung befruchteter menschlicher Eizellen. Rivron prognostiziert: „Blastoide werden den Erkenntnisgewinn rasant beschleunigen.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften GmbH. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: cottonbro, Pexels.