Über fünf Millionen Deutsche gehen regelmäßig in die Sauna – um zu entspannen, aber auch, um ihr Immunsystem zu stärken. Zudem soll Saunieren vor Alzheimer sowie Erkrankungen der Atemwege schützen und lebensverlängernde Effekte haben. Was sagt die Wissenschaft?
Ein finnisches Sprichwort sagt: „Die Sauna ist die Apotheke der Armen“. In Deutschland geht etwa jeder vierte über 14-Jährige ab und zu in die Sauna, über fünf Millionen Deutsche sogar regelmäßig, laut einer Erhebung, die Zahlen für den Zeitraum 2013 bis 2017 liefert. Welche gesundheitlichen Effekte sind durch Studien belegt und welche Mythen verdampfen wie ein Aufguss in der Sauna?
Eine grundsätzliche Frage vorweg: Warum überleben wir überhaupt einen Saunabesuch? Eiweiß denaturiert bei knapp über 60 Grad Celsius, ein Rinderfilet gart wunderbar bei etwas über 80 Grad Celsius nach der Niedriggarmethode. Ausschlaggebend für die Eiweißgerinnung ist jedoch gar nicht die Temperatur, sondern die Menge an Energie in Form von Wärme, die auf unseren Körper einströmt. Diese Energiemenge ist im Wasser erheblich größer. Luft kann Wärmeenergie wesentlich schlechter aufnehmen und abgeben als Wasser, ihre Wärmekapazität ist vergleichsweise gering. In der Sauna oder im Dampfbad steigt zwar die Hauttemperatur relativ schnell auf etwa 40 Grad an. Die Körpertemperatur bleibt jedoch bei etwa 37 Grad und nimmt nur ganz langsam zu. Im Gegensatz zu einem Steak oder Ei ist unser Körper in der Lage, zu transpirieren. Dadurch kommt es einerseits zu einem Kühleffekt und andererseits verbraucht der Körper bei diesem Vorgang eine Menge Energie, die dem System entzogen wird. Ein Ei würde in der Sauna gekocht werden, weil es nicht schwitzt. Bei einem Aufguss auf den heißen Ofen geraten wir so richtig ins Schwitzen. Die Luftfeuchtigkeit steigt augenblicklich und der Schweiß auf der Haut kann nicht mehr so gut verdunsten, weil die Umgebungsluft gesättigt ist und kaum noch Feuchtigkeit aufnehmen kann. Die Kühlung des Körpers wird verhindert und ist folglich extrem nass. Dabei handelt es sich um Kondenswasser, da der Körper im Vergleich zur Luft der Sauna vergleichsweise kalt ist. „Verdunstung kühlt – Niederschlag wärmt!“, so die Regel des Deutschen Saunabundes dazu. Physikalisch stellt sich noch die Frage, warum wir extreme Hitze verspüren, wenn wir in der Sauna auf unseren Körper pusten, obwohl unser Atem ja deutlich kühler ist als die Lufttemperatur in der Sauna. Die Erklärung: Unsere Haut bildet ein schützendes „Luft-Wasser-Polster“. Beim Pusten wird diese Hülle zerstört und die heiße Saunaluft kann ungehindert an die Haut gelangen.
Chefarzt Priv. Doz. Rainer Brenke von der Hufelandklinik Bad Ems ist überzeugt, dass Saunieren nicht nur eine Form von Wellness ist, sondern auch lebensverlängernde Effekte haben kann. Bei regelmäßigen Saunagängen sollen Menschen bereits nach einigen Wochen effizienter schwitzen. Zu diesem Ergebnis kommt Brenke in einer zusammenfassenden Arbeit. Bereits nach 10 Saunagängen steige die Durchblutung und die Hauttemperatur. Langfristig nehme die Körperkerntemperatur aber ab. Bei den Probanden, die über fünf Wochen regelmäßig saunierten, misst er eine Senkung der Körperkerntemperatur um 0,5° C. Der Forscher glaubt, „eine um 0,5° C niedrigere Körperkerntemperatur hätte eine Steigerung der Lebenserwartung um wenigstens fünf Jahre zur Folge“. Die Probanden hätten im Winter nicht so schnell gefroren und im Sommer weniger über die Hitze geklagt. Beginne man im mittleren Lebensalter damit, seinen „Temperaturfühler“ zu verstellen, mache dies immerhin noch ein 2 bis 3 Jahre längeres Leben aus, meint Brenke. Voraussetzung für den Effekt sei eine Saunatemperatur von 90° C und das anschließende Abduschen mit kaltem Wasser. Die Auswirkungen auf den Körper und das Immunsystem sind nach Brenke multifaktoriell. Die Akren und Schleimhäute würden besser durchblutet und unspezifische immunologische Resistenzmechanismen angeregt werden, die Interferonkonzentation im Blut und Immunglobulin A in der Mundhöhle nehme zu. Außerdem bewirke Saunieren eine Abahme des Sympathikotonus und steigere das antioxidative Schutzpotenzial. Brenke mahnt jedoch vor einem Saunagang bei einem akuten Infekt: „Unmittelbar durch die Sauna können manche immunologischen Komponenten der Abwehr auch gehemmt werden, weshalb man bei einem beginnenden oder bestehenden Infekt die Sauna meiden sollte“.
In einer Studie von Buijze et al. sollten die Probanden zunächst warm und dann 30, 60 oder 90 Sekunden kalt duschen. Die Teilnehmer wurden gebeten, die Gesamtzahl der krankheitsbedingten Abwesenheitstage von ihrer Arbeit zu dokumentieren. Die sekundären Ergebnisse waren Zeit der subjektiven Krankheit, Lebensqualität, Arbeitsproduktivität, Wärmeempfindung und Angst. In der Kaltduschergruppe sank die Zahl der Fehltage um 29 Prozent. Regelmäßige körperliche Aktivität führte zu einer Verringerung der Fehlzeiten um 35 %. Die Kombination aus routinemäßiger Heiß-zu-Kaltdusche und regelmäßiger körperlicher Aktivität führte zu einer 54-prozentigen Verringerung der Krankheitsabwesenheit im Vergleich zu „Warmduschern“. Die Dauer der kalten Dusche hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Als beachtlich werteten die Studienautoren, dass 91 Prozent der Teilnehmer die kalten Duschen freiwillig weiterführen wollten und 64 Prozent dies tatsächlich taten.
Die finnischen Mediziner Tanjaniina und Jari Laukkanen haben in einer prospektiven bevölkerungsbezogenen Studie untersucht, ob Saunagänge einen Einfluss auf eine Alzheimerprävalenz ausüben. 2.315 gesunde Männer im Alter von 42 bis 60 Jahren wurden in die Studie eingeschlossen. Es wurden Daten aus dem Zeitraum von 1984 und 1989 ausgewertet. Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 20,7 Jahren wurden 204 bzw. 123 diagnostizierte Fälle von Demenz und Alzheimer-Krankheit registriert. Saunabesuche an vier bis sieben Tagen die Woche reduzierten die Demenzdiagnosen um 66 Prozent und die Alzheimerdiagnosen um 65 Prozent gegenüber einmal wöchentlichen Saunieren. „Es sind weitere Studien erforderlich, um die Mechanismen zu ermitteln, die die Verbindung zwischen Saunabaden und Gedächtniskrankheiten herstellen können“, so die Autoren. Die Frage ist, ob Saunieren Alzheimer verhindern kann oder Alzheimer verhindert, dass Patienten in die Sauna gehen.
Der Kognitionspsychologen Dr. Siegfried Lehrl hat untersucht, wie stark sich Flüssigkeitsentzug beim Saunieren auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirkt. Der Flüssigkeitsverlust wurde mit drei Saunagängen simuliert, in denen acht Probanden etwa einen Liter Wasser ausschwitzen sollten. Die Probanden absolvierten vor und nach der Sauna Denkaufgaben. Getestet wurden Merkspanne und Informationsverarbeitung beim Memorieren von Silben, Zahlen- und Buchstabenreihen. Die Hälfte der Probanden trank in und nach der Sauna, die andere Hälfte trank nicht. Nach drei Saunagängen hatten die Nichttrinker ein Kilo Gewicht in Form von Schweiß verloren. Nach der Sauna wurde der Test mit vergleichbaren Aufgaben wiederholt. Die Probanden, die ihr Flüssigkeitsdefizit durch Trinken korrigiert hatten, schnitten um 33 Prozent besser ab. Zwei Stunden nach der Sauna wurden erneut Denkaufgaben gestellt. In der Pause davor durften alle Teilnehmer essen und trinken, so dass die Nichttrinker ihren Flüssigkeitsmangel ausgleichen konnten. Der Test ergab aber dennoch erneut einen deutlichen Vorsprung für die Teilnehmer der Trinkergruppe, diese schnitt um 19 Prozent besser ab.
Laukkanen et al. untersuchten außerdem, ob das Risiko für Asthma, COPD und Lungenentzündungen bei Saunagängern vermindert ist. In einer prospektiven Kohorte von 1.935 kaukasischen Männern im Alter von 42-61 Jahren wurden die Saunagewohnheiten analysiert. Saunagänge reduzierten laut der Studie das Risiko an Atemwegserkrankungen zu bekommen. Je mehr Saunagänge absolviert wurden, desto geringer das Erkrankungsrisiko, so das Ergebnis der Studie.
Die Laukkanengruppe untersuchte in einer weiteren Studie, ob die Häufigkeit des Saunabadens mit dem Wert des C-reaktiven Proteins (CRP) verknüpft ist, ein bedeutender Blutmarker für systemische Entzündungen. 2084 Männer im Alter zwischen 42–60 Jahren ohne akute oder chronische Entzündung wurden eingeschlossen. Die CRP-Werte lagen zwischen 2,41 und 1,65 mmol/l. Hier stellte sich heraus: Je häufiger die Probanden die Sauna aufsuchten, desto geringer waren die Entzündungsparameter.
In einer weiteren finnischen Studie wurde die vaskuläre Compliance an der Halsschlagader und der Oberschenkelarterie vor der Sauna, unmittelbar nach der Sauna und nach 30 Minuten Erholung gemessen. Unmittelbar nach dem Saunabaden ist der systolische Blutdruck der Testpersonen von 137 mmHg auf 130 mmHg und der diastolische Blutdruck von 82 mmHg auf 75 mmHg gesunken. Außerdem war ihr systolischer Blutdruck auch nach 30 Minuten Saunabaden niedriger. Die mittlere Carotis-Femur-Pulswellengeschwindigkeit der Testpersonen, ein Indikator für die Gefäß-Compliance, betrug vor der Sauna 9,8 m/s und sank unmittelbar danach auf 8,6 m/s. Während des Saunabadens stieg die Herzfrequenz der Testpersonen vergleichbar wie bei einem Training mittlerer Intensität und die Körpertemperatur stieg um etwa 2 Grad an. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die physiologischen Mechanismen, die Saunieren auf den Organismus ausübt. Die Studie wurde von der finnischen Förderagentur für Innovation, Tekes, finanziert und von der Forschungsgruppe von Professor Jari Laukkanen an der Universität von Ostfinnland durchgeführt.
Zu klären ist, ob das Saunieren ausschließlich positive Auswirkungen auf den Organismus hat. Natürlich sind auch Todesfälle dokumentiert oder hypotone Zustände. Das statistische Risiko in einer Sauna zu sterben, ist geringer als außerhalb. Eine finnische Faustregel besagt: „Wer aufrecht in die Sauna hinein spazieren kann, kommt auch aufrecht wieder hinaus“. Gemessen an der Zahl der Anwendungen sind die unerwünschten Wirkungen aber marginal. Warnungen werden hingegen für zeugungswillige Männer ausgesprochen. In einer italienischen Studie von Garolla et al. an zehn jungen Männern mit normalem Spermiogramm wurde die Auswirkung einer finnischen Sauna auf die Spermatogenese untersucht. Über einen Zeitraum von drei Monaten gingen die Teilnehmer zweimal im Monat für 15 Minuten in die Sauna. Bei den normozoospermischen Probanden führte die Saunaexposition zu einer signifikanten, aber reversiblen Beeinträchtigung der Spermatogenese. Es kam ebenfalls zu Veränderungen der Spermienparameter, der Mitochondrienfunktion und der der Spermien-DNA. „Wenn Schnaps, Teer und die Sauna nicht helfen, dann ist die Krankheit tödlich“, heißt es in einem weiteren finnischen Sprichwort. Auch wenn zahlreiche Studien den gesundheitlichen Nutzen des Schwitzens in der Sauna mit wissenschaftlichen Daten belegen, ein wenig übertrieben erscheinen die Volksweisheiten doch.