Wer ist für die medizinische Behandlung einer Frau mit Transidentität nach Abschluss einer geschlechtsangleichenden Operation verantwortlich? In Berlin wurde nun über einen Streit zwischen Krankenhaus und Versicherung geurteilt.
Eine junge Berlinerin unterzog sich aufgrund einer Mann-zu-Frau Transidentität einer geschlechtsangleichenden Operation. Hierfür waren ihre männlichen Geschlechtsorgane in eine künstliche Vagina umgestaltet worden. Wenige Jahre später wurde bei der Versicherten die Korrektur der Vagina medizinisch erforderlich. Ein Krankenhaus führte die Operation mit einem Team aus Gynäkologen und Urologen durch und rechnete für die Behandlung gegenüber der Krankenkasse eine Vergütung ab. Die gesetzliche Krankenkasse jedoch verweigerte die Bezahlung.
Der Versicherer begründete dies damit, dass das Fachgebiet der Urologie die Behandlung des männlichen Urogenitalsystems und der weiblichen Harnorgane umfasse. Die Behandlung der weiblichen Geschlechtsorgane und damit auch die Korrekturoperation einer neugebildeten Vagina gehöre nur zum Fachgebiet der Gynäkologie. Weil dem Krankenhaus eine entsprechende Fachabteilung fehle, sei die Operation nicht vom Versorgungsauftrag der Klinik gedeckt und somit bestehe auch kein Vergütungsanspruch.
Das Krankenhaus klagte daraufhin. In den Augen des Urologie-Teams sei eine geschlechtsangleichende Operation vom Mann zur Frau ein urologischer Eingriff an einem biologischen Mann. Daher müssten auch spätere Korrekturen in den Fachbereich der Urologie fallen und vom Vergütungsanspruch gedeckt sein. Eine personenstandsrechtliche Änderung hätte nichts mit der weiterhin männlichen Anatomie zu tun, deren genaue Kenntnis für den Erfolg der Operation maßgeblich sei.
Das Sozialgericht Berlin urteilte daraufhin dieses Jahr, dass der Vergütungsanspruch für eine Behandlung im Krankenhaus unmittelbar dann entstehe, sobald die versicherte Person die Leistung in Anspruch nimmt und die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt werde. Diese Voraussetzungen waren erfüllt. Nach Überzeugung der Juristen sei für eine Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Genitalsystem nicht nur der rechtliche Status der Patientin, sondern auch deren ursprüngliche biologische Einordnung heranzuziehen. Denn von besonderer Bedeutung seien die Ausbildung und Erfahrung der Operateure in der Behandlung der Gefäß- und Nervenbahnen der biologisch männlichen Genitalien. Auch die Wiederherstellung einer Neovagina erfolge durch Behandlung von Teilen des ursprünglich biologisch-männlichen Geschlechtsorgans. Da sich für die Behandlung männlicher Genitalien eine Zuordnung zum Fachgebiet Urologie ergebe, sei die Operation durch die Urologie gerechtfertigt. Das Gericht verurteilte die Krankenkasse damit zur Zahlung der abgerechneten Vergütung.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Sozialgerichts Berlin.
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