Artemisinin ist eines der wichtigsten Anti-Malariamittel. Bei einer verbreiteten Mutante des Erregers ist die Wirkung aber einschränkt – wieso? Ein deutsches Forscherteam hat nun den Mechanismus dahinter entdeckt.
Malaria zählt zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten. Erreger ist hier die Mikroorganismen-Gattung Plasmodium. Eine besonders gefährliche Form der Krankheit wird durch Plasmodium falciparum übertragen. Artemisinin ist eines der wichtigsten Malariamittel gegen diesen Parasiten. Doch bei einer Mutante des Erregers, die sich mittlerweile verbreitet, ist die Wirkung von Artemisinin eingeschränkt.
Ein Forscherteam um Biochemiker Robin Schumann hat nun den Mechanismus dafür gefunden: Es kommt zu einer Fehlfaltung eines Proteins, das an der Entwicklung des Parasiten beteiligt ist. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Redox Biology erschienen.
Der Malariaerreger Plasmodium falciparum wird durch Anophelesmücken auf den Menschen übertragen, in dem er sich zuerst in der Leber und dann in den Erythrozyten vermehrt. „Die Entwicklung des Erregers erfolgt in Zyklen“, sagt Schumann, Erstautor der aktuellen Studie. „Die Wirksamkeit von Artemisinin ist nach der Einnahme zeitlich begrenzt. Es wirkt nur bei Plasmodien, die sich in einem bestimmten Stadium des Zyklus befinden.“
Bei der mutierten Variante, die ihren Ursprung im Grenzgebiet von Thailand und Kambodscha hat und sich mittlerweile weltweit verbreitet, ist die Wirkung des Mittels eingeschränkt. Bei der Kurzbehandlung von Patienten hat man festgestellt, dass die Parasiten wieder zurückkommen. „Bei diesen mutierten Erregern verzögert sich die Entwicklung“, erläutert Schumann. „Sie bleiben länger in einem Stadium, bei dem das Mittel seine Wirkung nicht entfalten kann.“
Ursache hierfür ist eine Mutation bei einem Gen, das das Protein Kelch13 kodiert: Diese hat zur Folge, dass an einer bestimmten Stelle dieses Eiweißmoleküls die Aminosäure Cystein durch die Aminosäure Tyrosin ausgetauscht wird.
Doch welche Rolle spielt Kelch13 bei der Entwicklung des Malariaerregers genau? Wie wirkt sich diese Mutation auf molekularer Ebene aus? Mit diesen Fragen hat sich das Team von Prof. Marcel Deponte aus dem Fachbereich Chemie an der TU Kaiserslautern befasst. „Als wir mit dem Projekt angefangen haben, haben andere Forschergruppen zwei Hypothesen zur Wirkweise von Kelch13 aufgestellt“, sagt Deponte.
Eine Annahme setzt auf eine potentielle Redoxaktivität des Eiweißmoleküls. „Es ähnelt in seinem Aufbau einem zentralen Redoxsensor von Wirbeltieren“, fährt der Biochemiker fort. Wie bereits oben erwähnt, betrifft die Mutation bei Kelch13 meist einen Cystein-Rest. Cystein ist schwefelhaltig und potentiell redoxaktiv, das heißt, es kann mit anderen Molekülen chemisch regieren und Elektronen austauschen. Bei dem Malariamittel Artemisinin wiederum handelt es sich um ein sogenanntes Peroxid, das ebenfalls redoxaktiv ist. „Die erste Hypothese ging nun davon aus, dass die Wirkung des Antimalariamittels durch einen Redoxprozess verändert wird, der von diesem Protein abhängig ist“, fasst Deponte zusammen.
Parallel zu dieser Hypothese haben zwei andere Arbeitsgruppen gezeigt, dass Kelch13 für die Aufnahme von Hämoglobin aus den Erythrozyten in den Parasiten benötigt wird. Darunter auch die Arbeitsgruppe um Dr. Tobias Spielmann vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, die ihre Ergebnisse in einer Studie in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht hat. „Durch die Mutation wird diese Aufnahme beeinträchtigt“, so Schumann weiter.
Im Rahmen einer Kollaboration mit Markus Ganter und seiner Arbeitsgruppe am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg konnte die beeinträchtigte Aufnahme des Hämoglobins in der aktuellen Studie ebenfalls bestätigt werden.
In seiner Promotion hat sich Schumann mit beiden Hypothesen befasst. Die erste Annahme hat er mit seinen Ergebnissen widerlegt: Er hat dazu unter anderem den Cystein-Rest bei Kelch13 ausgetauscht und durch einen Serin-Rest ersetzt. „Die Aminosäure Serin ähnelt im chemischen Aufbau dem Cystein, ist aber nicht redoxaktiv und besitzt keinen Schwefel-Rest“, erläutert er. „Wir haben keinen Einfluss auf die Empfindlichkeit gegenüber Artemisinin festgestellt und daher eine Redoxaktivität in diesem Zusammenhang ausgeschlossen. Die Ursache muss mit dem Tyrosin-Rest in Zusammenhang stehen, der in der Natur bei der mutierten Variante auftritt.“
Somit hat Schumann seinen Fokus auf die andere Annahme gerichtet: Warum wird bei der Mutante weniger Hämoglobin aufgenommen? Die Hamburger Arbeitsgruppe hatte zuvor gezeigt, dass die Hämoglobin-Aufnahme verringert ist, wenn es zu einer Cystein-Tyrosin-Mutation kommt. Das Team aus Kaiserslautern hat nun untersucht, welchen Einfluss die Konzentration des Proteins in der ursprünglichen Variante des Parasiten hat. „Wir haben einen Erreger-Stamm entwickelt, in dem wir die Menge des Kelch13-Proteins verändern konnten“, sagt Schumann.
Hierfür hat der Doktorand eine neue Technik verwendet: Er hat das Protein mithilfe eines Ribozyms reguliert, einem kleinen RNA-Molekül, das wie ein Enzym chemische Reaktionen katalysiert.
Schumanns Fazit: „Regelt man die Proteinkonzentration herunter, kommt es ebenfalls zu einer Unempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff.“ Doch was ist dafür die genaue Ursache? Um dies zu beantworten, wollte Schuman das Eiweißmolekül isoliert betrachten.
Dabei kam ebenfalls ein neues Verfahren zum Einsatz. Nach über einem Jahr Arbeit ist es ihm gelungen, ein sogenanntes rekombinantes Kelch13-Protein in Insektenzellen herzustellen. Darunter versteht man Eiweißmoleküle, die mittels Zellkultur oder Mikroorganismen mit biotechnologischen Verfahren produziert werden. Schumann hat dazu eng mit dem European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg zusammengearbeitet, wo er gelernt hat, Insektenzellen zu kultivieren.
Das Protein hat das Team schließlich aufgereinigt, analysiert und isoliert betrachtet. Auch hierbei ist es einen neuen Weg gegangen. Bislang haben andere Arbeitsgruppen Kelch13 immer nur im Parasiten untersucht. „Wir haben gesehen, dass es durch die Mutation zu einer Fehlfaltung kommt und dies seine Wirkung beeinträchtigt“, fasst Deponte zusammen. In der Folge kann der Erreger Hämoglobin nur langsam aufnehmen. Daher entwickeln sich die Parasiten in einem frühen Stadium nur verzögert weiter, sodass das Malariamittel in seinem Zeitfenster nicht wirken kann.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität Kaiserlautern. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: Jakub Kriz, unsplash