Immer mehr Deutsche nehmen Hunde aus dem Ausland auf. Für Tierärzte bedeutet das, dass sie sich auch mit Krankheiten auskennen sollten, die bisher eher selten vorkommen.
Während der Pandemie stieg die Zahl der Deutschen, die sich einen Hund zulegen wollten. Das kurbelte nicht nur das Geschäft für Züchter und illegale Tierhändler an, auch das Importieren von Hunden über den Auslandstierschutz erfreute sich großer Beliebtheit. Für Tierärzte bedeutet das aber auch, dass sie immer öfter mit Krankheiten konfrontiert sind, die vor einigen Jahren hierzulande nur eine geringe Rolle gespielt haben. Diesen vektorübertragenen Infektionen widmete Dr. Ingo Schäfer seinen Vortrag auf dem diesjährigen bpt-Kongress. Der Tierarzt arbeitet in der klinischen Labordiagnostik bei LABOKLIN und hat vektorübertragene Infektionen zu seinem Schwerpunkt gemacht. DocCheck war für euch bei dem Vortrag dabei und hat die wichtigsten Aspekte zusammengefasst.
Nach Abstimmung unter den anwesenden Tierärzten widmete Dr. Schäfer den ersten Teil seiner Präsentation der Leishmaniose – einer bedeutsamen „Importkrankheit“ mit Tücken.
Wie viele Hunde momentan aus dem Ausland nach Deutschland importiert werden, wird laut Schäfer nicht erfasst. Schätzungen zufolge nehmen deutsche Haushalte im Jahr etwa 1 Millionen Hunde auf (vor Corona waren es 500.000), dieser Bedarf wird etwa zur hälfte über den Auslandstierschutz gedeckt. Für Tierärzte wird es deshalb immer wichtiger, sich mit sogenannten Auslandserkrankungen zu beschäftigen. Dazu kommt: Bei der Mehrheit der Infektionen handelt es sich um Erkrankungen mit zoonotischem Potential.
Durch den regen Austausch mit anderen, vor allem europäischen Ländern, können sowohl Infektionserreger, als auch Vektoren nach Deutschland eingeführt und hier angesiedelt werden. Die klimatischen Veränderungen tun ihr Übriges. Die daraus resultierenden Erkrankungen sind oft unspezifisch und mit variierenden Symptomatiken. Nicht zu vernachlässigen außerdem: Hepatozoen, Dirofilarien, Leishmanien und Ehrlichien können auch bei Katzen mit Auslandsanamnese gefunden werden!
Überträger der Leishmanien ist die Sandmücke (Phlebotomus spp.). Sie kommt vor allem im Mittelmeerraum vor, wurde aber auch schon in Deutschland (v.a. im Südwesten) nachgewiesen. Durch die klimatischen Bedingungen und die steigenden Temperaturen wird ihre Verbreitung hierzulande in Zukunft wohl eher zunehmen. „Eine Tendenz zur Ausbreitung in nördlichere Gebiete ist da“, so Schäfer.
Bei der Leishmaniose handelt es sich um eine Erkrankung mit sehr variabler klinischer Symptomatik. Ihre sehr lange Inkubationszeit, die bis zu mehreren Jahren betragen kann, und ihr schleichend progressiver Verlauf machen eine Diagnose oft schwierig. Die Übertragung kann nicht nur durch Vektoren, sondern auch über direkten Kontakt bei z.B. einer Beißerei, über den Deckakt oder auch eine Blutspende stattfinden. Infizierte Hündinnen können den Erreger außerdem diaplazentar an ihre Welpen weitergeben.
Hunde sind das Hauptreservoir der Leishmanien, wobei Tiere in Endemiegebieten eine relativ hohe Resistenz gegen die Entwicklung klinischer Symptome aufweisen. In seiner Erhebung konnte Schäfer bei 21 % der Importhunde und bei 5 % der reisebegleitenden Hunde Leishmanien nachweisen. Schätzungen zufolge leben etwa 10.000 bis 150.000 mit Leishmania infantum infizierte Hunde in Deutschland.
Symptome einer Infektion können generalisierte Lymphadenomegalie sein, aber auch Gewichtsverlust, Inappetenz, Lethargie, blasse Schleimhäute, Splenomegalie, Polyurie und Polydipsie (PU/PD), Fieber und/oder gastrointestinale Beschwerden. Dermatitiden treten ebenso auf, wobei es sowohl zu erosiv-ulzerierenden, als auch nodulären oder pustulären Hautveränderungen kommen kann. Augenveränderungen wie Keratokonjuktivitis, Uveitis anterior oder Blepharitis können auch Hinweise auf eine Infektion sein. Neurologische Symptome, Epistaxis oder Lahmheiten aufgrund von Entzündungen des Bewegungsapparates können ebenfalls bei einer Leishmaniose auftreten (mehr zur Pathogenese und Klinik findet ihr hier).
Für die Diagnostik gilt: Bei direktem Erregernachweis handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine akute Infektion. Das kann ein positiver PCR- Test aus einer Blutprobe sein, ein Nachweis per Mikroskopie (z.B. in einem Blutausstrich oder einer Zytologie) oder ein kultureller Nachweis der Leishmanien.
Ein indirekter Nachweis erfolgt mittels ELISA oder Immunfluoreszenz-Antikörper-Test (IFAT). Hier gilt: Der Nachweis von IgM spricht für eine akute Infektion, IgG dagegen eher für einen Zustand nach überstandener Erstinfektion oder auch Impfung. IgG wird beispielweise während einer verzögerten Abwehrphase oder auch bei langer Persistenz gebildet. Kommerzielle Labore weisen Leishmanien immer mittels IgG nach.
Dr. Schäfer betont im Vortrag die Unterschiede der Verfahren: Beim IFAT gilt es zu beachten, dass er nur Leishmania Infantum – den in Europa am häufigsten vorkommenden Erreger – nachweisen kann und es außerdem zu einer Kreuzreaktivität mit Trypanosoma spp. und anderen Flagellaten kommen kann. Außerdem sei die Beurteilung vom auswertenden Untersucher abhängig und somit etwas subjektiver, als beim maschinell ausgewerteten ELISA – vor allem bei Titern, die im Grenzbereich liegen.
Der ELISA sei weniger kreuzreaktiv und die Bearbeitung der Proben aufgrund der maschinellen Auswertung schneller. Konnten beim betroffenen Tier jedoch bereits Osteolysen beobachtet werden, rät Schäfer zum IFAT. Er besitzt in diesen Fällen eine höhere Nachweiswahrscheinlichkeit. Für Antikörpertiter gelte außerdem: Titer verschiedener Laboratorien können nicht verglichen werden. Sollten betroffene Hunde schon im Ausland getestet worden sein, so sollte man hierzulande immer nochmal nachtesten – auch wenn das dem Besitzer manchmal schwer zu vermitteln ist. Kontrollen sollten dann auch immer mit derselben Methode und im selben Labor durchgeführt werden.
Labordiagnostisch können sowohl die Proteinurie, als auch eine Hyperproteinämie mit Hyperglobulinämie ein Hinweis für die Erkrankung sein. In der Elektrophorese ist ein Protein- und Globulin-Anstieg während der akuten Phase der Infektion sichtbar, wobei vor allem ein starker Anstieg der Gamma-Globuline für eine Leishmaniose spricht. Geht dieser außerdem mit einer Hypoalbuminämie einher, spricht das eher für einen prognostisch negativen Verlauf. Hämatologisch kann es bei der Leishmaniose zu einer milden bis moderaten nicht-regenerativen Anämie bei bestehender Thrombozytopenie kommen.
Der Nachweis kann über eine Probenentnahme aus Hautläsionen (Abklatsch und Mikroskopie, aber auch PCR oder Histologie), Lymphknoten oder Knochenmark (Mikroskopie, PCR) erfolgen – wobei eine positive PCR aus dem Knochenmark den Goldstandard darstellt. Bei Lymphadenomegalie kann eine Feinnadelaspiration mit eingeschickt werden. Aber hier gilt: Eine negative Zytologie schließt eine Infektion nicht aus. In der Praxis ist der Nachweis per PCR aus peripherem Blut am besten umzusetzen. Möchte man zusätzlich einen Konjuktivalabstrich für eine PCR einreichen, müsse ein beidseitiger fester Abstrich erfolgen, so Schäfer im Vortrag. „Wenn Sie einen Kunjuktivalabstrich machen, dann reicht es nicht, wenn Sie einen ganz normalen Abstrich machen. Sie müssen schon mit einer Zytobrush-Bürste sehr, sehr ordentlich bürsten – am Besten, bis es tatsächlich dann auch beginnt leicht zu bluten“, denn für den Nachweis würden sehr zellreiche Präparate benötigt.
Das Staging ist bei der Leishmaniose sehr wichtig, um die Prognose und die optimale Behandlung mit dem Tierbesitzer absprechen zu können. Hierfür findet sich ein nützlicher Diagnostik-Stammbaum unter Leishvet.org.
In Deutschland ist kein Präparat tatsächlich zur Therapie der caninen Leishmaniose zugelassen. Unterschieden werden können Leishmanistatika wie Allopurinol, Leishmanizide wie Milteforan®(Miltefosin), Glucantime® (Meglumin-Antimonat) oder Antishmania® (Generikum von Glucantime) sowie Immunmodulatoren wie Leisguard®(Domperidon) oder Letifend® (Rekombinantes Protein Q von Leishmania infantum MON‑1). Für alle Präparate gilt jedoch: Keine Therapie eliminiert den Erreger vollständig. Es geht lediglich darum, die Erkrankung zu kontrollieren und den Erreger in Schach zu halten.
Für die Ausbildung klinischer Symptome spiele außerdem die Art der Immunantwort eine Rolle, erklärt Schäfer in seinem Vortrag. Bei einer TH-2-Dominanz kommt es vermehrt zu klinischen Symptomen. Da das Ziel ein klinisch gesunder Hund ist, wird die Immunantwort durch Maßnahmen wie die Impfung in Richtung der TH1-zellulären Immunantwort verlagert.
Ist ein Hund infiziert, kommt dem regelmäßigen Monitoring beim Tierarzt eine besondere Bedeutung zu. Für das Monitoring eignet sich laut Schäfer auch die Bestimmung des CRP. Generell empfiehlt sich das Durchführen einer Blutchemie sowie einer Urinuntersuchung (UPC) etwa alle drei Monate, sowie alle 6 Monate eine Serologie, zu der die Bestimmung der Antikörperspiegel und die Durchführung einer Elektrophorese zählen. Im Einzelfall sollte das Prozedere in enger Zusammenarbeit mit den Besitzern abgestimmt und an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Fakt ist: Bei positivem Befund muss sich der Halter darauf einstellen, ein chronisch krankes Tier zu besitzen.
Aus dem Ausland stammende Hunde sollten ab dem sechsten Lebensmonat auch bei fehlenden Symptomen direkt nach der Einreise gescreent werden. Danach sollte der Hund, in Absprache mit dem Besitzer, regelmäßig beim Tierarzt vorgestellt und untersucht werden. Hier ist es wichtig, die Besitzer für die Symptome einer Leishmaniose zu sensibilisieren und über die Erkrankung zu informieren.
Es existieren vier Impfstoffe gegen die Leishmaniose, wobei zwei davon auch in Europa zugelassen sind: CaniLeish® und Letifend®. Eine Impfung mit Letifend® bietet den Vorteil, dass die Impf-Antikörper nicht in den Laboruntersuchungen nachgewiesen werden können (DIVA; differentiation of infected vs vaccinated animals). Generell wird eine Impfung nur für Hunde empfohlen, die über 6 Monate alt sind und bei denen keine Antikörper nachgewiesen werden können. Außerdem gilt: Die Impfung kann nicht vollständig vor einer Infektion schützen, sie bietet aber Schutz vor einer schweren Erkrankung, wenn sich der Hund infiziert.
Möchten Hundebesitzer ihr Tier mit in den Urlaub nehmen, kommt der Leishmaniose-Prophylaxe eine große Bedeutung zu. Bei Reisen vor allem ins Mittelmeergebiet werden die Halsbänder Scalibor® (Deltamethrin) oder Seresto® (Imidacloprid und Flumethrin) mit repellierender Wirkung gegen Sandmücken empfohlen. Sie sollten bereits eine Woche vor Ankunft im Risikogebiet getragen und als Ergänzung zu anderen Schutzmaßnahmen gesehen werden. Außerdem wichtig: Bei der Beratung muss den Tierbesitzern erklärt werden, dass die Halsbänder für das Baden in Gewässern unbedigt abzulegen sind – andernfalls bleibt von der repellierenden Wirkung nicht mehr viel übrig.
Bildquelle: Andrew Haimerl (andrewnef), unsplash