Bisher ging man davon aus, dass Stammzellen sich rein zufällig zu einem bestimmten Zeltypen entwickeln. Wissenschaftler konnten nun anhand einer Würfel-Theorie zeigen, dass die Kommunikation der Zellen weitaus komplexer ist.
Vollkommen identische Stammzellen können sich zu jedem Zelltyp eines Organismus entwickeln und somit alle lebensnotwenigen Aufgaben verrichten. Dazu spezialisieren sie sich auf einen Zelltypen und übernehmen dessen Aufgaben. Ihre Endprodukte, Organe und Gewebe, sehen fast immer gleich aus und weisen die gleichen Anteile an unterschiedlich spezialisierten Zellen auf. Ein wichtiger Regulator bei der Zuteilung der Stammzellen bzw. bei der Aufgabenverteilung ist die Kontrolle von Genen durch Transkriptionsfaktoren wie NANOG und GATA. Liegen die beiden anfänglich noch zusammen vor, ändert sich dies jedoch grundlegend, nachdem aus dem anfänglichen Zellhaufen zwei verschiedene Zelltypen entstehen: Die einen sind Zellen des frühen Embryos, in denen jetzt nur noch NANOG vorkommt, die anderen sind Vorläufer der Fruchtblase, die nun ausschließlich GATA in sich tragen.
Bisher ging man davon aus, dass die Entscheidung jeder einzelnen Zelle schon früh zwischen NANOG und GATA fällt – ähnlich wie bei einem Würfelspiel. Wissenschaftler konnten dazu bereits in der Vergangenheit ein Konzept aufstellen, das zeigt, wie sich Stammzellen untereinander abstimmen, um sich in den richtigen Anteilen zu spezialisieren. Um das Schicksal der Zellen nicht dem Zufall zu überlassen, manipulierten die Wissenschaftler den „NANOG-GATA Würfel“ so, dass durch eine künstliche Erhöhung der Menge an GATA häufiger GATA als NANOG gewürfelt wird. Das Experiment ging auf, der Trick jedoch nicht: Selbst, wenn immer eine GATA gewürfelt wurde, entstanden weiterhin gleiche Anteile der beiden verschiedenen Zelltypen. Die Aufgabenverteilung musste also auf mehr als nur dem bloßen Zufall beruhen.
In einer aktuellen Studie untersuchten die Forscher daher die Rolle der Kommunikation bei der Embryonalentwicklung. Als zentrales Kommunikationsmittel nutzen Zellen Botenstoffe wie Wachstumsfaktoren, die sie selbst produzieren und ausschütteten. Diese werden dann von anderen Zellen empfangen und steuern deren Spezialisierung. Nahmen die Forscher den Zellen einen für die Zellentwicklung wichtigen Wachstumsfaktor weg, konnten sich die Zellen trotz hoher GATA-Mengen nicht mehr entsprechend entwickeln. Je mehr Wachstumsfaktor die Zellen aber erhielten, desto mehr Vorläuferzellen der Fruchtblase entwickelten sich auch. Ihre Fähigkeit sich trotz Störungen in den richtigen Anteilen auf die beiden Zelltypen aufzuteilen, ging damit verloren. Stammzellen müssen sich also absprechen, um die richtige Entscheidung treffen zu können.
„Mit der Kommunikation bei der Zellentwicklung ist es wie mit der Arbeit in einem Team. Wenn die Mitglieder sich Aufgaben aussuchen, ohne sich abzusprechen, wird manches doppelt erledigt und anderes gar nicht. Ein gut kommunizierendes Team kann hingegen aufkommende Probleme lösen und auch komplexe Projekte zuverlässig und effizient fertigstellen,“ vergleicht Christian Schröter. „Es ist also nicht nur der Zustand der einzelnen Zelle, der entscheidet, was mit ihr passiert, sondern die funktionierende Kommunikation mit den anderen Zellen.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Moritz Kindler, unsplash.