Schnell mal online ein paar Felder ausfüllen, sich selbst testen – und fertig ist das Zertifikat: Ein neues Geschäftsmodell sorgt für Schlagzeilen. Aber geht das wirklich?
Deutschland im zweiten Corona-Winter: Trotz Impfungen und Hygieneregeln scheint die Pandemie nicht mehr unter Kontrolle zu sein. Viele Bundesländer haben darauf reagiert. Ohne 3G- oder gar 2G-Nachweis fallen etliche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung flach. Wer nicht genesen oder geimpft ist, muss sich regelmäßig vor der Arbeit testen lassen. Und in einigen Fällen setzen Veranstalter sogar auf 2G plus – mit zusätzlichem Test.
Doch Not macht erfinderisch: Die Dr. Ansay AU-Schein GmbH mit Sitz in Hamburg bietet jetzt Online-Testzertifikate an.
Ihre Idee: Konsumenten erwerben Schnelltests im Einzelhandel, kennzeichnen die Testkassette mit ihrem Namen und führen die Untersuchung durch. Anschließend fotografieren sie ihr Ergebnis.
Auf der Website der Dr. Ansay AU-Schein GmbH bestätigen sie, alles richtig gemacht zu haben und symptomfrei zu sein. Sie geben an, um welches Testkit es sich handelt und wann sie die Untersuchung in Eigenregie durchgeführt haben. Das Resultat muss negativ sein, was niemand kontrolliert. Danach werden noch verschiedene Kontaktdaten abgefragt. Ein Zertifikat folgt per E-Mail und SMS-Code zum Download.
„Bei einer Kontrolle zeigst Du dann die PDF, die 2 Fotos, den Test & Ausweis“, schreibt der Anbieter. Optional, aber nicht verpflichtend, ist ein Videochat mit Ärzten, um zu überwachen, dass die Untersuchung richtig ausgeführt wird.
Für Verbraucher ist das Angebot bequem, keine Frage. Doch hält es einer juristischen Überprüfung stand? DocCheck sprach dazu mit Sven Wilhelmy, Rechtsanwalt und Partner bei Quirmbach & Partner in Montabaur. Er verweist auf die Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, kurz COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV). Darin sei zu lesen, dass ein Testnachweis „vor Ort unter Aufsicht desjenigen stattfindet, der der jeweiligen Schutzmaßnahme unterworfen ist“ (§2 Abs. 7).
„Das Online-Angebot widerspricht an dieser Stelle nach meiner Auffassung dem Wortlaut der Verordnung“, sagt Wilhelmy. „Ich denke, der Anbieter versucht, hier Lücken in der Regelung auszunutzen: Wie ist der Begriff „vor Ort“ definiert? Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das Ausfüllen eines Online-Formulars einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird.“
Selbst im Falle einer Regelungslücke, so Wilhelmy, würden Gerichte die Regelung nach Sinn und Zweck der Norm auslegen. „Sinn und Zweck der Regelungen der Verordnung ist, dass sichergestellt wird, dass die Tests so durchgeführt werden, dass diese auch verlässliche Ergebnisse erzielen“, sagt der Rechtsanwalt. „Das ist beim Ausfüllen eines Formulars mit Sicherheit nicht der Fall.“
Etwas anderes könne allenfalls gelten, wenn Online-Tests vor laufender Kamera und unter Anleitung erfolgen würden. Auch in der Telemedizin gebe es derzeit ähnliche Diskussionen, was online möglich sei oder aber zwingend vor Ort weiter erfolgen müsse. Klar sei aber auch, dass es mitunter bei einzelnen Testzentren Schwächen gebe, so Wilhelmys Resümee.
Zu der Problematik äußert sich auch die Dr. Ansay AU-Schein GmbH. In einer Stellungnahme heißt es, das Test-Zertifikat sei in Deutschland gültig gemäß §2 Nr. 7, c) SchAusnahmV, da der Selbsttest online von Ärzten „überwacht“ werde und die Vorschrift keinen Test „vor Ort“ fordere.
Rechtsanwalt und CEO Dr. jur. Can Ansay wird mit den Worten zitiert: „Die abgewählte Regierung will Ungeimpfte nun auch mit rechtswidrigen Mitteln faktisch zur Corona-Impfung zwingen, obwohl die Sterblichkeitsrate mittlerweile ähnlich hoch ist, wie bei einer Grippe und Online-Tests krasse Vorteile bieten. Nur mit unseren kostenlosen Online-Testzertifikaten können Ungeimpfte auch weiterhin faktisch frei entscheiden und sich sicher zuhause testen, statt auf dem Weg zum Arzt und im Wartezimmer andere anzustecken.“
Wie geht es weiter? Etliche Behörden sahen sich genötigt, zu erklären, dass Testzertifikate der Dr. Ansay AU-Schein GmbH ungültig seien und beispielsweise von Arbeitgebern nicht akzeptiert werden dürften. Und Medienberichten zufolge hat die Wettbewerbszentrale dem Anbieter bereits eine schriftliche Abmahnung zukommen lassen. Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung hat bereits Anzeige erstattet. Weitere Bundesländer, zuletzt die Hamburger Sozialbehörde, prüfen ähnliche Schritte.
Auch eine Massenpetition kam nicht sonderlich gut an. Seit Mitte November sollen tausende vorformulierte Spam-Mails an Mitarbeiter in Bund und Land verschickt worden sein, um das Vorgehen zu legitimieren. Auch hier prüfen Behörden juristische Reaktionen.
Bildquelle: Ari He, Unsplash