Reaktive Verknöcherungen an Hörprothesen können langfristig zu stärkerem Hörverlust führen als bisher gedacht. Das zeigt jetzt eine Studie.
Eigentlich sollen elektronische Hörprothesen Hörverluste ausgleichen und die Funktion des Innenohres ersetzen. Dabei sind Cochlea-Implantate eine bewährte Methode, um die auditive Wahrnehmung zu verbessern und zu verhindern, dass der Hörverlust voranschreitet. Eine neue Studie untersucht nun zum ersten Mal wie das reaktive Knochenwachstum nach Implantation der Hörgeräte mit einem Verlust der Resthörfunktion zusammenhängt. Die in der Zeitschrift Radiology veröffentlichte Forschungsarbeit legt nahe, dass post-operative Prozesse wie Entzündungen, Fibrose und Knochenneubildung einem langfristigen Resthörverlust beisteuern können.
Übliche Hörprothesen bestehen aus einem äußeren Sprachprozessor, der hinter dem Ohr sitzt und durch ein Mikrophon Schallsignale aufnimmt. Das Implantat, welches chirurgisch unter die Haut implantiert wird, empfängt nun die elektrischen Signale und leitet die Impulse an die Scala tympani im Innenohr weiter. Besonders wichtig, um die Erfolgschance der Behandlung zu maximieren ist, dass Hörnerv und Hörbahn, die dem Implantat nachgeschaltet sind, intakt sind. Cochlea-Implantate können das normale Hörvermögen nämlich nicht wiederherstellen, aber sie können Menschen helfen, Wörter besser zu erkennen und Sprache leichter zu verstehen.
Technische Verbesserungen sorgen dafür, dass die Implantate für immer mehr Menschen mit schwerem bis hochgradigem Hörverlust zugänglich werden. Hört sich schon mal gut an. Denn Komplikationen durch Cochlea-Implantate sind sehr selten. Die Implantation erfolgt jedoch zunächst durch chirurgische Entfernung des Warzenfortsatzes (Processus mastoideus). Postmortale Studien konnten diese destruktive Knochenentfernung mit Entzündungen, Fibrose und Knochenneubildung in Verbindung bringen, welche auch in vivo zur Beeinträchtigung der Hörqualität beitragen könnten. Umso wichtiger ist es eine Methode zur Erkennung und Überwachung dieser reaktiven Prozesse zu etablieren.
Da solche reaktiven Veränderungen des Knochens die Hörfunktion stark vermindern können, schaute eine US-amerikanische Forschungsgruppe ganz genau hin. Bisher wurden die subtilen Prozesse an Implantaten noch nicht in-vivo beschrieben, da sie nur schwer sichtbar zu machen sind. Insbesondere die Nähe eines metallischen Implantats führt zu Artefakten auf Computertomographie-Bildern. Durch die neue Verfügbarkeit eines ultrahochauflösenden CT-Scanners (UHRCT) konnten die Forscher die Knochenneubildung und ihre Auswirkungen bei 123 Patienten mit Cochlea-Implantaten untersuchen. Dabei wiesen 83 (68 %) der 123 Patienten innerhalb von vier Jahren nach der Implantation eine Knochenneubildung auf, die sich überwiegend an der Basis der Cochlea befand. Der langfristige Resthörverlust war in der Gruppe mit Knochenneubildung deutlich erhöht.
Die Knochenneubildung um die Cochlea-Implantat-Elektrode kann, laut Forschern, eine Reihe weiterer negative Folgen haben, da auch umgebende Strukturen betroffen sind. Es kann etwa die Ausbreitung des elektrischen Stroms in der Cochlea beeinträchtigt werden. Die Implantate müssen dann häufiger angepasst oder sogar reimplantiert werden. Folglich kann die Knochenneubildung die Reimplantationschirurgie deutlich erschweren. In vielen Fällen beeinträchtigt das dann die Hör- und Lebensqualität.
Die neue UHRCT-Technik ist ein wertvolles Instrument, um Einblicke in das Auftreten, den zeitlichen Verlauf und die Pathophysiologie veränderlicher Prozesse zu gewinnen. Von Konsequenzen und möglichen Behandlungen der Knochenneubildung wird man wohl erst nach weiteren Studien und Analysen hören.
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