Ich durfte unseren frisch gekürten Gesundheitsminister vor ein paar Jahren persönlich kennenlernen. Das hat meine Meinung von ihm geändert. Sagen wir so: Ich sehe jetzt auch seine guten Seiten.
Es ist schon einige Jahre her, da durfte ich als Gast von Anne Will mit Karl Lauterbach die Klingen kreuzen. Er verteidigte vehement die Fallpauschalen, die uns heute noch quälen, weil manche unserer Patienten ihre „Beratungs- Flatrate“ gnadenlos ausnutzen und am liebsten wöchentlich einmal ihre Beschwerden mit uns erörtern würden. Manchmal, wenn ich höre, welche Honorare halbgebildete Heilpraktiker aufrufen dürfen (und das manchmal selbst für die bloße Vereinbarung eines Termins tun!), dann kriege ich immer noch die Wut auf das Tandem Ulla Schmidt und Karl Lauterbach, das uns damals die Fallpauschalen eingebrockt hat.
Auch sein Wunsch nach noch mehr Klinikschließungen und -privatisierungen hat mich nicht zu einem Fan des neuen Gesundheitsministers werden lassen.
Allerdings hatte ich auch das Vergnügen, eine andere Seite von ihm kennenzulernen: Sein feiner Humor, seine Selbstironie und seine geschliffene Sprache machten den Umtrunk nach der Talkshow zu einem besonderen Vergnügen (ich war noch ein zweites Mal bei Anne Will, da erstaunlicherweise ohne Lauterbach-Beteiligung und da war es deutlich langweiliger). Ob das der heimliche Grund dafür ist, dass er gefühlt zweimal wöchentlich in irgendeinem Studio zu Wort kommt? Gesundheitsexperten (was ist das eigentlich für ein schwammiger Titel?) gibt es doch eigentlich zuhauf – aber im abendlichen Wohnzimmer erscheint immer nur der eine, der sich mittlerweile seiner Fliege entledigt und ein deutlich cooleres Image bekommen hat.
Bei Twitter nimmt er im Rahmen der allgemeinen Verehrung schon messianische Züge an, als könne nur er das Coronavirus in seine Schranken weisen und, über das Wasser wandelnd, Pflegenotstand und Ärztefrust parallel gleich mit beenden. Vielleicht kann er ja auch nur Wasser in Wein verwandeln – was die allgemeine Lage zumindest leichter erträglich machen würde. Wer weiß?
Er wird von nun an jedenfalls unter genauerer Beobachtung stehen und sein Fähnchen nicht mehr ungehindert nach dem Wind ausrichten können (es war schon atemberaubend, wie er am 31.10 noch Boosterimpfungen für alle als sinnlos erklärt und schon am 18.11. postuliert hat, dass deren Sinnhaftigkeit schon seit Monaten klar war).
Wir werden sehen. Den Menschen mag ich, seine komödiantischen Auftritte finde ich lustig. Ob ich mich über seine Politik freuen können werde, wird die Zeit zeigen. Unterhaltsamer und aktiver, als es unser langweilige Kollege Rösler damals war, wird er allemal sein. Und was seine Arbeit angeht, stirbt die Hoffnung zuletzt. In diesem Sinne: Auf gute Zusammenarbeit!
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