Die drei Volkskrankheiten Asthma, Rheuma und Hypertonie haben einen gemeinsamen Nenner: Interleukine. Könnten sie ein zukünftiges Therapie-Ziel für alle drei Erkrankungen sein?
Die Zahl der Menschen mit Asthma wird bis 2025 schätzungsweise auf 400 Millionen steigen. Rund 870 Millionen Menschen haben einen systolischen Blutdruck von über 140 mmHg, die Tendenz ist auch hier steigend. Beide Erkrankungen sind schon für sich eine große Herausforderung – treten sie gemeinsam auf, ist dies eine extreme Herausforderung für Arzt und Patient.
Die Behandlung von Hypertonie- und Asthmapatienten erfordert einen multifaktoriellen Ansatz, der die Pharmakotherapie und Maßnahmen zur Lebensstilanpassung beinhaltet, so eine Studie. Die Autoren schlagen als ersten Schritt eine Kontrolle beider Erkrankungen vor. Augenmerk ist u. a. zu legen auf eine Änderung des Lebensstils in Bezug auf Ernährung, Gewicht, Bewegung und Alkoholkonsum. Die Wahl des blutdrucksenkenden Mittels erfordert bei diesen Patienten besondere Überlegungen.
Die zu den Zytokinen gehörende große Familie der Interleukine ist der gemeinsame Nenner für Asthma und Hypertonie. Aber auch bei weiteren chronische Erkrankungen wie COPD, Rheuma, Gicht und Diabetes stehen die Interleukine im Mittelpunkt des Pathophysiologischen Geschehens und teilweise neuer Therapieoptionen.
IL-11 ist nach einer Studie von Fung et al. an der Pathogenese von rheumatoider Arthritis, Multipler Sklerose, Diabetes und systemischer Sklerose sowie anderen chronischen Entzündungskrankheiten wie Parodontitis, Asthma, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, Psoriasis und Colitis beteiligt. Auch andere Interleukine spielen eine herausragende Rolle bei der Pathogenese chronischer Erkrankungen. Dass Zytokine bei entzündlichen Erkrankungen beteiligt sind, ist seit längerer Zeit bekannt. Die Erkenntnis, dass auch die Hypertonie durch Interleukine getriggert wird, ist recht neu.
In experimentellen Bluthochdruckmodellen führte die Blockade von IL-17A zu einer Senkung des Blutdrucks. Vermutlich ist dafür die Einwirkung auf die kleinen Mesenterialarterien und die Regulierung des Natriumtransports in den Tubuli verantwortlich. Außerdem verringert die Hemmung von IL-17A die Schäden an den Endorganen. In Zukunft kann die Hemmung von IL-17 ein therapeutisches Ziel für bluthochdruckbedingte Krankheiten sein, so die Autoren einer Studie von Rodriguez-Diez.
Auch andere Interleukine und deren Antikörper spielen bei der Entstehung internistischer Erkrankungen eine Rolle. Tezepelumab beispielsweise hat das Potenzial, eine neuartige Behandlungsoption zu sein.
Tezepelumab ist der erste humane monoklonaler Antikörper seiner Klasse, der anders wirkt als die üblichen Biologika. Er hemmt die Wirkung von Thymusstroma-Lymphopoietin (TSLP). Dabei handelt es sich um ein wichtiges Zytokin, das bei Atemwegsentzündungen im Zusammenhang mit schwerem Asthma entscheidend ist. Tezepelumab soll die Asthma-Exazerbationen verringern und die Asthmakontrolle verbessern, indem es in der Asthma-Entzündungskaskade agiert, um TSLP zu blockieren. Phase-III-Studien machen Hoffnung, dass Tezepelumap keine Nischenindikation besetzen wird, sondern für die breite Masse an Asthmapatienten geeignet ist.
Der Wirkstoff hat von der FDA den Status Breakthrough Therapy Designation und Priority Review Designation erhalten. Das bestätigt den hohen Nutzwert und die Hoffnung, die in das Biologikum gesetzt wird.
Viele Studien haben die pathogene Rolle von lokal produzierten proinflammatorischen Zytokinen in den entzündeten Gelenken nachgewiesen, einschließlich TNFα, IL-1, IL-6 und IL-17; alle sind derzeit Ziele biologischer Therapien. Auch IL-11 findet sich in der Synovialflüssigkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), so eine Studie von Wang et al.
Bei RA wurde gezeigt, dass IL-11 von Fibroblasten und Endothelzellen exprimiert wird. Das Interleukin stimuliert Fibroblasten, fördert die Sekretion von IL-8 und stimuliert die Angiogenese in den Gelenken. Ob die IL-11 Erhöhung pathogen oder eine natürliche Reaktion des Wirts zur Wiederherstellung der Homöostase ist, ist jedoch für viele Krankheiten nicht klar.
Chronisch entzündete Schleimhäute der Atemwege fördern die Entstehung der rheumatoiden Arthritis, vermuten die Autoren um Ford et al. Bei Patienten mit COPD oder Asthma sollte daher besonders auf frühe Zeichen der Autoimmunkrankheit geachtet werden.
Ungeachtet der pathogenetischen Gemeinsamkeiten von Asthma, Hypertonie und RA ergeben sich beim gemeinsamen Auftreten von zwei oder drei dieser Erkrankungen Probleme in der Therapie durch Arzneimittelwechselwirkungen. Kortikoide, die bei Asthma und RA eingesetzt werden, können den Blutdruck steigern. Gegen Hypertonie indizierte Betablocker sind bei Asthma scheinbar kritisch und senken bei RA-Patienten den Tonus der Skeletmuskulatur. ACE-Hemmer können Asthmaanfälle verschlimmern. Die Liste möglicher Interaktionen ist lang. Doch nicht alle hypothetischen Wechselwirkungen sind nach neueren Studien praxisrelevant.
Betablocker werden, wenn auch mit mehr Zurückhaltung, bei Hypertonie eingesetzt und haben einen festen Platz in der Therapie der Herzinsuffizienz. Therapeutisches Ziel sollen die Beta-1-Rezeptoren am Herzen sein. Über einen Umweg, die sog. Adrenalinumkehr, wird die Rezeptordichte der Alpha-Rezeptoren in den Gefäßen reduziert und die Freisetzung von blutdrucksteigernden Katecholaminen vermindert. Der Begriff „kardioselektiv“ suggeriert nicht selten, dass diese Substanzen ausschließlich am Herzen angreifen, doch das ist falsch. Sie wirken zwar potenter an den Beta-1-Rezeptoren, aber auch immer an den Beta-2-Bindungsstellen in der Lunge und an der Skeletmuskulatur. Ein Blocker, der nur am Herzen angreift, dürfte das Attribut spezifisch tragen, doch den gibt es nicht. Da die pulmonale Gefäßweite durch den Beta-2-Rezeptor gesteuert wird, liest man in den Fachinformationen, dass Betablocker bei pulmonalen obstruktiven Erkrankungen nicht gegeben werden sollen.
β-Blocker gelten seit vielen Jahren als kontraindiziert bei Patienten mit Asthma bronchiale oder sogar bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), jedoch ohne eindeutigen Asthma-Beweis.
Trotz überwältigender Beweise für die Nützlichkeit von β-Blockern, insbesondere bei Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFrEF) und bei ischämischer Herzkrankheit besteht eine gewisse Zurückhaltung bei der Anwendung dieser Medikamente bei gleichzeitigem Asthma oder COPD.
Die in den Fachinformationen angegebenen Kontraindikation für Beta-Blocker bei Asthma beruht auf kleinen Fallserien, die in den 1980er und späten 1990er Jahren mit sehr hohen Anfangsdosen bei jungen Patienten mit schwerem Asthma veröffentlicht wurden. Die Leitlinien der European Society of Cardiology legen eindeutig nahe, dass Beta-Blocker nur relativ kontraindiziert sind, wenn ein Asthma bronchiale mit einer dokumentierten bronchodilatatorischen Reaktion auf Adrenalin sicher ist. Daher ist Asthma bronchiale keine absolute Kontraindikation für Betablocker. Auch eine Studie von Verdiccia et al., betont, dass Betablocker auch bei entsprechenden Indikationen und Asthma als Komorbidität indiziert sein können.
In der klinischen Praxis kann der Beginn mit niedrigen Dosen kardioselektiver Beta-Blocker in Verbindung mit einer genauen Überwachung auf Anzeichen einer Atemwegsobstruktion den Einsatz von hochwirksamen Beta-Blockern bei HFrEF ermöglichen, insbesondere bei älteren Menschen, bei denen echtes schweres Asthma selten ist. Daher ist laut dem globalen Strategiebericht GINA Asthma keine absolute Kontraindikation, aber diese Medikamente sollten nur unter enger medizinischer Überwachung und unter Abwägung der Risiken für und gegen ihre Verwendung eingesetzt werden. Bei höheren Dosen ist hingegen das vermehrte Auftreten von leichten oder schweren Asthmaanfällen möglich.
Bei der Anwendung von Betablockern bei COPD ist die Lage noch entspannter. Asthma ist adrenerg gekoppelt, COPD cholinerg und ist ohne typische Bronchospasmen charakterisiert. Kritisch hingegen können Betablocker bei insulinpflichtigem Diabetes als Begleiterkrankung sein. Der Patient kann unter der Therapie Gewicht zunehmen und rascher unterzuckern. Gefährlich ist aber die Maskierung einer Hypoglykämie. Dabei kommt es zu Zittern, Schwitzen und Tachykardie. Diese Beschwerden werden durch Adrenalin ausgelöst. Ein Betablocker maskiert die Symptome. Ein insulinpflichtiger Diabetiker fällt durch eine Veränderung der Glukoneogenese rascher in eine gefährliche Hypoglykämie und merkt es nicht.
ACE-Hemmer wie Enalapril oder Captopril können mitunter eine Asthmaerkrankung verschlimmern. Diese Substanzgruppe ist bekannt für die unerwünschte Wirkung des trockenen Reizhustens. Dieser entsteht, weil durch die Hemmung der Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin-I Bradykinin entsteht. Diese histaminähnliche Substanz kann auch beim Asthmatiker zu Problemen führen, weil die Überempfindlichkeit des Bronchialsystems gesteigert werden kann.
Eine Kohortenstudien von Morales et al. ging dieser Frage nach. Bei Patienten mit Asthma kann ein ACE-Hemmer die Erkrankung verschlimmern. Die Anfallshäufigkeit und -schwere kann zunehmen, besonders bei schweren Asthmaverlaufsformen. Angiotensin-II-Rezeptorblocker (Sartane) könnten möglicherweise als Erstlinientherapie bei Patienten mit Asthma und bei Patienten mit Hochrisikomerkmalen in Betracht gezogen werden, so die Autoren.
Dieses Resümee ist pharmakologisch dennoch nicht ganz richtig. Sartane sind keine AT-II-Blocker. Sie greifen in die Kaskade Angiotensinogen, Angiotensin-I und Angiotensin-II nicht ein. Sie blockieren den AT1-Rezeptor, an dem AT-II andockt. Es handelt sich also um AT-1-Blocker. Sartane wie Candesartan oder Olmesartan werden bei Asthma gut vertragen.
Die Trias Hypertonie, Asthma und RA lässt sich noch zu einem Oktett erweitern: Diabetes, COPD, Gicht, Neurodermitis und Parodontitis sind die weiteren Mitspieler im Orchester der Interleukine. Ein ubiquitärer Antikörper gegen pathogene Interleukine wäre eine starke internistische Therapiesäule.
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