Relativ häufige Variationen im Erbgut erhöhen das Risiko, im Laufe des Lebens an einer akuten myeloischen Leukämie zu erkranken. Das ergab jetzt die bislang größte AML-Studie.
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist die häufigste Form einer schnell fortschreitenden Blutkrebserkrankung bei Erwachsenen. Unbehandelt führt sie innerhalb kurzer Zeit zum Tod. Die Ursachen für das Auftreten der Erkrankung waren bislang in den meisten Fällen unklar. Eine groß angelegte internationale Studie unter Leitung von Forschern der Newcastle University, der Icahn School of Medicine at Mount Sinai (ISMMS, New York), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) konnte nun erstmals zeigen, dass vergleichsweise häufige angeborene genetische Faktoren das Risiko für das Auftreten einer AML-Erkrankung erhöhen.
Die Ergebnisse liefern die Basis, um für die Erkrankung wichtige biologische Mechanismen zu erforschen und künftig möglicherweise präventive und verbesserte therapeutische Strategien zu entwickeln. Die Studie, in deren Rahmen das Genom von gut 4.000 AML-Erkrankten und rund 10.500 gesunden Personen analysiert wurde, erschien im renommierten Fachmagazin Nature Communications.
Bislang war ein solcher Zusammenhang nur für sehr seltene genetische Veränderungen bei wenigen AML-Betroffenen und in deren Familien bekannt. „Die Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für ein tiefergehendes Verständnis der Krankheit und der dahinterstehenden biologischen Mechanismen. Künftig könnte dies neue Möglichkeiten zur Vermeidung und besseren Therapie der Erkrankung eröffnen“, sagt Prof. James M. Allan von der Newcastle University.
Im Rahmen der genomweiten Assoziierungsstudie untersuchten die Wissenschaftler gezielt solche Stellen in der rund drei Milliarden Nukleotide umfassenden DNA-Sequenz des Menschen, an denen die Erbsubstanz bei mindestens einem Prozent der Bevölkerung eine Veränderung in einer einzigen Nukleotidbase aufweist. Mehr als sieben Millionen solcher Einzelnuklid-Polymorphismen (SNPs) wurden analysiert.
Dabei fiel eine Veränderung im Gen KMT5B besonders ins Auge, die signifikant häufiger bei den über 4.000 AML-Patienten als bei den rund 10.500 gesunden Personen der Kontrollgruppe zu finden war. Eine weitere genetische Veränderung im Gen HLA-DQB1 auf dem Chromosom 6p lag signifikant häufiger bei Patienten vor, die die häufigste Unterform der AML-Erkrankung aufwiesen.
„Von einem der entdeckten Risiko-Gene wissen wir, dass es eine wichtige Rolle für die Funktion unseres Immunsystems spielt. Unsere Ergebnisse zeigen daher auch, dass ein funktionierendes Immunsystem uns vor einer AML-Erkrankung schützt, während ein weniger effizientes Immunsystem das Risiko für eine AML-Entwicklung erhöht“, erklärt Prof. Friedrich Stölzel vom Universitätsklinikum Dresden.
„Die in unserer Untersuchung sehr eindeutige Korrelation von genetischen Faktoren und dem Auftreten einer AML-Erkrankung deutet darauf hin, dass bestimmte Erbanlagen ein zentraler Faktor für die Herausbildung einer AML-Erkrankung sind“, sagt Prof. Kenan Onel von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai. Die relevanten genetischen Merkmale sind angeboren und können innerhalb einer Familie weitervererbt werden.
In künftigen Untersuchungen gilt es nun zu untersuchen, welche biologischen Mechanismen ausgehend von den genetischen Veränderungen im Körper in Gang gesetzt werden und wie sie zur Entstehung einer Leukämie beitragen. Auf dieser Grundlage könnten dann künftig möglicherweise neue Strategien zur Vermeidung und Therapie von Leukämien entwickelt werden.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC). Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text hinterlegt.
Bildquelle: Joanna Kosinska, unsplash