Wann ist eine Corona-Infektion für Schwangere am gefährlichsten? Daten aus dem CRONOS-Register zeigen: Besonders in der zweiten Schwangerschaftshälfte scheint das Risiko für einen schweren Verlauf erhöht zu sein.
Schwangere gehören der Hochrisikogruppe an, denn sie haben ein vielfach höheres Risiko für einen schweren Verlauf. Das CRONOS-Register ist in Deutschland federführend für die Datenerhebung von Schwangeren, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind. Auf dem 30. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin vom 24. bis 27. November in Berlin wurden die neusten Ergebnisse vorgestellt.
CRONOS steht für Covid-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study in Germany und ist eine Registerstudie der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin. Sie ist das größte Forschungsnetzwerk der hiesigen Geburtshilfe. 115 geburtshilfliche Zentren haben im Jahr 2020 Daten von Schwangeren mit einer SARS-CoV-2-Infektion eingebracht. Von den insgesamt 773.144 gesamtdeutschen Geburten, deckten die teilnehmenden Kliniken mit 224.647 Geburten nahezu ein Drittel ab.
„Das Potenzial, repräsentative Daten abzuliefern, ist damit durchaus vorhanden“, so Prof. Ulrich Pecks, Vorstandsmitglied von CRONOS. Die Daten werden wöchentlich gesichtet, validiert und geprüft. Nur die Kliniken rekrutieren Patientinnen, so dass infizierte, nicht stationär behandelte Schwangere, erst bei Aufnahme ins Krankenhaus ins Register einfließen. Asymptomatische, nicht getestete Frauen fallen unter die Dunkelziffer und fehlen anteilsmäßig in der Studie.
Insgesamt sind die erhobenen Daten valide, international vergleichbar und werden als Grundlagen für Risikobewertungen genutzt, z.B. von der STIKO.
„Die Wellen stellen sich bei uns im CRONOS-Register genauso dar, wie es in Deutschland per se der Fall ist“, beschreibt Pecks das Infektionsgeschehen unter Schwangeren. Sichtbar wurde, dass in der Spätschwangerschaft deutlich mehr Frauen in den folgenden vier Wochen nach Infektion wegen COVID-19 stationär behandelt werden müssen, als in der Frühschwangerschaft.
Der endscheidende Zeitpunkt ist die 30. Schwangerschaftswoche: Hier beträgt das Hospitalisierungsrisiko aufgrund einer COVID-19 Erkrankung 20 %.
Steckt sich eine Frau in der 30. Schwangerschaftswoche an, hat sie ein Risiko von 10 %, dass sie aufgrund von COVID-19 vorzeitig entbunden wird. Dieses Risiko steigt im weiteren Schwangerschaftsverlauf weiter an. Außerdem scheint eine Infektion um die 30. Schwangerschaftswoche der gefährlichste Zeitraum zu sein.
„Wenn man sich in der 30. Schwangerschaftswoche infiziert, hat man das höchste Risiko einen Intensivaufenthalt wegen COVID-19 zu haben“, so Pecks. Deshalb seine Empfehlung: „Man sieht, dass das Risiko für einen schweren Verlauf in der 2. Schwangerschaftshälfte ganz besonders erhöht ist. Mit anderen Worten: Ganz klarer Appell, vor der 2. Schwangerschaftshälfte vollständig geimpft zu sein. Am besten ist natürlich, geimpft in die Schwangerschaft hineinzugehen.“
In Bezug auf den Nachwuchs gibt es erst einmal Entwarnung. Selten infiziert sich das Neugeborene, noch viel seltener erkrankt es. Es gibt jedoch einige anekdotische Hinweise auf neurogene Störungen, Augenfehlbildungen und man hat noch keine Langzeiterfahrungen.
Allerdings gibt es Sekundärphänomene, wie die Frühgeburtlichkeit. Diese hat sich international in vielen Registern bestätigt. Sie liegt im CRONOS-Register bei allen Frauen bei 14 % (in Deutschland sonst bei etwa 8 %). Betrachtet man nur die symptomatischen Schwangeren, die sich vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche infiziert haben, dann liegt der Anteil mit 18,5 % hoch.
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine symptomatische Schwangere innerhalb von vier Wochen nach einer Infektion entbunden wird und das Kind intensivmedizinisch versorgt werden muss oder verstirbt, steigt um die 30. Schwangerschaftswoche auf 12 % und bleibt bis zum Termin auf diesem Niveau.
Ein telefonisches Follow-Up erfolgt meist 12 Wochen nach der Geburt und vermittelt je nach Zeitpunkt der Infektion einen Beobachtungsraum von bis zu einem Jahr. Infiziert haben sich unter 1 % der Kinder, in der Regel in den ersten Lebenstagen zu Hause.
Es gibt eine CRONOS PLUS Plattform, in die betroffene Frauen ihr individuelles Erleben während der Pandemie auf Basis einer App eingeben können. Außerdem: Das Projekt CRONOS SATELLITES für Patientinnen mit einer COVID-19-Erkrankung vor der Schwangerschaft (33 Fälle) oder für in der Schwangerschaft geimpfte Frauen (420 Fälle).
Am 25.11.2021 waren 161 Kliniken beteiligt, von denen 116 ihre Daten eingebracht haben:
Im aktuellen CRONOS Newsletter werden 27 Totgeburten (ab > 24+0 SSW) und 9 neonatale Todesfällen angegeben.
Auch das Epidemiologische Bulletin des Robert-Koch-Instituts vom 23. September fasst Ergebnisse aus dem CRONOS-Register zusammen. Es wird von vier verstorbenen Frauen berichtet.
Das CRONOS-Register erhebt valide und international vergleichbare Daten zur Situation von SARS-CoV-2 infizierten Schwangeren und ihren Kindern.
Als besonders riskant für einen schweren Verlauf kristallisiert sich die 2. Schwangerschaftshälfte heraus mit einem Peak um die 30. Schwangerschaftswoche. Zu diesem Zeitpunkt haben infizierte Schwangere ein besonders hohes Risiko, intensivpflichtig zu werden. Unmittelbare Folgen für die Kinder sind sämtliche Komplikationen der Frühgeburtlichkeit, die bei symptomatischen Schwangeren deutlich erhöht ist. Die Kinder infizieren sich nach derzeitigem Wissenstand eher selten.
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt dringend eine Impfung ab dem 2. Trimenon, einschließlich einer Boosterung. Der Idealfall ist eine Impfung vor der Schwangerschaft. Für eine negative Beeinflussung reproduktiver Fähigkeiten gibt es keine wissenschaftlichen Evidenzen.
Hier geht es um ein vulnerables Patientengut, das uns besonders am Herzen liegt: Junge Frauen und ihre Familien. Wir sollten alles dafür tun, um Intensivtherapien, Frühgeburtlichkeit und Todesfälle zu vermeiden.
Bildquelle: 傅甬 华, unsplash