Drei ambulante, orale Therapien wetteifern um die erste COVID-spezifische Zulassung. Die FDA blickt morgen in die Molnupiravir-Kristallkugel. Pfizer mischt auch mit. Und dann ist da noch Fluvoxamin.
In einer Welt, in der SARS-CoV-2 endemisch ist, sollen ambulante, orale COVID-19-Medikamente ein wichtiger Pfeiler der COVID-19-Kontrolle sein. Mittlerweile gibt es einige vielversprechende Kandidaten, von denen zumindest einer im Prinzip auch schon einsetzbar wäre. Das Votum der Zulassungsbehörden steht allerdings noch aus, und die Daten sind teils vorläufig und überwiegend unveröffentlicht.
Ein aktueller Wermutstropfen betrifft das MSD-Präparat Molnupiravir. MSD hatte Anfang Oktober per Pressemeldung eine Zwischenanalyse auf Basis von 762 Patienten aus der MOVe-OUT-Studie bekannt gemacht, in der Molnupiravir mit Placebo verglichen wurde, und zwar bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer COVID-19-Erkrankung, die noch nicht im Krankenhaus waren und die mindestens einen Risikofaktor aufwiesen. Die damals kommunizierten Ergebnisse waren sehr eindrucksvoll: 7,3 % der Molnupiravir-Patienten waren bis Tag 29 entweder wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingewiesen worden oder verstorben, gegenüber 14,1 % in der Placebogruppe – eine Risikoreduktion um die Hälfte (p = 0,0012). Noch deutlicher war der Unterschied bei den Todesfällen: Acht Placebopatienten verstarben bis Tag 29, in der Molnupiravir-Gruppe war es kein einziger.
Am Freitag nun wurden, erneut per Pressemeldung, die Ergebnisse der gesamten MOVe-OUT-Kohorte öffentlich gemacht, die 1.433 Patienten umfasst. Und da ist der Unterschied dann doch ein wenig kleiner geworden: 6,8% der Patienten in der Molnupiravir-Gruppe, gegenüber 9,7 % in der Placebogruppe hatten ein primäres Endpunktereignis, eine relative Risikoreduktion um 30 %. Daraus lässt sich eine Number-needed-to-treat von 34 errechnen, bei der initialen Mitteilung waren es noch 14 gewesen.
Das ist schon ein deutlicher und unerfreulicher Unterschied. Allerdings: Der klare Vorteil bei den tödlichen Verläufen blieb bestehen: Aus acht Toten in der Placebogruppe und null Toten in der Verum-Gruppe bei erster Auswertung wurden neun Tote gegenüber einem Toten in der kompletten Kohorte. Zur Wahrheit gehört auch, dass viele andere ambulante Medikamente in anderen Indikationen von einer NNT von 34 für Klinikeinweisungen oder Tod nur träumen können.
Dass trotz Verdopplung des Studienkollektivs in jeder Gruppe „nur“ noch ein Todesfall dazukam, deutet darauf hin, dass in der zweiten Hälfte der Studie möglicherweise Patienten mit weniger hohem Risiko eingeschlossen wurden – was eine denkbare Erklärung für die Abnahme der relativen Risikoreduktion wäre. Wie auch immer, Molnupiravir ist aktuell bei der FDA und der EMA zur Zulassung eingereicht.
Zumindest bei der FDA wird es morgen spannend, denn dann findet eine erste Bewertung von Molnupiravir durch das Antimicrobial Drugs Advisory Committee statt. Heute wurden die Unterlagen online gestellt, damit gibt es jetzt Daten, die deutlich über die Inhalte der Pressemitteilungen hinausgehen. Das Merck-Produkt hat zwei Probleme. Zum einen muss es als antivirales Medikament innerhalb von fünf Tagen ab Symptombeginn gegeben werden, zum anderen ist ein Preis von über 700 US-Dollar in der Diskussion, zumindest in den Industrienationen.
Gibt es Alternativen? Das ist unter anderem das Antidepressivum Fluvoxamin. Fluvoxamin ist ein zugelassenes Medikament, könnte also im Prinzip schon heute eingesetzt werden. Es ist außerdem als Generikum ausgesprochen kostengünstig, auch deswegen hat es einige Fans.
Fluvoxamin wurde in einer Dosis von 2 x 100 mg pro Tag in der TOGETHER-Studie evaluiert, die bereits publiziert ist. Teilgenommen haben ähnlich viele COVID-19-Patienten wie an der MOVe-OUT-Studie mit Molnupiravir. Auch die TOGETHER-Studie war randomisiert, verblindet und placebokontrolliert. Die Ergebnisse galten bisher als schwächer als jene für Molnupiravir. Allerdings sieht die Situation seit den am Freitag publizierten, vollständigen Molnupiravir-Daten etwas anders aus.
Der Infektiologe Prof. David Boulware, der gerade einen umfangreichen Twitter-Thread zu der Thematik der oralen Therapien publiziert hat, sieht die Effekte von Fluvoxamin und Molnupiravir jetzt in ähnlicher Größenordnung: Die TOGETHER-Studie hat eine Risikoreduktion um rund 30 % für Krankenhauseinweisungen beschrieben, es gab 25 Tote in der Placebo-Gruppe und 17 in der Fluvoxamin-Gruppe. Insbesondere das mit den Toten klingt erstmal schlechter. Doch Boulware weist darauf hin, dass die relative Risikoreduktion in der Per-Protokoll-Analyse derer, die die Tabletten zu über 80 % genommen haben, deutlich besser ist. In dieser Teilpopulation sei dann auch das Todesfallverhältnis ähnlich günstig wie in der Molnupiravir-Studie.
Indirekt deutet sich damit ein Problem von Fluvoxamin an: Es wird in hoher Dosis nicht besonders gut vertragen, weswegen in den USA zwei weitere randomisierte Studien laufen, die mit der reduzierten Dosis von 2 x 50 mg Fluvoxamin pro Tag arbeiten. Beides sind komplexe Faktorialstudien, die mehrere Substanzen parallel testen. Da ist zum einen die ACTIV-6 Studie, die aktuell auch noch Fluticason und einmal mehr Ivermectin evaluiert, außerdem die UMN Studie, bei der es um Metformin, Fluvoxamin, Ivermectin und Kombinationen dieser Substanzen geht. Beide Studien rekrutieren noch.
Neben dem günstigen Preis ist der zweite potenzielle Vorteil von Fluvoxamin, dass es, da es nicht direkt antiviral, sondern antiinflammatorisch wirkt, hinsichtlich des Einnahmezeitpunkts etwas flexibler sein könnte. Zumindest gibt es eine Subgruppenanalyse aus der TOGETHER-Studie, die darauf hindeutet, dass es keinen Unterschied in der Effektivität bei Patienten gab, die das Medikament innerhalb von vier Tagen ab Symptombeginn eingenommen hatten im Vergleich zu jenen, die erst vier bis sieben Tage nach Symptombeginn begannen.
Letztlich kann man es allerdings drehen und wenden, wie man möchte: Am Ende werden denkbare Leitlinienempfehlungen „pro Fluvoxamin“ nicht kommen, bevor die beiden genannten Studien abgeschlossen sind. Ob das Medikament bei positivem Studienausgang dann zur Zulassung eingereicht wird, ist, wie immer bei generischen Medikamenten, die nächste Frage. Aber da es problemlos erhältlich ist, wäre off-label zumindest eine unkomplizierte Option.
Bleibt die Nummer drei im Bunde, Pfizers PF-07321332, das auf den Handelsnamen Paxlovid® hören soll. Die Substanz wurde, anders als Molnupiravir, das eigentlich als Grippe- und/oder RSV-Medikament gedacht war, spezifisch für COVID-19 entwickelt. Es hat – wie berichtet – in der vorzeitig nach 1.219 Patienten abgebrochenen Zulassungsstudie EPIC-HR bei Hochrisikopatienten die Krankenhauseinweisungen von 7,0 % auf 0,8 % reduziert, eine sehr gute NNT von 16 Patienten. Null Todesfällen in der Verumgruppe standen sieben Todesfällen in der Placebogruppe gegenüber. Die Herausforderung mit der Frühtherapie ist hier allerdings nochmal ausgeprägter als bei Molnupiravir: Die Patienten wurden innerhalb von nur drei Tagen nach Symptombeginn behandelt. Das muss man erstmal schaffen. Die Behandlungsdauer betrug zehn Tage, gegenüber fünf Tagen bei Molnupiravir. Aktuell laufen für PF-07321332 noch die EPIC-SR Studie für Patienten mit normalem Risiko und die EPIC-PEP Studie für eine Postexpositionsprophylaxe. Molnupiravir wird in der MOVe-AHEAD-Studie in einem Postexpositionsprophylaxe-Szenario evaluiert.
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