Anhand von sehr seltenen Immundefektkrankheiten gelang es Forschern einen Mechanismus von Autoimmunkrankheiten aufzuklären. Die Erkenntnisse könnten helfen, bestehende Therapien gezielter einzusetzen.
Forscher der Universität Freiburg haben einen wichtigen Baustein bei der Entstehung von Autoimmunkrankheiten und chronischen Entzündungen gefunden. Sie untersuchten in einem weltweiten Forschungsverbund rund 200 Patienten, die unterschiedliche, extrem seltene genetische Immundefekte haben. Dabei zeigte sich, dass bestimmte Genveränderungen die Entstehung von speziellen überaktiven Immunzellen verhindern. Die Entdeckung dieser zentralen Mechanismen erlaubt neue Einblicke in die Entwicklung von Immunzellen, die den eigenen Körper angreifen. Bereits zugelassene Therapien wirken auf diesen bislang ungeklärten molekularen Schalter in den B-Zellen des Immunsystems. Die Studie wurde im Fachmagazin Science Immunology veröffentlicht.
„Unsere Erkenntnisse können potentiell helfen, spezifischere Therapien für Autoimmunkrankheiten zu entwickeln und bestehende Therapien gezielter einzusetzen“, sagt Dr. Bärbel Keller, Erstautorin der Studie am Centrum für Chronische Immundefizienz des Universitätsklinikums Freiburg.
Bei chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematodes sammeln sich im Blut von einem Teil der betroffenen Patienten eine Unterform von aktivierten B-Zellen an, die bei Gesunden nur selten vorkommt. Die Freiburger Forscher zeigen nun: Bei Personen, die spezielle Gendefekte des Immunsystems haben, können sich die überaktiven B-Zellen einer überschießenden Immunantwort nicht ansammeln. Laboruntersuchungen bestätigten die Bedeutung dieser molekularen Bausteine für die Immunantwort. „Mit dem neuen Wissen ist es jetzt möglich, gezielter nach Hemmstoffen für diese Signalwege zu suchen und so überschießende Immunreaktionen zu bremsen“, sagt Prof. Dr. Klaus Warnatz, Projektleiter am Centrum für Chronische Immundefizienz und der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie des Universitätsklinikums Freiburg.
Zudem zeigten die Freiburger Forscher, dass einer der zentralen Signalwege den Botenstoff Gamma-Interferon betrifft. In seine Aktivität greifen bereits heute Medikamente der Klasse der JAK-Inhibitoren ein, die beispielsweise bei rheumatoider Arthritis eingesetzt werden. „Die Vermehrung dieser aktivierten B-Zellen im Blut von Patienten mit Autoimmunerkrankungen hilft möglicherweise in der Diagnostik, um Patienten zu erkennen, die von JAK-Inhibitortherapie besonders profitieren. Klinische Studien müssen dies bestätigen“, so Keller.
Die Krankheiten der untersuchten Patienten sind so selten, dass weltweit zum Teil nur zwei oder drei Betroffene bekannt sind. Deshalb war die Suche nach genetischen Veränderungen nur in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl internationaler Kollaborationspartner möglich: „Diese seltenen Patienten mit definierten Störungen des Immunsystems helfen uns, grundlegende Mechanismen des menschlichen Immunsystems zu verstehen und so neue Therapieansätze zu entwickeln“, sagt Warnatz.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Nathan Dumlao, unsplash.