Die neue Corona-Variante ist in Europa angekommen – und mit ihr kommen viele Fragen. Funktionieren unsere Tests bei Omikron? Und welche neuen Einschränkungen kommen auf uns zu? Ein Überblick zur aktuellen Lage.
Am Donnerstag, 24. November 2021, teilte Südafrika erstmals die Entdeckung der SARS-CoV-2-Variante B.1.1.529 mit (wir berichteten). Am Tag darauf nahm die WHO sie bereits in ihrer Liste der Variants of Concern (VOC) auf. Was sich erst auf den afrikanischen Subkontinent beschränkte, ist mittlerweile in mehreren Ländern Europas angekommen.
In den Niederlanden wurde bei mindestens 13 Reisenden aus dem südlichen Afrika nach ihrer Landung in Amsterdam eine Infektion mit der neuen Coronavirus-Variante festgestellt. Insgesamt wurden 61 der Flugpassagiere positiv getestet; die Analysen dazu seien aber noch nicht ganz abgeschlossen. Die Zahl könne noch steigen, erklärte der staatliche Gesundheitsdienst RIVM. Auch in Großbritannien, Schottland, Belgien, Österreich, Italien, Portugal, Frankreich, Dänemark und Tschechien wurden bereits erste Fälle bzw. Verdachtsfälle gemeldet.
Hierzulande sieht es nicht viel besser aus: Nach Angaben des zuständigen Max-Von-Pettenkofer-Instituts wurden zwei Fälle der Omikron-Variante bei zwei Reisenden in Bayern nachgewiesen. Diese kehrten am 24. November mit einem Flug aus Südafrika zurück nach München. Ein weiterer Verdachtsfall traf am nächsten Tag ein, jedoch steht eine endgültige Bestätigung über eine Genomsequenzierung noch aus. In Hessen gibt es ebenfalls zwei bestätigte Verdachtsfälle von Reiserückkehrern, teilte Minister Kai Klose gestern via Twitter mit:
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„Vier weitere hochgradige Verdachtsfälle“ mit Omikron wurden ebenfalls gestern Abend in dem Bundesland gemeldet, allerdings warte man da noch auf die Sequenzierung, erklärte Virologin Sandra Ciesek.
Auch NRW ist in Alarmbereitschaft: „In Nordrhein-Westfalen wurde sie bisher noch nicht nachgewiesen, es gibt aber in Essen und in Düsseldorf erste Verdachtsfälle, die jetzt mittels Sequenzierung überprüft werden“, so NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann gegenüber der Rheinischen Post. Auch im Kreis Kleve wurde ein Omikron-Verdachtsfall gemeldet. „Wir haben die Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen bereits informiert, dass auch für vollständig geimpfte Personen Quarantäne angeordnet werden soll, wenn Kontakt zu einer Person mit der Omikron-Variante bestand. Ziel ist es, die Weiterverbreitung der Virusvariante zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen“, so Laumann. Insgesamt handelt es sich um sechs Verdachtsfälle, sagte der Ministeriumssprecher auf Anfrage der dpa.
Nicht nur Afrika und Europa sind betroffen; in Israel, Australien, Hong Kong und Kanada wurden ebenfalls schon erste Omikron-Fälle gemeldet. Ob das Virus tatsächlich aus Südafrika stammt, ist derzeit noch unbekannt.
Nach der Einschätzung der WHO gehe aktuell ein „sehr hohes“ Risiko von der Variante Omikron aus; dabei sei die Wahrscheinlichkeit einer globalen Ausbreitung sehr groß. Dies geht aus einem Schreiben der WHO an ihre 194 Mitgliedsstaaten hervor.
Es sei mit steigenden COVID-19-Fallzahlen zu rechnen. Die WHO rief dazu auf, das Impftempo zu beschleunigen – insbesondere bei Hochrisikogruppen. Es sollten Pläne zur Eindämmung entworfen werden, damit die wesentlichen Teile des Gesundheitssystems nicht kollabieren.
Angesichts der vielen Mutationen im Spike-Protein seien die potenziellen Auswirkungen auf den Verlauf der Pandemie besorgniserregend. Beobachtungen und Forschungen müssen daher ausgeweitet werden, um die zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten – einschließlich Omikron – besser zu verstehen.
Nicht nur die Ausbreitung der SARS-CoV-2-Variante B.1.1.529 sorgte für Diskussionen, auch die Namensgebung. So wurden mit der Benennung Omikron ganze zwei Buchstaben des griechischen Alphabets übersprungen – aber warum? In erster Linie ginge es darum, Missverständnisse und Stigmatisierungen zu vermeiden.
Bereits mit der Entscheidung, griechische Buchstaben zu verwenden sollte verhindert werden, dass die Orte, an denen die Varianten erstmals detektiert werden, stigmatisiert werden. Die Buchstaben „Ny“ und „Xi“ wären allerdings vor Omikron an der Reihe gewesen. Doch Ny klinge zu sehr nach dem englischen Begriff „new“ und sei daher, laut WHO, missverständlich. „Xi wurde nicht verwendet, weil es ein verbreiteter Nachname ist“, erklärte die WHO. Die Varianten-Bezeichnungen sollten keine ethnischen oder regionalen Gruppen verletzen. Der Name Xi ist insbesondere unter Han-Chinesischen Bevölkerungsgruppen gebräuchlich und hat mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping einen bedeutenden politischen Namensträger.
Omikron und seine vielen Mutationen sind Grund zur Sorge – aber Befürchtungen, dass das Virus nicht mehr nachgewiesen werden kann, scheinen sich nicht zu bestätigen. Die überwiegend eingesetzten Antigen-Schnelltest wirken auch bei Omikron, das veranschaulichte Virologin Ciesek:
Nach ihren Angaben handelt es ich um die Tests der Herstelle Roche, Siemens und Flowflex. Durchgeführt wurden sowohl ein Nasen- als auch Rachenabstrich. Laut Ciesek seien die Tests alle positiv, wobei der Nachweis von Siemens bereits nach 20 Sekunden positiv ausgefallen ist und nicht die gängigen 15 Minuten benötigte. Diese Ergebnisse gelten aber nicht für die Tests anderer Hersteller; das Paul-Ehrlich-Institut gab vor zwei Wochen an, dass die Selbsttests eine variierende Sensitivität aufweisen. Jedes fünfte Produkt sei demnach durchgefallen.
Auch drei PCR-Systeme können die Omikron-Variante detektieren:
Die Angaben zu den Testsystemen und entsprechenden Zielgenen gelten für die Hersteller Roche, Abbott und Genexpert.
Derweil zerbricht sich die Politik den Kopf über härtere Maßnahmen zur Eindämmung der explodierenden Infektionszahlen. Um keine Zeit zu verlieren, soll der von der Ampel-Koalition geplante Corona-Krisenstab noch vor Amtsantritt der Regierung aus SPD, Grünen und FDP seine Arbeit aufnehmen.
Das Gremium soll „einen neuen, präzisen Umgang mit den aktuellen Herausforderungen zu Corona und Omicron“ entwickeln, kündigte der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf Twitter an. „Wir werden alles tun, was nötig ist. Es gibt nichts, was nicht in Betracht gezogen werden kann“, so Scholz. Eine wichtige Aufgabe des Gremiums soll es sein, die Impfkampagne stärker voranzutreiben.
Bereits zu „zu Beginn dieser Woche“ solle der Krisenstab loslegen, sagte SPD-Chefin Saskia Esken im BR. Sie äußerte sich zuversichtlich, dass auch die FDP strengere Corona-Maßnahmen mittragen würde.
An der Spitze des Krisenstabes soll ein General stehen. Das sagte Linder am Sonntagabend in der ARD-Sendung Anne Will und bei Berlin direkt im ZDF. Im Gespräch für die Leitung des Stabes sei Generalmajor Carsten Breuer, heißt es in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. Der 56-Jährige ist Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, das für Einsätze der Streitkräfte im Inland zuständig ist.
Für härtere Maßnahmen spricht sich die Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einem fünfseitigem Papier mit dem Titel „Klare und konsequente Maßnahmen – sofort!“ aus. Sie kritisiert darin das nationale Pandemiemanagement harsch. Die Wissenschaftler fordern angesichts der „verschärften Eskalation der COVID-19-Krise“ sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen. „Selten hat man aus Wissenschaftlerperspektive einen so eindeutigen Widerstand gegen die offizielle Pandemiepolitik gelesen“, kommentiert die FAZ.
Konkret fordern die Experten der Leopoldina, Kontakte von Beginn der kommenden Woche an für wenige Wochen deutlich zu reduzieren. Vorübergehend müssten diese Maßnahmen auch für Geimpfte und Genesene gelten. Diese Zeit der Kontaktbeschränkungen müsse dann „für eine massive Erstimpfungskampagne und Auffrischungsimpfungen genutzt werden“, heißt es in der Stellungnahme.
In Situationen, in denen sich persönliche Kontakte nicht vermeiden ließen, sei eine „generelle Maskenpflicht – idealerweise mit FFP2-Masken – sowie eine konsequente Durchsetzung der 2G-Regeln und Anwendung der AHA+L-Regeln unvermeidlich“. Außerdem spricht sich die Akademie für die Einführung einer stufenweisen Impfpflicht aus.
Die Lage ist angespannt, die Rufe nach einem schnellen Treffen der Spitzen von Bund und Ländern werden lauter. Jetzt steht fest: Der nächste Corona-Gipfel wird vorgezogen. Bereits am Dienstag (30. November 2021) schalten sich Angela Merkel, Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder telefonisch zusammen. Ursprünglich war die nächste Ministerpräsidentenkonferenz erst für den 9. Dezember 2021 angesetzt.
Bei der für 13 Uhr angesetzten Abstimmung soll demnach die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Bundesnotbremse besprochen werden. Das berichten mehrere Medien unter Berufung auf Regierungskreise.
Die Karlsruher Richter wollen dann ihre ersten Hauptentscheidungen zur Corona-Bundesnotbremse veröffentlichen, die von April bis Juni dieses Jahres in Kraft war. Dabei soll es um Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie Schulschließungen unter der Corona-Bundesnotbremse gehen. Mit der Entscheidung könnte klarer werden, welche Mittel der Politik für schärfere Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Laut SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sei eine Schließung von Bars, Clubs und Diskotheken in der aktuellen Situation unumgänglich.
Außerdem stellte er eine verbindliche Maskenpflicht an Schulen in Aussicht. Das kündigte Lauterbach im Fernsehsender Phoenix an. In NRW erklärte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bereits, die Maskenpflicht werde wieder eingeführt.
Die aktuelle bundesweite 7-Tage-Inzidenz liegt laut Angaben des RKI bei 452,4 – wobei sich diese innerhalb der Bundesländer stark unterscheidet. So liegt sie in Sachsen bereits bei 1284,8 und in Schleswig-Holstein bei 151,3. Innerhalb eines Tages verzeichneten die Ämter 29.364 neue COVID-19-Fälle, sowie 73 neue Todesfälle.
Zudem gab das RKI an, dass 21.264 Betten von 24.576 belegt seien. Davon sind 4.459 Intensivpatienten, das entspricht etwa 21 % der belegten Betten. Wiederum davon werden 2.282, bzw. 51 % der COVID-19-Intensivpatienten, invasiv beatmet. Die Hospitalisierungsinzidenz liegt dadurch bei 5,52. Am höchsten ist sie mit 18,2 in Thüringen, am niedrigsten in Hamburg mit 1,6.
Mittlerweile sind mindestens 56,9 Millionen Menschen bzw. 68,4 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Etwa 59,2 Millionen Personen bzw. 71,2 Prozent haben eine oder mehrere Impfdosen erhalten. Die aktuell höchste Impfquote liegt mit 82,8 Prozent in Bremen, in Sachsen ist sie hingegen mit 60,5 Prozent am niedrigsten.
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Jane Schulz entstanden.
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