Könnte man Krebswachstum frühzeitig erkennen, hätten Therapien größere Erfolgschancen. Mittels Infrarot-Spektroskopie konnten Forscher nun molekulare Spuren nachweisen, die Gewebetumore in unserem Blutkreislauf hinterlassen.
Krebsläsionen in ihrem weniger aggressiven Frühstadium aufzuspüren, eröffnet valide medizinische Behandlungsmöglichkeiten. Neben dem radiographischen visuellen Nachweis von Tumorgewebe und neben der invasiven Entnahme von Gewebeproben zur histologischen mikroskopischen Begutachtung zielen moderne Diagnoseverfahren häufig auf die nicht-invasive Krebserkennung makroskopisch unsichtbarer molekularer Veränderungen ab.
Tumoren sondern abnorme Stoffwechselprodukte und Botenstoffe in ihre Umgebung ab. Ebenso interagieren sie mit benachbarten gesunden Zellen, später auch mit unseren Immunzellen und Blutgefäßen und beeinflussen dadurch Art und Menge vieler weiterer Moleküle, die schließlich in unseren Blutkreislauf gelangen. Das gilt auch, wenn ein Tumor noch auf ein Organ beschränkt und nicht metastatisch ist. Die Identifizierung, welche Moleküle in welchen Kombinationen als Krebsindikatoren fungieren können – ein grundlegender Fokus für medizinische Diagnostik und Pharmaindustrie– bleibt jedoch eine Herausforderung.
Die BIRD-Forschungsgruppe hat in Zusammenarbeit mit Ärzten der LMU-Kliniken dazu einen Artikel im Journal eLife veröffentlicht. Eine winzige Menge einer Blutprobe fließt bei ihrer Methode in eine Küvette und wird mit Infrarotlicht durchleuchtet. Die komplexen Veränderungen in den daraus resultierenden Lichtwellenmustern werden als Funktion der Identität und Anzahl der hunderttausend verschiedenen Moleküle, die in der Blutprobe gelöst sind, quantifiziert und mit Hilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens ausgewertet.
Dieser Ansatz resultiert in der Bestimmung einer Signatur, die für die Blutprobe einer Person derart charakteristisch ist, dass sie als molekularer Fingerabdruck bezeichnet wird. Frühere Arbeiten des BIRD-Teams haben bereits gezeigt, dass solche molekularen Infrarot-Fingerabdrücke bei wiederholten Blutabnahmen ein und derselben Person in hohem Maße reproduzierbar sind.
Die Wissenschaftler mussten nahezu zweitausend Personen untersuchen, um den Unterschied zwischen dem durchschnittlich gesunden Fingerabdruck und dem durchschnittlich kranken Fingerabdruck festzulegen. Mittels einer klinischen Fall-Kontroll-Studie wurde dazu vergleichendes molekulares Infrarot-Fingerprinting bei Proben von Patienten mit unabhängig diagnostiziertem Lungen, Prostata-, Brust- oder Blasenkarzinom durchgeführt.
Die neue Studie zeigt, dass der Infrarot-Fingerabdruck von Blut erstaunlich robust den Krebszustand erkennen lässt. Das Spannende daran ist, dass Infrarot-Fingerabdrücke nicht nur zur Erkennung von Krebs, sondern auch zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Krebsarten verwendet werden können. Dies bedeutet, dass jede untersuchte Krebsart spezifische molekulare Veränderungen ausgelöst hat.
Könnte der Ansatz eines Tages in die Kliniken Einzug halten? Die Methode ist zwar noch weit von der täglichen Anwendbarkeit entfernt, aber die Studie untermauert die Erwartung, dass Infrarot-Fingerprinting in Zukunft als komplementärer diagnostischer Test, oder sogar zur Krebsvorsorge dienen könnte. Wie wäre das möglich? Dazu konnte der Ansatz etwa niedriggradige Krebserkrankungen aufspüren, die mit den derzeitigen Screening-Tests unzureichend abgedeckt werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Originalpublikationen haben wir euch im Text verlinkt.
Bildquelle: George Prentzas, Unsplash