Schon mal was von motivierender Gesprächsführung gehört? Eine kleine Erhebung in Schweden ergab, dass Tierärzte in Sachen Kommunikation durchaus noch dazulernen können.
Kommunikation ist in der Tierarztpraxis unerlässlich – schließlich sollen sich Tierbesitzer im Idealfall an die Therapieempfehlungen des Tierarztes halten. Auch bei der Fütterung und Pflege ihrer Tiere sollten sich Besitzer auf den Rat des Tierarztes verlassen können und selbst davon überzeugt sein, so das Bestmögliche für ihr Tier zu tun. Aber wie schafft man es, Tierbesitzer auf seine Seite zu holen? Das analysierten Forscher aus Schweden nun in einer kleinen Studie.
Eine Art, die Kommunikation zwischen Arzt und Patient (oder in diesem Fall Patientenbesitzer) aufzuschlüsseln, sind die vier Modelle von Ezekiel und Linda Emanuel:
Die Autoren der schwedischen Studie schreiben: „Traditionell ist der häufigste Kommunikationsansatz im klinischen Umfeld der Paternalismus, bei dem der Tierarzt die Agenda für den Termin festlegt und davon ausgeht, dass die Werte des Kunden die gleichen sind wie seine. Er nimmt quasi eine bevormundende Rolle ein. In einer solchen Beziehung führt der Tierarzt die meisten Gespräche, während der Kunde eine eher passive Rolle einnimmt und sich auf den Zustand des Tieres, die Diagnose, die Behandlung und die Prognose konzentriert. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dieser ‚überredende‘ Ansatz unwirksam ist und bei unentschlossenen Kunden eher den Widerstand gegen Veränderungen verstärkt.“
Bei der motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing; MI) handelt es sich um eine klientenzentrierte, evidenzbasierte Beratungsmethode, die darauf abzielt, die Motivation und das Engagement einer Person für erwünschte Verhaltensänderungen zu stärken. Der Schwerpunkt liegt hier eher auf einem kooperativen Verhältnis und gemeinsamer Entscheidungsfindung, wobei der Arzt als Berater fungiert. „Bisherige Daten deuten darauf hin, dass der paternalistischer Ansatz nach wie vor die häufigste Art der Kommunikation in der tierärztlichen Praxis ist und die klientenzentrierte Kommunikation bisher in diesem Bereich unzureichend ist“, schreiben die Autoren.
In einer kleinen Erhebung untersuchten Enlund und ihre Kollegen deshalb, in welcher Form schwedische Kleintierärzte mit Hundebesitzern in ihrer Sprechstunde kommunizieren. In den Beispielgesprächen ging es darum, die Besitzer von einer regelmäßigen häuslichen Zahnpflege bei ihren Hunden zu überzeugen. Hierfür zeichneten sie Telefongespräche zwischen 8 Kleintierärzten und einem von einem Schauspieler gespielten Hundebesitzer auf und analysierten diese im Hinblick auf die Anwendung von motivierenden Gesprächstechniken.
Der Anteil der spontan verwendeten MI war bei allen Tierärzten gering. Die Tierärzte dominierten die Gespräche und unternahmen nur minimale Versuche, den Hundehalter einzubeziehen, was zu einem Machtungleichgewicht zwischen Tierarzt und Patientenbesitzer führte. Die Kommunikationsmuster der Tierärzte ließen auf einen paternalistischen Kommunikationsstil schließen, wenn sie versuchten, einen Besitzer zum Zähneputzen seines Hundes zu motivieren.
Die Beratungsansätze der teilnehmenden Tierärzte waren vor allem durch Informationsvermittlung, Überredungstechniken und Nachfragen gekennzeichnet. Die Tierärzte versuchten nur selten, den Besitzer in seinen Aussagen zu bestätigen und nur wenige von ihnen zeigten Anhaltspunkte für Zusammenarbeit. Keiner der Tierärzte bediente den Aspekt der Autonomie des Tierbesitzers. Aber auch konfrontatives Verhalten wurde von keinem der Tierärzte gezeigt. Hierzu zählen Widerspruch, Streitlust, Schuldzuweisung, Kritik, Moralisieren oder Warnen. Insgesamt waren die Ergebnisse bei allen teilnehmenden Tierärzten sehr ähnlich.
Die meisten Tierärzte zeigten sich empathisch, stellten Fragen und versuchten, die Situation und die Gedanken des Tierbesitzers zu verstehen. Beispiele waren Fragen wie: „Was halten Sie davon, könnte das funktionieren?“ oder „Wie läuft es mit dem Zähneputzen?“ Auf die Eigenmotivation des Besitzers ging keiner der Tierärzte ein. Das hätte laut der Autoren beispielsweise mit Fragen nach den Gründen für die Notwenigkeit der Maßnahmen passieren können. Außerdem dominierten alle Tierärzte (8/8) die Gespräche und hatten den größten Redeanteil. Um eine höhere Punktzahl im Bereich „Partnerschaft“ zu erreichen, hätten die Tierärzte den Besitzer bestätigen können, wenn er seinen Willen zur Veränderung zum Ausdruck brachte und seine Bemühungen und Erfolge anerkennen können.
Partnerschaft und gemeinsame Entscheidungsfindung werden in der tierärztlichen Versorgung nach neueren Forschungsergebnissen auch in Deutschland sowohl von Tierärzten als auch von Tierhaltern bevorzugt. Die Tierärzte in der vorliegenden Studie reagierten jedoch überwiegend oberflächlich auf Gelegenheiten zur Zusammenarbeit, was zu niedrigen Punktzahlen im Bereich Partnerschaft führte. Die Tierärzte in der Studie stützten sich stark auf Fragen, bei denen es sich aber fast ausschließlich um geschlossene Fragen handelte. „Durch die Umformulierung der Fragen in offene Fragen bestünde die Möglichkeit, Gespräche über Veränderungen anzuregen, Partnerschaften zu stärken und so Verhaltensänderungen zu fördern“, erklären die Autoren.
Darüber hinaus bemühten sich nur wenige Tierärzte der Erhebung um eine Zusammenarbeit. Dies wäre mit Versuchen einhergegangen, Macht in Form von Kompetenz zu teilen oder das Fachwissen des Besitzers anzuerkennen. „Ohne das Streben nach Zusammenarbeit kontrolliert der Tierarzt das Gespräch in der Annahme, dass er die besten Lösungen für die Probleme des Tieres hat, was zu einer ungleichen Machtverteilung zwischen Tierarzt und Tierbesitzer führt. Es hat sich gezeigt, dass ein solcher Ansatz ineffektiv ist und den Widerstand gegen Veränderungen bei ambivalenten Kunden verstärkt“, so die Autoren.
Schafft es der Tierarzt jedoch, das Bedürfnis nach Autonomie beim Besitzer zu befriedigen, kann er so dessen Motivation steigern, eine Maßnahme auch umzusetzen. Im Versuch schaffte es keiner der Tierärzte, an die Autonomie des Besitzers zu appellieren. Dies hätte erreicht werden können, indem sie ihm Wahlfreiheit bzw. das Recht eingeräumt hätten, eigene Entscheidungen über seinen Hund zu treffen.
Die schwedischen Autoren sehen in der Technik der motivierenden Gesprächsführung großes Potential, die tierärztliche Kommunikation und so auch die Einhaltung medizinischer Empfehlungen auf Seiten der Besitzer zu verbessern. Sie schreiben: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei mehreren Verhaltensweisen in der tierärztlichen Kommunikation Verbesserungspotenzial gibt. Ermutigend ist jedoch, dass alle diese Verhaltensweisen durch Kommunikationstraining verbessert werden können.“
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