Ein Therapieansatz aus der Immunonkologie könnte bald auch Herzpatienten helfen. Mit der sogenannten Makrophagen-Checkpoint-Hemmung soll das Immunsystem kranke oder sterbende Zellen effektiver entfernen.
Fortschritte auf dem Gebiet der Immunonkologie könnten künftig auch neue Wege in der Behandlung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen eröffnen. Maßgebliche Schritte dazu hat ein Team aus Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Kai-Uwe Jarr (Abteilung für Kardiologe, Angiologie und Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Universität Stanford, USA), und Prof. Nicholas J. Leeper (Universität Stanford) gefunden. Die Forscher untersuchten, inwiefern ein gegen den Zelloberflächen-Marker CD47 gerichteter und bereits in der Krebstherapie bei Tumorpatienten eingesetzter Antikörper (Magrolimab in Kombination mit Rituximab) auch für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, genutzt werden kann.
Im Zentrum der Arbeit steht die Idee der Makrophagen-Checkpoint-Hemmung. Die Forschungsergebnisse sind kürzlich im New England Journal of Medicine erschienen. „Unsere Arbeit zielt darauf ab, Regulatoren der Immunüberwachung zu finden und therapeutisch zu beeinflussen, um kranke oder sterbende Zellen besser zu entfernen“, sagt Jarr. Das Team zeigte nach eigenen Angaben zum ersten Mal an Menschen, dass eine Blockade von CD47 zu einer Verringerung der Gefäßentzündung beitragen kann und sich somit möglicherweise positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt.
Die ersten Untersuchungen an neun Patienten mit jeweils unterschiedlichen Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck, Arteriosklerose, koronare Herzkrankheit (KHK) und Herzinfarkt deuten darauf hin, dass eine Makrophagen-Checkpoint-Hemmung das Entfernen von entzündetem Gewebe aus dem Gefäßplaque reaktivieren kann. „Weitere klinische Studien sind nun notwendig, um zu zeigen, inwiefern diese Therapieoption das Auftreten von Plaques und das Risiko von Schlaganfällen und Herzinfarkten verringern kann“, erklärt Jarr.
Einer der Hauptakteure des Immunsystems sind Immunzellen – Makrophagen, die Körperzellen verschlingen, die nicht als spezifisch für einen gesunden Körper gekennzeichnet sind. Einer der wichtigsten Oberflächenmarker, der intakte Körperzellen vor dem Angriff von Makrophagen schützt, ist das Molekül CD47. Theoretisch fehlt überall dort, wo die Zelloberfläche fremd oder verändert ist, der CD47-Marker. Die Zellen werden daher von Makrophagen verschlungen und entfernt.
Von Tumorerkrankungen ist bekannt, dass dieser Prozess des Immunsystems gestört ist: Viele Krebszellen präsentieren nämlich auf ihrer Oberfläche zu viel CD47, so dass diese Zellen fälschlicherweise als intakt bewertet und vom Immunsystem nicht entfernt werden. Auf dem Gebiet der Immunonkologie hat man sich diese Erkenntnis für die Entwicklung neuer Therapien zunutze gemacht. Mittlerweile weiß man, dass es auch bei anderen chronischen Erkrankungen wie Arteriosklerose zu dieser Störung im Immunsystem kommen kann. Bei KHK als Folge der Arteriosklerose kommt es in einem schleichenden Prozess zu entzündlichen Gefäßwandveränderungen durch Plaques, die Verkalkungen, Bindegewebe und Cholesterin enthalten. Dadurch verengen sich die Herzkranzgefäße und die Durchblutung des Herzens wird – je nach Schweregrad bis hin zum Herzinfarkt – behindert.
Auch bei Arteriosklerose ist das Entfernen erkrankter Zellen durch Makrophagen gestört. Untersuchungen konnten bereits zeigen, dass Signalstoffe des Immunsystems, welche bei lokalen und systemischen Entzündungen beteiligt sind, zu einer übermäßigen Präsentation von CD47 beitragen. „Normalerweise würden Makrophagen erkrankte und sterbende Zellen, die die Plaquebildung fördern, ‚wegräumen’“, erklärt Jarr. „Die übermäßige Präsentation des CD47-Signals führt jedoch dazu, dass sich auch hier die erkrankten Zellen dem Immunsystem entziehen.“
Derzeitige Therapien bei Arteriosklerose konzentrieren sich auf Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und Risikokrankheiten wie Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Diabetes und Adipositas. „Aber was wäre, wenn die Möglichkeit bestünde, den ,Appetit’ der Makrophagen zu erhöhen beziehungsweise die übermäßige Präsentation der ,Don't eat me’-Signale therapeutisch zu beeinflussen und damit die Plaquebildung sowie die Gefäßentzündung zu reduzieren? Genau das ist das Prinzip der Makrophagen-Checkpoint-Hemmung“, erklärt Jarr.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung/Deutschen Stiftung für Herzforschung. Die Originalpublikation haben wir euch im Text und hier verlinkt.
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