Ein Kunde kommt mit einem Rezept für Ivermectin in die Apotheke – und gibt offen zu, dass er es im Corona-Fall nehmen will. „Sie wissen aber, dass das nicht wirkt bei Covid?“, sage ich. Darauf er empört: „Das sagen Sie!“
Die Woche in der Apotheke war mal wieder geprägt von Corona (nicht dem Bier) – meine Highlights.
Seit dem 16. November kann man bei uns in der Schweiz ein Genesenen-Zertifikat bei positivem Antikörpertest erhalten. Drei Monate ist der Nachweis dann gültig. Wir bieten die AK-Tests ja seit März dieses Jahres an, aber jetzt sind wir ausgebucht. Wir machen im Halbstundentakt Tests – ohne Mithilfe im Vorbereiten durch die Pharmaassistenten wäre das kaum machbar. Auch so bleibt vieles andere im Hintergrund momentan schon liegen.
Es ist übrigens sehr interessant, welche Leute das Angebot anzieht. Ungeimpfte hauptsächlich (natürlich). Bisher hatte ich eine Person, die geimpft war und nicht das Zertifikat wollte, sondern nur „mal sehen, wie hoch ihre Antikörper noch sind nach der Impfung“. Das zeigt es zwar an, allerdings kann man daraus (leider) nicht zwingend auf den Impfschutz schließen.
Genervt hat mich die Werbe-Email meines ehemaligen Chefs der Apotheke – er hatte schon immer Schwurbel-Tendenzen, gehört zu einer Sekte, macht in Nahrungsergänzungsmitteln und arbeitet mittlerweile voll damit im Eigenvertrieb und nicht mehr in der Apotheke. Wir bekommen seine Werbemails und seit der Pandemie ist er leider endgültig abgedriftet. Schon vor ein paar Monaten hat er für „Badeperlen mit Lithium“ (zum Einnehmen!) und Immunsystem-Boosterpacks für viel Geld gegen COVID-19 geworben. In der neusten Werbemail beschreibt er nun die Antikörpertests als Möglichkeit, dem „Impfzwang“ zu entgehen. Wir haben keinen Impfzwang … langsam muss ich sagen: leider.
Ivermectin wird auch in der Schweiz zum Thema. Das Mittel gegen Parasiten wird in gewissen Kreisen als Wundermittel gegen das Coronavirus gepuscht, das angeblich nur deshalb von der Pharmaindustrie nicht eingesetzt wird, weil sich damit kein Geld verdienen lässt (gibt es schon lange, da ist der Patentschutz abgelaufen).
Als Argument für Ivermectin wird angeführt, in Indien seien damit gute Erfahrungen gemacht worden. Das Mittel wurde aber bereits auf die Wirksamkeit gegen COVID-19 überprüft und eine Nutzen-Risiko-Abschätzung liegt vor. Das eigentlich bekannte Ergebnis: Es wurde keine Empfehlung für den Einsatz in diesem Zusammenhang ausgesprochen (man könnte auch sagen, es ist hier wirkungslos). Deshalb wird es im Corona-Fall weder in Kliniken eingesetzt, noch von Ärzten verschrieben. Gegen Würmer (bei Tieren) und starke Krätze (beim Menschen) wird es weiterhin eingesetzt – vorausgesetzt, es ist noch erhältlich. In den USA und auch in Europa (Österreich) ist es mittlerweile oft ausverkauft. Manche sind dazu übergegangen, dass es nur noch an Leute mit Foto von sich und Tier (meist Pferd) abgegeben wird.
Deshalb bin ich auch etwas irritiert, als ich dieses Rezept erhalte:
Das ist für Mittel mit Ivermectin, „große Packung“ ist jetzt nicht wirklich definiert und hört sich für mich nach Wunschrezept an. Und die Dosierung ist nicht das, was ein Arzt schreiben würde, wenn es wirklich gegen Krätze eingesetzt werden soll. Das Rezept ist außerdem ein paar Wochen alt.
Ich informiere den Patienten, dass ich das Mittel aus dem Ausland besorgen muss – in der Schweiz sind keine Tabletten mit Ivermectin im Handel. Und dass das ein paar Tage dauern wird (kein Problem, meint er, das sei auch nur für den „Fall“). Auf meine Bemerkung, dass er das selber zahlen müsse, ernte ich leichtes Gegrummel: „Aber ich habe ein Rezept!“ Ja, der Arzt kann das auf ein Rezept schreiben, das heißt aber nicht automatisch, dass die Krankenkasse das bezahlt.
Da ich ihn gefragt habe, weiß ich, dass er das Mittel tatsächlich im Corona-Fall nehmen will. „Sie wissen aber, dass das nicht wirkt bei Covid?“ Darauf er: „Das sagen Sie!“ Ich: „Ja, ich und die Wissenschaftler, die sich das angeschaut haben.“
Ich kläre ab. Es ist erhältlich – eine Packung mit 8 Tabletten kostet ihn etwa 150 Franken. 3 Packungen sind aufgeschrieben. Nein, billig ist anders.Da will er das Rezept wieder … er versucht, es selber in Deutschland einzulösen.
Samstag hatten wir dann noch ein „Highlight“ – vielleicht sollte ich sagen „Lowlight“, aber das Wort existiert wahrscheinlich nicht. Eine aufgebrachte Frau steuert in der Apotheke direkt den Lehrling an und fragt ihn: „Impfen Sie hier gegen Grippe?“
Er: „Ja.“Sie: „Draußen ist ein Obdachloser, würden Sie ihn gratis impfen?“
Er (nachdem er mich angefragt und ich ihm negativen Bescheid gegeben habe): „Nein, zumindest der Impfstoff müsste bezahlt werden.“
Sie fängt an, laut zu werden: „Aber dem Mann geht's schlecht! Er ist absolut krank … Sie sind schuld, wenn er jetzt deswegen stirbt!“
Umm, nein. Ich darf niemanden impfen, der nicht gesund ist. Ich impfe niemanden, der sich am Impftag schlecht fühlt. Der Frau ist wohl nicht klar, dass eine Grippeimpfung (wie so ziemlich jede Impfung) keine Krankheitsbehandlung, sondern eine prophylaktische Maßnahme ist.Sie hat nicht einmal angeboten, die etwa 20 Franken selber zu bezahlen oder etwas anderes für den Obdachlosen zu kaufen. Der Lehrling hat ihr dann vorgeschlagen, einen Krankenwagen zu holen. Wollte sie natürlich auch nicht, noch ihn an eine Stelle bringen, die ihm vielleicht helfen könnte.
Leute gibt's, so viele uninformierte und irren Fake News auf den Leim gehende Leute.
Bildquelle: Christina Victoria Craft, unsplash