Adipöse Patienten mit kolorektalem Karzinom haben nach einer Chemotherapie schlechtere Überlebenschancen. Könnte Unterdosierung eine Erklärung für die schlechteren Ergebnisse sein?
Die Beziehung zwischen Fettleibigkeit und Krebs ist komplex. Ein hoher Körperfettanteil bringt nicht nur viele metabolische Folgen mit sich, sondern kann auch die Ursache von Krebserkrankungen sein. Besonders im Zusammenhang mit kolorektalen Karzinomen (CRC) scheint Adipositas nicht lediglich krebsfördernd, vielmehr auch ausschlaggebend für den Therapieerfolg zu sein.
Eine adjuvante Chemotherapie hat das Potenzial, Patienten mit metastatischen Resterkrankungen nach einer Operation zu heilen. Daher ist es wichtig, dass der Nutzen für alle Patienten maximiert wird. Idealerweise stimmen Onkologen eine Chemotherapie ganz individuell ab. Dabei werden Begleiterkrankungen, Tumorgröße, Nierenfunktion, Fitness und viele weitere Faktoren mit einberechnet. Die genaue Dosierung richtet sich auch nach der Körperoberfläche einer Person, die anhand ihrer Größe und ihres Gewichts berechnet wird. Bei adipösen Patienten werden die Dosen aber oft gedeckelt, weil man befürchtet, dass hohe Dosen die Nebenwirkungen verstärken. Das bedeutet, dass adipöse Patienten verhältnismäßig niedrigere Dosen der Chemotherapie erhalten und potenziell „untertherapiert“ werden.
In einer Studie untersuchte das Team für gastrointestinale Onkologie am Addenbrooke's Hospital in Cambridge, die individuellen Daten von mehr als 7.000 Patienten mit Dickdarmkrebs aus vier randomisiert-kontrollierten Studien. An allen Studien nahmen Patienten mit lokalisiertem Kolon- oder Rektumkarzinom teil, die sich einer kurativen Resektion mit anschließender adjuvanter Chemotherapie unterzogen hatten. Neben dem BMI als Indikator für das Übergewicht analysierten die Forscher zwei wichtige Größen bei der Chemotherapie-Dosierung: Die kumulative Dosis (ACRD) ist die gesamte Dosis, die auf den Körper einwirkt; und die relative Dosisintensität (ARDI), welche die verabreichte Menge an Chemotherapeutikum (in mg pro qm Körperoberfläche) pro Woche angibt. Die an den Patienten gemessenen Dosen wurden anschließend mit der Referenzdosis (Solldosis) verglichen, um Verluste und eine potenzielle „Untertherapie“ zu erkennen.
Sie fanden heraus, dass die Überlebensaussichten von der kumulativen Dosis, nicht aber der Dosisintensität der adjuvanten Chemotherapie abhängig waren. Je mehr also am Ende im Körper ankam, desto besser für das Überleben: Eine 5-prozentige Erhöhungen der ACRD waren mit signifikanten Verbesserungen des krankheitsfreien Überlebens (Hazard Ratio [HR], 0,953), des Gesamtüberlebens (HR, 0,931) und des krebsspezifischen Überlebens (HR, 0,941) verbunden.
Außerdem zeigte die Studie, dass jede Zunahme des Body-Mass-Index um 5 kg/m2 zu einer Verringerung der Dosisintensität und der kumulativen Dosis der adjuvanten Chemotherapie um etwa 1 Prozent führte. Diese klein erscheinenden Verringerungen würden einer Abschwächung der Dosisintensität und der kumulativen Dosis um etwa 4 bis 5 Prozent entsprechen, wenn man einen normalen BMI mit einem krankhaft fettleibigen BMI vergleicht.
Die Ergebnisse stimmen mit den kürzlich erneuerten ASCO-Leitlinien des Kongresses der American Society of Clinical Oncology (ASCO) überein, wonach bei der Behandlung adipöser erwachsener Patienten die volle, gewichtsabhängige Dosis der Chemotherapie verwendet werden soll. Doch hilft viel auch viel? Denn je mehr Chemotherapie, desto mehr Nebenwirkungen. Dosisreduzierungen scheinen in dieser Studie mit weniger guten Überlebenschancen verbunden zu sein, aber sie können aus Sicherheitsgründen dennoch erforderlich sein. In allen Fällen müssen auch die Auswirkungen der Chemotherapie und ihrer Nebenwirkungen berücksichtigt werden.
Darüber hinaus gilt die Korrelation eines erhöhten BMI auf die Krebsresultate möglicherweise nicht für alle Krebsarten, wie z. B. bei Lungen- und Nierenkrebs. Die Ergebnisse unterstreichen, dass die Dosierung der Chemotherapie ein kompliziertes Unterfangen ist. Verallgemeinern kann man den Effekt von Adipositas auf Chemotherapien jedoch nicht.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash